Auch arme Städte
dürfen Sozialticket erproben
Das Sozialticket für Busse und Bahnen im Verkehrsverbund
Rhein-Ruhr (VRR) darf ab November auch in Städten mit Nothaushalt erprobt
werden. WAZ-Montage: Martin Möller
Düsseldorf. Auch Städte mit Nothaushalt können
ab November das geplante Sozialticket für Busse und Bahnen erproben. Das
Innenministerium hat „keine finanzaufsichtlichen
Bedenken“ gegen ihre Teilnahme an der 14-monatigen Pilotphase des Verkehrsverbunds
Rhein-Ruhr (VRR), wie aus einem der WAZ Mediengruppe vorliegenden Schreiben
an die Bezirksregierungen hervorgeht. Mehrkosten für die Kommunen seien nicht
zu erwarten, heißt es.
Zusätzliche Ausgaben für Personal oder Organisation dürfe es nicht geben.
Damit korrigiert die Landesregierung frühere Aussagen aus der Kommunalaufsicht,
die eine Teilnahme von Städten in Etatnöten untersagt hatte.
Das Land Nordrhein-Westfalen will das Sozialticket zunächst mit 30 Millionen
Euro bezuschussen. Rund 1,2 Millionen Empfänger von Hartz
IV oder Wohngeld sollen es zum Monatspreis von 29,90 Euro für innerstädtische
Fahrten nutzen können. Die Teilnahme am Pilotversuch ist freiwillig.
Der VRR hat im Juli die Einführung des Sozialtickets
beschlossen. Der Rat der Stadt muss nun über eine Einführung des Tickets in
Bottrop entscheiden. Unklar ist, welche Kosten damit auf die Stadt zukommen.
WAZ-Montage: Martin Möller
Bottrop. 29,90 Euro soll das Ticket für
Bedürftige Kosten. Der VRR hat die Einführung beschlossen. Aber Politik und
Verwaltung sind sich unsicher. Niemand weiß, welche Kosten auf die Städte
zukommen könnten.
Das letzte Wort hat der Rat. Bei der nächsten Sitzung am 4. Oktober müssen
die Stadtverordneten entscheiden, ob das Sozialticket auch für Bottrop kommt.
29,90 Euro kostet dann das ermäßigte Ticket für die Empfänger von Sozialgeld
und Hartz IV.
Weil das Innenministerium jetzt grünes Licht gegeben hat, dass auch Kommunen,
die unter Haushaltsaufsicht stehen, sich an der Pilotphase beteiligen
dürfen, will die Verwaltung das Thema in der nächsten Ratssitzung abstimmen
lassen.
Zwar geht man beim Innenministerium davon aus, dass auf die Kommunen keine
Mehrkosten zukommen, doch die Stadtverwaltung ist skeptisch. Denn bei der Vestischen rechnet man durch das Sozialticket mit einem
Verlust von 1,1 Millionen Euro, so Sprecher Norbert Konegen.
„Da sind die Zuschüsse des Landes schon gegen gerechnet.“ Verluste, die die
Kommunen als Aufgabenträger übernehmen müssten. Wie hoch der Bottroper Anteil
sein würde, kann Konegen nicht sagen. „Das hängt ab
von der Zahl der Sozialtickets in der jeweiligen Stadt.“ Außerdem fürchten die
Nahverkehrsunternehmen, dass einige Abonnenten, die bisher das Ticket 1000
gekauft haben, in Zukunft Anspruch auf das Sozialticket haben.Das
war zumindest in Dortmund so. Dort wurde das Ticket getestet. Das Ticket 1000
bietet für rund 60 Euro nahezu identische Leistungen.
Bei der Verwaltung rechnet man mit Mehrkosten durch zusätzlichen
Arbeitsaufwand. Denn die Gesellschafterversammlung des VRR hat beschlossen,
dass Arge und Sozialamt den Anspruch auf das ermäßigte Ticket prüfen und
bestätigen müssen. Daher bemühe sich die Stadt bei der Bezirksregierung Münster
um die offizielle Bestätigung, die Mehrkosten tragen zu dürfen.
ENTSCHEIDUNG
Fristverlängerung
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat die Kommunen aufgefordert, bis Ende
September über die Einführung des Sozialtickets zu entscheiden. Weil der Rat
jedoch erst am 4. Oktober tagt, hat die Verwaltung um eine Fristverlängerung
gebeten. Eine Antwort steht noch aus.
Die Vorsitzende des Sozialausschusses, Renate Palberg, ist dann auch überrascht, dass jetzt wohl auch Nothaushalt-Kommunen das Ticket ausgeben dürfen. „Grundsätzlich kann man nichts gegen das Ticket haben, wenn es die Menschen mobiler macht.“ Trotzdem ist sie zurückhaltend. Denn zunächst müsse der Haupt- und Finanzausschuss das Vorgehen prüfen. Dessen stellvertretender Vorsitzender Josef Ludes wiegelt ab. „Wenn das Land das Sozialticket will, soll es das auch bezahlen.“ Er plädiert für ein gemeinsames Vorgehen der betroffenen Kommunen. Außerdem nennt er weitere Zahlen. „Es gibt Gutachten beim VRR, die rechnen mit 80 bis 100 Millionen Euro Mehrkosten“, warnt er. Dann würde der Landeszuschuss von 30 Millionen Euro nicht reichen.
http://www.derwesten.de/staedte/bottrop/Rat-entscheidet-uebers-Sozialticket-id4943284.html
Foto: Ulrich von Born
Essen. CDU, Grüne und SPD im Essener Rat wollen
dem Billett für Langzeitarbeitslose und sozial Bedürftige zustimmen. Die
endgültige Entscheidung fällt im September. Grünen-Ratsherr Rolf Fliß etwa glaubt an ein Grundrecht auf Mobilität.
