Initiativkreis Armut in Düsseldorf
Burgplatz 3
40213 Düsseldorf
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2576235
Fax: 0211
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ikarmut@gmx.de
Düsseldorf,
den 8.11.07
Offener Brief zum geplanten Alkoholverbot auf dem Burgplatz
An die Fraktionen im Rat
An die Düsseldorfer Presse
Ein Alkoholverbot
führt zu Vertreibung, Kriminalisierung und Verelendung von Menschen, die ihren
Lebensmittelpunkt auf der Straße haben.
Probleme werden
dadurch nicht gelöst.
Bereits jetzt führt der umstrittene §6 der Straßenordnung in der Praxis zu Vertreibung von Armen aus dem öffentlichen Blickfeld. Die Einführung eines Alkoholverbotes am Burgplatz würde die Vertreibungsmöglichkeiten noch erweitern und träfe mal wieder die Ärmsten. Ein solches Verbot an einem öffentlichen Platz inmitten "der längsten Theke der Welt" ist nicht sinnvoll umzusetzen und für viele kaum nachvollziehbar. Dass in der Praxis Probleme nicht gelöst werden, sondern eher neue geschaffen würden, ist in der Presse-Diskussion der letzten Wochen bereits ausführlich erwähnt worden. Ende August 2007 betonte der städtische Rechtsamtsleiter Michael Grossmann gegenüber der Presse, dass ein Alkoholverbot nicht umzusetzen wäre. Ordnungsbehördengesetz und Straßenordnung böten juristisch keinen Platz für ein solches Vorgehen. Auch die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen sprachen sich im Juli 2007 eindeutig gegen ein Alkoholverbot aus.
Darüber hinaus ist die gesamte Thematik bis heute nicht in den zuständigen Gremien des Arbeitskreises Vorbeugung und Sicherheit/ Kriminalpräventiver Rat Fachgruppe Randgruppen bearbeitet worden. Es liegt nicht einmal eine Problemanalyse der zuständigen Experten vor. Zuletzt wurde im Juli 2007 vom Initiativkreis Armut Diskussionsbedarf zur Situation am Burgplatz nachgefragt. Die Geschäftsführung des Kriminalpräventiven Rates unter Leitung des Ordnungsamtes sah keine Handlungsnotwendigkeit.
Vor diesem Hintergrund warnen wir vor einer scheinbar schnellen Lösung der Problematik am Burgplatz durch ein Alkoholverbot.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Kirchhöfer, Koordinator Initiativkreis Armut
Kritik vom Initiativkreis
Der
Initiativkreis Armut, dem u.a. Altstadt-Armenküche,
Aidshilfe,
Trebecafé und das Obdachlosenmagazin Fifty-fifty
angehören,
spricht sich in einem offenen Brief gegen ein
Alkoholverbot
auf dem Burgplatz aus: Dies träfe wieder mal die
Ärmsten und
führe zu Vertreibung, Kriminalisierung und
Verelendung
von Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt auf der
Straße hätten. Damit würden Probleme nicht gelöst, sondern
geschaffen.
Ein solches Verbot inmitten der "längsten Theke der
Welt" sei
nicht sinnvoll umzusetzen.
Quelle:
Verlag: Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH
Publikation: Rheinische Post Düsseldorf
Ausgabe: Nr.260
Datum: Freitag, den 09. November 2007
Seite: Nr.10
lkoholverbot - so machen's andere
Rathaus und
Polizei haben sich für ein zeitlich begrenztes
Alkoholverbot auf
dem Burgplatz und der Freitreppe am Rhein
ausgesprochen. Die
Politik ist skeptisch. Wir haben in Konstanz,
Erlangen, Berlin
und Stuttgart nachgefragt, wie man dort mit
Alkoholkonsum auf
öffentlichen Plätzen umgeht.
VON DENISA
RICHTERS
OB Joachim
Erwin und Polizeipräsident Herbert Schenkelberg haben
sich dafür
ausgesprochen, den Problemen mit Betrunkenen auf dem
Burgplatz und
der Freitreppe mit einem zeitlich und örtlich
begrenzten
Alkoholverbot zu begegnen. FDP und Grüne kritisieren,
solch ein
Verbot sei nicht durchsetzbar und würde nur zur
Verdrängung
führen. Auch SPD-Fraktionschef Günter Wurm rückt von
seiner
spontanen Zustimmung ab: "Vernünftigen Maßnahmen
verschließen
wir uns nicht, aber ein Alkoholverbot ist nicht
zweckmäßig."
