Mehrheit für Sozialticket im Rat

Bochum, 29.09.2011, Sabine Vogt

Für ein „Sozialticket, das den Namen verdient“, demonstrierte der DGB am Donnerstag vor dem Rathaus, links Vorsitzender Michael Hermund. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ FotoPool

Bochum. Die Gewerkschaft Komba lehnt es ab, die Soziale Liste ist dagegen, die Linken nennen es eine Mogelpackung, die FDP hält es für unbezahlbar, der DGB fordert vehement Nachbesserungen – das Sozialticket ist i n seiner jetzigen Form umstritten. Dennoch stimmte der Rat gestern mit Mehrheit für die Teilnahme an der Pilotphase.

Danach soll in Bochum ab 1. November das Sozialticket bis Ende 2012 eingeführt werden für einen Preis von 29,90 Euro. Vor allem an diesem Preis stoßen sich die Kritiker. „15 Euro – mehr ist nicht drin“, so lautete auch die Forderung vom Bochumer Sozialforum und DGB. Im Vorfeld der Ratssitzung demonstrierten sie mit ihrer „menschlichen Straßenbahn“ für ein „Sozialticket, das diesen Namen verdient“.

Im Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger für Mobilität sind 22,78 Euro vorgesehen. Das, so meinen etwa die Linken, soll auch Kosten für die Fahrt über den Nahverkehr hinaus abdecken. Somit wird bemängelt, dass das Ticket allein in der Preisstufe A, also im Stadtgebiet Bochum gelten soll.Mit ihrem Antrag, nach Ende der Pilotphase eine zweite einzuführen, bei der das Sozialticket für 15 Euro zu haben wäre und zudem verbundweit gelte, wurde im Rat abgelehnt.

Felix Hallt (FDP) sieht das Manko auch darin, dass sich viele Städte nicht beteiligen wollen, „es bleibt ein Flickenteppich“. Der Landeszuschuss in Höhe von 30 Millionen Euro für 2012 reicht, so seine Befürchtung, nicht aus: „Das bräuchte der VRR schon alleine. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass die Stadt Bochum draufzahlen müsste.“

Die Soziale Liste bezeichnet das Konzept als „Unsozialticket“. Nuray Boyraz: „Es ist so gut wie untauglich, Mobilität zu ermöglichen, Es sieht so aus, als wollte die Politik es gar nicht.“

Dieter Fleskes, SPD-Fraktionschef, wollte „das soziale Gewissen wachrütteln“ unter den Zweiflern. 15 Euro jedoch seien nicht zu finanzieren: „Das brächte einen tollen Umsatz, weil viele es kaufen würden, würde aber zu einer massiven Verschuldung führen.“ Es dürfe weder auf Kosten der Verkehrsbetriebe eingeführt werden noch zu Zusatzbelastung für die Kommunen führen, von denen einige einen Nothaushalt haben.

Das Land NRW unterstützt das Projekt in diesem Jahr mit 15 Millionen Euro, 2012 mit 30 Millionen, die unter allen Verkehrsbetrieben aufgeteilt werden müssen. Für den VRR sind im nächsten Jahr etwa 15 Millionen Euro vorgesehen. Nutznießer des Sozialtickets sind neben Hartz-IV- auch Wohngeld-Empfänger.

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Stadt Essen führt Sozialticket im November ein

Essen, 29.09.2011, DerWesten

Auch in Essen wird das Sozialticket eingeführt. Montage: Martin Möller

Essen. Auch Essen führt das Sozialticket ein: Die Evag wird ab 1. November vergünstigte Fahrkarten für Bedürftige anbieten. Das hat der Stadtrat beschlossen. Die Evag kalkuliert mit einem Verlust von bis zu 950.000Euro jährlich.

Die Essener Verkehrs AG (Evag) wird ab dem 1. November ein so genanntes „Sozialticket“ für Bedürftige anbieten. Auf Beschluss des Stadtrates beteiligt sich Essen damit an einem Pilotprojekt des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Das Sozialticket orientiert sich am Ticket 1000 des VRR. Zum ermäßigten Preis von 29,90 Euro (Preisstufe A) können es Hartz-IV-Empfänger und andere sozial Bedürftige beziehen.

Der Linksfraktion ging dieses Angebot nicht weit genug. Sie forderte ein Sozialticket auf Basis eines Tickets 2000, das also im gesamten VRR-Gebiet gültig wäre, zu einem „sozial verträglicheren Preis“ von 15 Euro. Ihr Antrag fand im Rat jedoch keine Mehrheit.