Die Mehrheit im Essener Rat fürs Sozialticket steht. CDU, SPD und Grüne wollen in der September-Sitzung des Stadtrates
einer entsprechenden Verwaltungsvorlage zustimmen. Zuvor hatte das
NRW-Verkehrsministerium erklärt, das Ticket für Kommunen und Verkehrsverbünde
mit 15 Millionen Euro in 2011 und je 30 Millionen Euro in den Folgejahren zu
fördern.
„Wir können nicht so tun, als sei die Frage, ob sich jemand einen Fahrausweis
für Bus und Bahn leisten kann, reine Privatsache“, so
NRW-Verkehrsstaatssekretär Horst Becker (Grüne). Ab sofort könnte die Förderung
beantragt werden, auch von Städten im Haushaltssicherungskonzept oder mit
Nothaushalt.
„Der Einführung des Sozialtickets in Essen steht damit wohl nichts mehr im
Wege“, sagt Friedhelm Krause, CDU-Ratsherr und Mitglied im Verwaltungsrat des
Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Familien mit kleinen Einkommen und Bezieher von
Transferleistungen würden hiervon profitieren.
Grünen-Ratsherr Rolf Fliß, Verkehrsexperte der
Fraktion, glaubt an ein Grundrecht auf Mobilität, unabhängig vom Einkommen:
„Mit dem Sozialticket haben auch einkommensschwache und bildungsferne Schichten
die Möglichkeit der Teilhabe an der Mobilität.“
SPD-Ratsherr Wolfgang Weber, im VRR-Verwaltungsrat
und gleichzeitig Evag-Aufsichtsratschef, der sich
noch vor kurzem wegen der zu hohen Kosten für die Evag
gegen das Vorhaben ausgesprochen hatte, rudert zurück: „In Düsseldorf haben SPD
und Grüne nachgearbeitet.“ Er stehe nun hinter dem Ticket, obwohl dies Kosten
für die Stadt bedeutet: „Wir müssen die Belege für Berechtigte ausstellen, was
das kostet, muss geprüft werden.“
Video
Sozialticket wird teuer (2:31)
Sozialticket wird teuer Das für 2011 geplante Sozialticket würde
NRW rund 30 Millionen Euro kosten.
Der Preis für das Sozialticket soll bei 29,90 Euro liegen und für
die Preisstufe A gelten. „Das geht uns nicht weit genug, da der Preis über dem
liegt, was im SGB-II-Regelsatz vorgesehen“, so
Linken-Fraktionschef Hans-Peter Leymann-Kurtz. Da das
Ticket nur für Fahrten in einem Tarifgebiet gelten soll, „ist es kein Anreiz
für Arbeitssuchende und Geringverdiener, sich in Nachbarstätten zu bewerben.“
Im September soll der Rat übers Sozialticket abstimmen, dies bestätigte Uwe
Gummersbach, Leiter des Büros des Oberbürgermeisters, der NRZ.
http://www.derwesten.de/staedte/essen/Ratsmehrheit-fuer-Sozialticket-steht-id4948499.html
Wie teuer wird das Sozialticket für Oberhausen? Über die
Prognosen streiten sich Verkehrsbetriebe und Politik weiterhin. Foto: Kerstin Bögeholz
Mülheim. Kommt das Sozialticket für Oberhausen
oder nicht? Nachdem das Land nun allen Kommunen mit Nothaushalt gestattet hat,
sich an dem 14-monatigen Pilotprojekt beteiligen zu dürfen, könnte sich die
Stadt dafür entscheiden; Alg-II-Empfänger und
Geringverdienende würden davon profitieren. Doch Zweifel sind angebracht: Denn
die möglichen Kosten muss weiterhin die Kommune tragen, die das Geld nicht hat.
Die Rede ist von 340.000 Euro, mehr noch, wenn viele das Ticket nutzen.
Das Land hat sich mit seinem neuen „Okay“ für klamme Städte lediglich aus
der Schusslinie gebracht. Denn weitere Zuschüsse gibt es nicht: NRW stellt den
Kommunen 30 Mio Euro für die Pilotphase von November
2011 bis Ende 2012 zur Verfügung in der Hoffnung, dass es nicht so teuer werde.
Mehrkosten seien nicht zu erwarten, zusätzliche Ausgaben für Personal und
Organisation dürfe es nicht geben, heißt es aus dem NRW-Innenministerium.
