Bahnfahren muß bezahlbar sein

17.04.2010 / Inland / Seite 5Inhalt jw

<http://www.jungewelt.de/2010/04-17/index.php>

 

 

    NRW: Alle wollen ein Sozialticket. Die Frage ist, zu welchem Preis?

 

Von Mischa Aschmoneit

 

Die Düsseldorfer »Initiative für ein Sozialticket« hatte am Donnerstag

zur öffentlichen Diskussionsrunde vor dem nordrhein-westfälischen

Landtag eingeladen. Tatsächlich kamen Politiker aller im Parlament

vertretenen Parteien. Das ist nicht ungewöhnlich, denn im

einwohnerstärksten Bundesland wird am 9. Mai gewählt -- mit ungewissem

Ausgang. Ungewöhnlich hingegen war die Breite der Zustimmung zum

Sozialticket. Lediglich der Vertreter der FDP hatte Schwierigkeiten,

sein Nein vor den rund 250 Zuhörern nicht allzu deutlich werden zu

lassen. In wahlkampfbedingter Einmütigkeit erklärten CDU, SPD und FDP,

daß die Vergünstigung für sozial Schwache demnächst käme, wenn ihre

jeweilige Partei denn gestärkt aus den Wahlen hervorginge.

 

Die regierende CDU und die Grünen konnten damit punkten, daß sie bereits

einen entsprechenden verbindlichen Beschluß in einem großen

nordrhein-westfälischen Verkehrsverbund durchgesetzt haben. Lediglich

der Preis stünde noch nicht fest. Er müsse mit Hilfe einer Marktanalyse

noch festgestellt werden. Frank Laubenburg, Landtagskandidat der Partei

Die Linke, hielt dem entgegen, daß der hohe Bedarf an der schnellen

Einführung des Tickets bekannt sei und der Preis die im

Arbeitslosengeld-Regelsatz vorgesehenen 11,49 Euro nicht überschreiten

dürfe. Für CDU, SPD und Grüne schwankt der Preis zwischen 15 und 20

Euro, was immerhin deutlich unter den bisherigen Tarifen läge.

 

Eingeleitet wurde die Diskussion am Vormittag mit Vorträgen

verschiedener Befürworter des Sozialtickets. Prof. Dr. Thomas Münch übte

scharfe Kritik an der durch staatliches Handeln verursachten

gesellschaftlichen Ausgrenzung von Menschen mit wenig Geld. Das

günstigere Ticket sei für ihn nicht die Herstellung von Gerechtigkeit,

wohl aber ein kleiner Schritt dahin. Stefan Pfeiffer, der für den DGB

sprach, erklärte, die Fahrkarte sei »unverzichtbar für ein Minimum an

Menschenwürde«. Für die Diakonie wies Christian Arnold darauf hin, daß

»nur ein bezahlbares Ticket ein wirklicher Fortschritt« sei.

Gefängnispfarrer Wolfgang Sieffert nannte es »unerträglich, daß

Menschen, weil sie zu arm für den Kauf einer Fahrkare sind, ins

Gefängnis müssen«.

 

Für die »Initiative für ein Sozialticket« resümierte schließlich deren

Sprecher Holger Kirchhöfer: »Nur unser kontinuierliches Engagement hat

dazu geführt, daß es heute eine sehr große Zustimmung zum Ticket gibt.

Das war vor zwei Jahren noch ganz anders Ohne die Zusammenarbeit von

so unterschiedlichen Gruppen wie der Katholischen Arbeitnehmerbewegung,

dem Straßenmagazin fiftyfifty, aber auch der Gewerkschaft ver.di sowie

der radikal-linken initiative k hätte es keinen Zentimeter Veränderung

in der Politik gegeben. »Wir stehen kurz vor einem Erfolg -- kämpfen

lohnt sich«, so Kirchhöfer.

 

Wie groß dieser Erfolg ausfallen wird, entscheidet sich in den kommenden

Monaten. Das Sozialticket soll am 1. Januar 2011 im Verkehrsverbund

Rhein-Ruhr eingeführt werden. Die Höhe des Preises und weitere

Modalitäten hängen davon ab, ob es einen Landeszuschuß gibt -- und in

welcher Höhe er fließt.