Monatskarte für Bedürftige eingeführt:
Sozialticket: Flickenteppich statt flächendeckend
Obwohl das Land NRW das
neue Sozialticket in diesem Jahr mit 15 Millionen Euro fördert, führen längst
nicht alle Kommunen die vergünstigte Monatskarte für den Nahverkehr ein. Am
Samstag (05.11.2011) haben Befürworter für ein günstiges Sozialticket in ganz NRW
protestiert.
Wie viel darf ein Sozialticket kosten, damit es
noch sozial ist?
"Freifahrt" heißt die Aktion für ein günstiges und landesweit
gültiges Sozialticket. Das Bündnis der Sozialticket-Initiativen, das unter
anderem von der Linkspartei, Verdi und Attac
unterstützt wird, hatte am Samstag (05.11.2011) zu einer gemeinsamen Fahrt mit
Bus und Bahn und zu einer abschließenden Kundgebung am Duisburger Bahnhof
aufgerufen. "Wir wollen uns nicht mit einem Pseudo-Sozialticket zufriedengeben", so die Initiative in ihrem Aufruf.
Die knapp dreißig Euro, die das Sozialticket im VRR
koste, seien zu viel, mehr als 15 Euro für ein Monatsticket könnten von sozial
Bedürftigen nicht gezahlt werden.
Das Land fördert das Sozialticket mit 30 Millionen Euro
Anspruch auf das vergünstigte Nahverkehrsticket haben unter anderem
Asylbewerber, Hartz IV- und Wohngeldempfänger. Ihnen
soll durch das Sozialticket die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
ermöglicht werden, so die Idee der Landesregierung. Das Land fördert Städte,
die das Sozialticket einführen, in diesem Jahr mit einer Gesamtsumme von 15
Millionen Euro. Für die Folgejahre sind dann 30 Millionen Euro zur Finanzierung
des reduzierten Ticketpreises vorgesehen. Noch bis zum 15. Dezember können alle
Kommunen in NRW die Förderung für 2012
beantragen. Wie viele von ihnen sich 2011 für die Einführung des Sozialtickets
entschieden haben, konnte das NRW-Verkehrsministerium
auf WDR.de-Anfrage nicht
beantworten.
In Essen darf man verbilligt Bus fahren, in
Wuppertal nicht
"Die Entscheidung liegt bei der jeweiligen Kommune, wir zwingen
niemanden dazu", sagt Mirjam Grotjahn vom
Verkehrsministerium. Auch den Ticketpreis, zu welchen Tageszeiten es gilt und
wer darauf mitfahren darf, kalkulieren die Städte und Gemeinden gemeinsam mit
ihrem jeweiligen Verkehrsverbund. Statt eines flächendeckenden Angebotes
entsteht so ein Flickenteppich an Regelungen.
Mit dem Sozialticket fahren? Der Wohnsitz entscheidet
Im Moment entscheidet der Wohnsitz, ob Betroffene ein Sozialticket
beantragen können oder nicht. Denn längst nicht alle Kommunen machen mit.
Während Köln, Bonn, Aachen, Detmold und Bielefeld die Förderung beantragt
haben, wollen Wuppertal, Krefeld, Hagen und große Teile des Regierungsbezirks
Arnsberg das Sozialticket nicht einführen.
"Ein zu hohes Risiko in der angespannten finanziellen Situation",
begründet Angelika Peters die Entscheidung der Stadt Krefeld gegen das
Sozialticket. Trotz Förderung des Landes rechne man in Krefeld mit Mehrausgaben
von 300.000 bis 400.000 Euro, deshalb lehnte der Stadtrat das Sozialticket
bereits im September ab.
Ein zu hohes Restrisiko für Städte und Gemeinden
Wuppertal traf die gleiche Entscheidung. "Die Stadtwerke haben eine
vorsichtige Planung erstellt, 2,1 Millionen Euro würde das günstigere Ticket
mehr kosten", erklärt Alfred Lobers, Leiter der
Kämmerei. 800.000 Euro würde Wuppertal vom Land bekommen, blieben 1,3 Millionen
Euro, mit denen die Stadt den Verlust des Verkehrsunternehmens ausgleichen
müsste. "Und die zusätzlichen Personalkosten sind dabei noch gar nicht
eingerechnet", so Lobers. "Es ist nicht so,
als würden wir das Sozialticket nicht gerne anbieten, wir können es nur nicht
aufgrund unserer Haushaltslage."
Im VRR kostet das Sozialticket 29,90 Euro im
Monat
"Ein Restrisiko besteht", erklärt auch Johannes Bachteler vom VRR
die Zurückhaltung einiger Städte im größten Verkehrsverbund. Trotz der
Unterstützung des Landes rechne das VRR-Verkehrsunternehmen mit bis zu elf Millionen
Euro pro Jahr weniger - diesen Verlust müssten die jeweiligen Kommunen
auffangen.
Kommunen mit Sozialticket profitieren von zögernden Nachbarstädten
Wie viel die einzelnen Städte das vergünstigte Ticket schlussendlich kosten
wird, ist noch ungewiss. Weder steht die Zahl der Ticketverkäufe fest, noch ist
sicher, wie viele Kommunen letztendlich das Sozialticket einführen. Eins steht
aber jetzt schon fest: Je weniger Kommunen mitmachen, desto mehr Landesmittel
bleiben für die Städte und Kreise, die das Sozialticket einführen. Kommunen mit
Sozialticket profitieren also von ihren zögernden Nachbarstädten - nur den
bedürftigen Bahnfahrern ist damit nicht geholfen.
Stand: 05.11.2011, 06.00 Uhr
http://www1.wdr.de/themen/politik/sozialticket124.html
Rhein/Ruhr: Sternfahrt für günstigeres Sozialticket
Mehrere Initiativen wollen heute in Duisburg für günstigere
Bus- und Bahntickets für Bedürftige demonstrieren. Sie argumentieren, das
gerade erst eingeführte Sozialticket des VRR sei mit 30 Euro zu teuer und könne
sich niemand leisten, der von Hartz-IV leben müsse.
Die Demonstranten wollen mit Zügen aus Wesel, Düsseldorf, Essen und Bochum zum
Duisburger Hauptbahnhof fahren und sich dort um 14 Uhr zu einer Kundgebung
treffen.
http://www.wdr.de/studio/essen/nachrichten/index.html#r2
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2011/11/05/aktuelle_stunde.xml
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2011/11/05/lokalzeit-dortmund-sozialticket.xml