Doch genau darüber waren sich Verkehrsbetriebe und Kommunen uneins. 835.000
Euro Einbußen etwa bei den Einzeltickets rechnete allein die Stoag vor. Selbst mit den Zuschüssen vom Land blieben
vermutlich 340.000 Euro übrig, sagt Stoag-Sprecherin
Sabine Müller. Diese gehen dann zu Lasten der Kommune.
Ob es bei dieser Summe bleibt oder sie sogar höher ausfällt, hängt
kurioserweise am Erfolg des Sozialtickets: Die Stoag geht von einer
Beteiligung von 14 Prozent bzw. von 5500 Nutzern bei 39.000
Anspruchsberechtigten aus. Nutzen es mehr Menschen, können sich – durch diese
Umsteiger – auch die Verluste bei den „normalen Tickets“ erhöhen.
„Exakte Zahlen gibt es erst am Ende des Pilots“,
räumt Müller ein. Die Rechnung der Verkehrsbetriebe ist nicht unumstritten. Die
Grünen gehen sogar davon aus, dass ein Sozialticket zu Mehreinnahmen führen wird, denn zum einen liegt
der Preis von 29,90 Euro über dem Satz eines HartzIV-Empfängers
(rund 22 Euro), zum anderen hat nicht jeder einen regulären Fahrschein
gekauft. Das Sozialticket könnte daher Neukunden gewinnen.
Die Stadtverwaltung hält sich mit Prognosen zurück: Kämmerer und
Planungsdezernent seien im Urlaub, heißt es auf Anfrage der WAZ.
zuletzt aktualisiert: 12.08.2011
Duisburg (RP). Nun soll es eine Sondersitzung
richten. Am Mittwoch, 14. September, entscheidet der Rat der Stadt Duisburg
über die Einführung des Sozialtickets. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: ein Ja
oder ein Nein. Nachverhandelt werden kann nämlich
nicht, die Konditionen stehen seit über einem Monat fest.
Das Sozialticket soll 29,90 Euro im Monat kosten und den
Leistungen der Preisstufe A ganztägig entsprechen. Zugangsberechtigt sollen
alle Empfänger von Sozialleistungen, also nicht nur Arbeitslose, sondern auch
die sogenannten Aufstocker.
Eingeführt wird es ab November zunächst für eine Probephase bis Ende 2012. So
lautet der Beschluss der Verbandsversammlung des Verkehrsverbandes Rhein Ruhr
(VRR) vom 7. Juli, den eine Mehrheit aus CDU und Grünen durchsetzte. "In
Duisburg hätten etwa 100 000 Menschen Anspruch auf das Sozialticket",
teilte Stadtsprecher Frank Kopatschek mit.
Undurchsichtige Angelegenheit
Technisch ist die Sache dabei komplizierter. Während der
Beschluss des VRR vorsah, dass Städte das Sozialticket ausdrücklich ablehnen
müssen, um es zu verhindern, verlangt die Bezirksregierung nun eine
ausdrückliche Zustimmung, um es einzuführen. Was sich auf dem ersten Blick wie
eine bedeutungsarme Spitzfindigkeit anhört, könnte in Wirklichkeit ein Indiz
für Meinungsverschiedenheiten innerhalb der SPD sein. Offenbar vertreten
Bezirks- und Stadtpartei einen anderen Kurs als die Landesregierung. "Die
Partei mit dem S in ihrem Namen in Duisburg tut sich wohl leichter damit, dem
Sozialticket nicht zuzustimmen, als es abzulehnen", vermutet Ratsfrau
Claudia Leiße (Grüne).
Zusammen mit der CDU kämpfen die Grünen im VRR und im Stadtrat
für die Einführung des Tickets. Die SPD hingegen votierte im VRR dagegen,
agierte in Duisburg zögerlich und fuhr keine einheitliche Linie. "Herr
Berner wollte im VRR noch einen Betrag von 34,90 Euro durchsetzen, während er
als verkehrspolitischer Sprecher der Duisburger SPD am gleichen Tag 29,90 Euro
als zu teuer ablehnte,", sagt Frank Heidenreich, der für die CDU in beiden
Gremien vertreten ist. Außerdem sei es die Duisburger SPD gewesen, die warnte,
die Stadt dürfe das Sozialticket wegen des Nothaushaltes aus Kostengründen
nicht einführen, obgleich das SPD-geführte
Verkehrsministerium Fördergelder in Höhe von – laut VRR ausreichenden – 30
Millionen Euro zusagte. Schließlich war es Duisburgs SPD-Chef Ralf Jäger, der
in seiner Funktion als Innenminister durchsetzte, dass auch Kommunen mit
Nothaushalt das Sozialticket einführen dürfen.
"Das ist eine schwierige Sache. Als DGB-Mitglied finde ich
das Ticket zu teuer. Im Rat werde ich ihm unter der Voraussetzung, dass keine
anderen Sozialleistungen gestrichen werden, wohl zustimmen. Es ist immerhin ein
Schritt in die richtige Richtung", sagte SPD-Ratsfrau Angelika Wagner. Die
Duisburger SPD wolle jedoch zunächst einmal die Vorlage der Verwaltung abwarten.