In anderen
deutschen Städten werden Alkoholverbote bereits
praktiziert
oder wurden diskutiert. Wir haben uns dort umgehört:
Konstanz
(82000 Einwohner): Die Seestraße, beliebte Flanierroute
am
Bodenseeufer, wurde in den warmen Monaten zum Brennpunkt. Bis
zu 250
Jugendliche trafen sich dort, tranken, warfen die
Flaschen in
den See und auch auf Passanten, pöbelten und
schlugen auch
mal zu. "Es war klar, dass wir ein politisches
Zeichen setzen
müssen", sagt Hans-Rudi Fischer, Leiter des
Bürgeramts. Die Stadt, regiert von einem grünen
Bürgermeister,
und die
Polizei waren sich einig, dass schnell gehandelt
werden
musste und
entschieden sich für eine Allgemeinverfügung auf der
Rechtsgrundlage des Polizeigesetzes. Ein Beschluss des
Gemeinderats,
der das Verbot aber akzeptiert, war somit nicht
nötig. Vom 2.
Juli bis 2. September dieses Jahres waren von 20
bis 6 Uhr
Alkohol und Glasflaschen verboten. Nachdem
Bußgeldverfahren
und Aufenthaltsverbote nicht zur Deeskalation
beigetragen
hatten, entschied man sich für eine härtere Gangart:
Androhung des
unmittelbaren Zwangs, der Polizisten den Einsatz
von
körperlicher Gewalt, Fesseln und sogar Waffen erlaubt.
Flankierend
gab es Podiumsdiskussionen, Sportvereine boten den
Jugendlichen
Alternativen an. "Die Maßnahme hat sich für uns
gelohnt",
sagt Fischer. "Der harte Kern von 40 Jugendlichen war
weg und die
Seestraße wieder eine Flaniermeile für alle Bürger."
Erlangen
(104000 Einwohner): Auch in der mittelfränkischen Stadt
hatten
betrunkene Jugendliche den öffentlichen Raum
beschlagnahmt
- und wurden zum echten Ärgernis. Seit Ende 2005
gilt im
gesamten Stadtgebiet ohne zeitliche Begrenzung eine
Satzung, die
den Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen als
Sondernutzung
definiert. Wer erstmals erwischt wird, bekommt von
der Polizei
eine Belehrung, im Wiederholungsfall eine Anzeige
mit 20 bis 30
Euro Bußgeld. "Aber alles mit Augenmaß", sagt
Martin
Fischer, Leiter des Ordnungs- und Straßenverkehrsamts.
"Obdachlose, die nicht stören, bleiben unbehelligt." Seit 2006
gilt das
Verbot auch in Grünanlagen der Innenstadt und stadtweit
auf
Spielplätzen. Fazit: "An den problematischen Stellen ist
Ruhe
eingekehrt", sagt Busch.
BerlinCharlottenburg-Wilmersdorf (315000 Einwohner): Der
Bezirk
hat als erster
in der Hauptstadt zu Beginn dieser Woche auf
allen 130 Spielplätzen ein Alkoholverbot verhängt. Im Visier
sind auch dort
vor allem Jugendliche, die sich dort treffen, um
Alkohol zu
trinken. Bei Nichtbeachtung kann ein
Ordnungswidrigkeitsverfahren
eingeleitet oder ein
Aufenthaltsverbot ausgesprochen werden. Unnachgiebigen drohen
Strafen von 35
bis 5000 Euro. Andere Bezirke wie Spandau wollen
jetzt
nachziehen.
Stuttgart
(591550 Einwohner): Trinkende und pöbelnde Jugendliche
sind auch in
der baden-württembergischen Landeshauptstadt ein
Problem,
besonders auf der Freitreppe vor dem Kunstmuseum. Ein
Alkoholverbot
wurde heiß diskutiert, aber wieder verworfen.
Rechtlich
schwierig umsetzbar, hieß es. Stattdessen haben
Polizei,
Jugend- und Ordnungsamt jetzt ein Konzept entwickelt,
das mit Blick
auf Jugendliche verstärkte Kontrollen in
Gaststätten
und auf öffentlichen Plätzen vorsieht.
Hintergründe
und Lesermeinungen unter
www.rp-online.de/duesseldorf
<http://www.rp-online.de/duesseldorf>
"Es war klar,
dass wir ein politisches Zeichen setzen mussten"
- /DENISA
RICHTERS
Quelle:
Verlag: Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH
Publikation: Rheinische Post Düsseldorf
Ausgabe: Nr.260
Datum: Freitag, den 09. November 2007
Seite: Nr.10