Das Pilotprojekt des VRR ist bis Ende 2012 befristet. Da davon auszugehen sei, dass Fahrgäste, die heute bereits den ÖPNV nutzen, auf das günstigere Sozialticket umsteigen, kalkuliert die Evag mit einem Verlust zwischen 850 000 und 950 000 Euro pro Jahr. Die Landesregierung hat angekündigt, die Einführung des Sozialtickets in NRW mit 7,5 Millionen für 2011 und mit 15 Millionen 2012 zu fördern.

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Krank gemeldeter Berten geht und kassiert 190.000 Euro von der Stadt Dortmund

Dortmund, 29.09.2011, Gregor Beushausen

Oliver Berten soll sich mit der Stadt Dortmund auf eine Auflösung seines Dienstverhältnisses geeinigt haben.

Dortmund. Der ehemalige Chef des Dortmunder Stadtmarketings, Oliver Berten, hat sich offenbar mit seinen Dienstvorgesetzten geeinigt: Berten, der zuletzt über Monate krank gemeldet war, gleichzeitig aber für den Posten des Bürgermeisters in Winsen an der Luhe kandidiert hatte, soll 190.000 Euro von der Stadt Dortmund als Abfindung bekommen und zum 31. Dezember aus dem Dienst ausscheiden.

Eine Personalie und die Einbringung des Haushalts bestimmten die Ratssitzung am Donnerstag in Dortmund. Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung ging es um den ehemaligen Chef des Dortmunder Stadtmarketings, Oliver Berten. Der zuletzt über Monate krank gemeldete Berten, der in dieser Zeit für den Posten des Bürgermeisters in Winsen an der Luhe kandidiert hatte, soll nach Informationen der Westfälischen Rundschau 190.000 Euro von der Stadt Dortmund als Abfindung bekommen und zum 31. Dezember aus dem Dienst ausscheiden. Er hätte noch acht Jahre bis zur Pensionierung gehabt.

Sozialticket

Der Rat lehnte zudem sowohl das von der Linken-Fraktion beantragte Sozialticket für 15 Euro als auch das vom VRR vorgeschlagene Ticket für 29,90 Euro jeweils mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP ab. Die Grünen enthielten sich beim 15-Euro-Ticket der Stimme. Im Vorfeld hatten die großen Fraktionen ihr Nein zum VRR-Sozialticket mit höheren Kosten für die Stadt begründet.

Damit bleibt es beim Dortmunder Sozialticket, das  31,56 Euro kostet. Zugleich beschloss die Ratsmehrheit, nach einer (unabhängigen) wirtschaftlichen Prüfung im September 2012 erneut über das VRR-Sozialticket abzustimmen. Da das Dortmunder Sozialticket jedoch erst ab neun Uhr morgens gültig ist, sollen die Stadtwerke prüfen, zu welchen Bedingungen ein ganztägiges Dortmunder Ticket eingeführt werden könnte.

Stadt bleibt bei Finanzen handlungsfähig

Ganze acht von rund 400 NRW-Städten und Gemeinden kommen ohne Haushaltssicherung aus. Und Dortmund gehört zum mittlerweile handverlesenen Kreis jener, die nicht am Gängelband der Kommunlaufsicht hängen. „Wir bleiben handlungsfähig“, fasst OB Ullrich Sierau gestern den 1190 Seiten starken Haushaltsentwurf für 2012 zusammen.

Demnach schreibt die Stadt zwar ein Minus von 78,1 Mio. Euro, liegt aber 11,7 Mio. Euro vom Zugriff des Arnsberger Regierungspräsidenten entfernt. „Das ist ein großer Erfolg der kommunalen Politik“, sagte Sierau vor dem Stadtparlament und warb dafür, weiter auf Konsolidierungskurs zu bleiben. Man wolle die Verwaltung „schlanker, effektiver und ökonomischer machen“, spielte der OB auf die Sparvorgaben des Rates an, nach denen das Personalbudget bis 2015 um jährlich 2 % zu kürzen ist. Im gleichen Atemzug warnte Sierau aber davor, die Stadt kaputt zu sparen. Es bleibe bei dem Ziel, Dortmund handlungsfähig zu halten und die Arbeitslosigkeit (zuletzt 13 Prozent) auf unter 10Prozent zu drücken.

„Haushalt der Verantwortung“

Von einem „Haushalt der Verantwortung“ sprach Kämmerer Jörg Stüdemann. Bis 2014/2015 wolle man erreichen, dass Erträge und Aufwendungen wieder im Gleichklang fließen. Ob die Stadt das aus eigener Kraft stemmen kann? Angesichts steigender Sozialausgaben scheint selbst der Kämmerer skeptisch zu sein. Beispiel: Die Umlage, die die Stadt an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe als überörtlichen Sozialhilfe-Träger zu zahlen hat, steige innerhalb von acht Jahren um 40 Prozent - ganz zu schweigen von den „originären“ Sozialausgaben im Stadt-Haushalt und den Kosten der Jugendhilfe. „Mit Sparen allein werden wir das auf Dauer nicht schultern“, sagte Stüdemann und forderte, der Bund dürfe die Lasten einer älter werdenden Gesellschaft nicht allein auf dem Rücken der Kommunen austragen.

Zumindest etwas Entlastung soll sein Vorschlag bringen, das Kanalnetz in eine (städtische) Anstalt öffentlichen Rechts zu übertragen. Effekt: Dadurch werden Investitionskredite für Kanalbaumaßnahmen nicht mehr auf das allgemeine Kreditvolumen der Kommune von 40 Mio. Euro angerechnet. Sie bleiben frei für andere Maßnahmen - etwa zur Finanzierung des Kita-Ausbaus.

Auf welchen Schulden Dortmund, wie andere Städte auch, sitzt, zeigt diese Auflistung:

http://www.derwesten.de/staedte/dortmund/Krank-gemeldeter-Berten-geht-und-kassiert-190-000-Euro-von-der-Stadt-Dortmund-id5113318.html

 

 

Das Sozialticket kommt in Mülheim

Mülheim, 27.09.2011, Andreas Heinrich

Ratsmitglied Johannes Gliem (SPD). Foto: Kerstin Bögeholz / WAZ Fotopool

Das Sozialticket wird auch in Mülheim eingeführt, zunächst bis Ende 2012. Dann will man weitersehen – vor allem, wie sich die Defizite dadurch bei der MVG möglicherweise erhöhen. Für SPD, Linke, MBI und Grüne gibt es keinen Zweifel: Wenn Menschen, die von Hartz IV leben, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen sollen, müssen sie auch mobil sein. Doch der dafür vorgesehene Satz reicht bei Hartz IV nicht aus. Ein Sozialticket für monatlich 30 Euro wäre aus Sicht vieler Politiker zu stemmen.

„Für uns besteht dabei zunächst kein Risiko“, betont der sozialpolitische Sprecher der SPD, Johannes Gliem, und kritisiert jene, die in dieser freiwilligen Leistung gar etwas Unsoziales entdecken.

Unsozial ist es aus Sicht der CDU, wie Fraktionschef Wolfgang Michels erklärt, weil man dadurch das Defizit erneut vergrößere und damit wieder die nachfolgenden Generationen ein Stück mehr belaste. Wieder einmal, so sehen es fast alle Fraktionen, würden hier Wohltaten vergeben, aber auf Kosten der Städte. Eigentlich müsste der Bund zahlen oder der VRR, heißt es. Eine halbe Million Euro jährlich an Subventionierung durch die Stadt, schätzt Wolf Hausmann (FDP) beim Sozialticket.

Nicht glücklich ist auch der Kämmerer, der ein mögliches Minus darin sieht, dass Inhaber eines regulären Tickets auf das preisgünstigere umsteigen und die Mitnahme von Kindern beim Sozialticket kostenlos ist. Man werde, so Kämmerer Uwe Bonan, regelmäßig Bericht über die Kostenentwicklung geben.

Achim Fänger (Wir-Linke) hält die Debatte für völlig verkehrt: „Wir machen Menschen mobiler, bekommen eine bessere Auslastung von Bus und Bahn und mehr Geld in die Kasse.“ Das sei klasse.

http://www.derwesten.de/staedte/muelheim/Das-Sozialticket-kommt-in-Muelheim-id5107477.html

 

 

Sozialticket in Velbert mehr als fraglich

Velbert, 28.09.2011, Klaus Kahle

Das Sozialticket würde in der Preisstufe A gelten und daher verbilligte Busfahrten im ganzen Stadtgebiet ermöglichen. Foto: Monika Kirsch

Velbert/Kreis Mettmann. Die Kommunalpolitik vor Ort fährt nicht auf das neue Sozialticket im Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) ab. Im Gegenteil: In den zwei bislang gelaufenen Beratungsrunden haben beide Ratsgremien auf die Bremse getreten. So stimmten sowohl die Mitglieder des Finanzausschusses – in der Vorwoche nahezu einstimmig – als auch jüngst die des Sozialausschusses – mehrheitlich – dem Verwaltungsvorschlag zu, in der Pilotphase vom kommenden November an bis Ende 2012 nicht am VRR-Sozialticket teilzunehmen. Die Zahl der Velberter, die einen Anspruch auf eine vergünstigte Fahrkarte hätten, wird auf rund 8000 geschätzt.

Die abschließende Beratung und Abstimmung steht nächsten Dienstag im Hauptausschuss auf der Tagesordnung. Wohlgemerkt: Es geht nicht um eine Grundsatzentscheidung, sondern um die Frage der Pilotphase bzw. Probezeit.

Hintergrund: Wenn eine kreisangehörige Stadt etwa ihren Ortsbusverkehr in eigener Regie organisiert, so gilt sie als „selbstständiger Aufgabenträger“, der sich dem VRR erklären und hierzu zuvor eine Linie finden muss. Das trifft auf Velbert zu, ebenso z. B. auf Hilden und Monheim.

Schlussrunde – erst im Kreisausschuss und dann im Kreistag

Auf der Kreisebene steht heute die Schlussrunde an. Erst im Kreisausschuss, dann im Kreistag. „Hier geht es nicht nur um die grundsätzliche Entscheidung, sondern auch um die Frage, ob der Kreis einen Flickenteppich haben will“, sagt Martin M. Richter. Nach Auskunft des Mettmanner Kreisdirektors hat im Vorfeld das ÖPNV-Fachgremium des Kreistags keine Beschlussempfehlung abgestimmt: „Fraktionen und Verwaltung wollten erst die Position aller zehn kreisangehörigen Städte kennen.“ Nach VRR-Angaben ist kreisweit von rund 56 000 Anspruchsberechtigten auszugehen.

Ticket-Info

Das ganze Stadtgebiet

Das Sozialticket basiert auf dem Ticket 1000 und würde als deutlich vergünstigtes Monatsticket in der Preisstufe A für 29,90 Euro pro Person alle Fahrten im Velberter Stadtgebiet ermöglichen. Der Geltungsraum lässt sich mit einem Zusatzticket zum regulären Preis erweitern.

Hilden und Monheim wollen Richter zufolge in der Pilotphase mitmachen. „Ich glaube, es ist verantwortbar, daran teilzunehmen“, so der Kreisdirektor im Gespräch mit der WAZ, „auch angesichts mancherorts gravierender Etatprobleme.“ Ganz wichtig sind ihm zwei Punkte: Erstens gehe das Sozialticket automatisch vom Markt, wenn das Land nicht die zugesagte finanzielle Förderung leiste. Und zweitens gebe es keinerlei Automatismus, dass aus der Pilotphase ein Dauerzustand werde.

Da die Fahrpreisvergünstigung zwangsläufig die Erträge der ÖPNV-Unternehmen schmälert, will das Land mit Zuwendungen in Höhe von insgesamt 45 Millionen Euro in die Bresche springen. „Ob die Mittel wirklich reichen, weiß keiner“, erklärte Sven Lindemann. Vom VRR gebe es lediglich eine mündliche Zusage, dass die Mittel auskömmlich seien. Die Landeszuweisung ab 2013, so der Velberter Kämmerer weiter, sei absolut unklar. Die Verwaltung beziffert aktuell das lokale Etatrisiko auf ca. 75 000 und das auf Kreisebene auf 450 000 bis 550 000 Euro. Velbert müsse voraussichtlich auf jeden Fall personell die zweimal jährlich vorgesehene Überprüfung der jeweiligen Anspruchsberechtigung schultern. Pro Fall – erwartet werden im Rathaus „maximal 1000“ – werden etwa jeweils 15 Minuten Bearbeitungszeit einkalkuliert.

Martin Richter zu der weiteren Entwicklung: „Falls der Kreistag für sieben Städte Ja sagt, dann müssen die Velberter entscheiden, ob Velbert Nein sagt.“

http://www.derwesten.de/staedte/velbert/Sozialticket-in-Velbert-mehr-als-fraglich-id5109462.html