Sozialticket unter neuem Namen im ganzen VRR

13.09.2012 | 17:51 Uhr

So sieht es aus, das neue Sozialticket für Essen von der EVAG Essen. (19) Azubildende bei der EVAG, präsentiert es.Foto: Thomas Nitsche

Düsseldorf.   Das Sozialticket ist umstritten und längst nicht in allen Städten beliebt, dennoch soll es ab 2013 als Regelangebot für den ganzen VRR übernommen werden. Und: Es erhält aber einen neuen Namen und soll künftig „Mein Ticket“ heißen. Am Monatspreis von 29,90 Euro ändert sich nichts.

Ein gelungener Probelauf geht anders. Seit das Sozialticket Ende 2011 als Pilotprojekt im Nahverkehr eingeführt wurde, stieß es auf Vorbehalte. Mehrere Städte im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) machten nicht mit. Der Verkauf der verbilligten Fahrkarte lief schlecht. Viele Nutzer stießen sich daran, dass der Aufdruck „Sozialticket“ sie als Bedürftige zu erkennen gab. Dennoch soll das Ticket ab 2013 als Regelangebot für den ganzen VRR übernommen werden. Und: Es erhält einen neuen Namen.

Noch müssen die Gremien die Vorlage absegnen, aber an ihrer Zustimmung hat man in der Gelsenkirchener VRR-Zentrale keinen Zweifel. Kommt es so, dann müssen ab 1. Januar auch Städte wie Dortmund, Hagen, Wuppertal, Krefeld und mehrere Kommunen des Kreises Mettmann den Fahrschein zum Monatspreis von 29,90 Euro anbieten. Zwar genehmigt sich der VRR zu Jahresbeginn erneut eine Tariferhöhung um 3,9 Prozent. Aber die Kosten für das Sozialticket sollen 2013 in den Städten stabil bleiben.

1,14 Millionen potenzielle Kunden

Das Einstiegs-Ticket - von Theo Schumacher

Leichtes Spiel hatte das Sozialticket nie. Es sollte Menschen mit wenig Einkommen die Chance bieten, mobil zu sein – damit endete auch schon die Gemeinsamkeit. Umstritten war der Preis. 29,90 Euro erschienen vielen zu hoch, um das Etikett „sozial“ beanspruchen zu können.

Allein an Rhein und Ruhr richtet sich das Angebot an 1,14 Millionen potenzielle Kunden, die Hartz IV- oder Wohngeldempfänger sind. Gemessen daran war das Interesse dünn. In der Startphase wurden nur 30 000 Tickets verkauft, bis Mitte 2012 pendelte sich der Absatz bei rund 47 000 Billetts ein – auf „niedrigem Niveau“ und geringer als erwartet, wie es in einem VRR-internen Papier heißt. Rechnet man die Kreise Kleve und Wesel als jüngste VRR-Mitglieder hinzu, so liegt die Nutzerquote bei 5,1 Prozent.

 Am stärksten wurde das Sozialticket in Großstädten wie Düsseldorf mit fast elf Prozent und Essen (8 Prozent) angenommen. In den Kreisen fiel die Quote auf ein bis drei Prozent zurück. Vom VRR beauftragte Marktforscher fanden heraus, dass jedem zweiten Befragten der Preis von 29,90 Euro zu hoch ist. Eine Mehrheit gab an, nur selten mit Bus und Bahn zu fahren. Jeder dritte Kunde beklagte, dass er das Ticket nur innerhalb seiner Stadt nutzen kann. Deshalb soll die Fahrkarte außerhalb der Großstädte künftig kreisweit Gültigkeit haben. Dort wird sie aber auch mehr kosten.

ÖPNV

VRR erhöht Preise zum 1. Januar 2013 kräftig

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) wird zum 1. Januar 2013 die Ticketpreise erhöhen. Im Schnitt wird die Fahrt mit Bus und Bahn 3,9 Prozent teurer werden. Das beschloss am Donnerstag der Verwaltungsrat. Vor allem das Ticket 2000 ist betroffen.

Dass der verbilligte Fahrschein trotz mäßigen Erfolgs nach der Pilotphase nun festes Angebot wird, ist politisch gewollt. „Die Nachfrage ist da“, sagt VRR-Sprecher Johannes Bachteler – wenn sie auch steigerungsfähig ist. Die rot-grüne Koalition in NRW hat sich auf eine Förderung von 30 Millionen Euro für ein landesweites Sozialticket festgelegt. Der VRR rechnet damit, dass damit auch künftige Defizite jener Verbundstädte abgedeckt werden, die sich bisher gegen das Ticket sträuben. Das VRR-Papier nennt aber eine klare Bedingung: „Bei Wegfall der Landesförderung entfällt auch das Sozialticket.“

Ab Januar steht auf dem Sozialticket nur noch "Mein Ticket"

Verkauf

Sozialticket ist ein Ladenhüter

Das Sozialticket bleibt ein Ladenhüter: Die HCR verkauft nach wie vor nur 1000 Monatskarten. Die bisherigen Erfahrungen kommen nun auf den Prüfstand.

Der umstrittene Name entfällt schon zum Jahreswechsel. Dann wird jeder Fahrschein den Aufdruck „Mein Ticket“ tragen – wie schon jetzt die Chipkarte im Abo. Obwohl sich Fahrgäste und Arbeitslosen-Initiativen diskriminiert fühlten, hatte der VRR-Vorstand noch im April eine Namensänderung abgelehnt: Das Sozialticket müsse „bei einer Sichtkontrolle eindeutig erkennbar sein“. Aus Sicht von Rüdiger Sagel, Landeschef der Linkspartei und Verfechter eines billigeren Sozialtickets, ändert sich nicht viel. Er sagt: „Auch mit dem neuen Namen werden Menschen stigmatisiert, die finanziell nicht gut gestellt sind.“

Theo Schumacher

http://www.derwesten.de/nrz/politik/sozialticket-unter-neuem-namen-im-ganzen-vrr-id7093005.html

 

 

Das Einstiegs-Ticket

13.09.2012 | 18:55 Uhr

Mein Ticket soll das Sozialticket jetzt heißen.Foto: Nitsche, Thomas

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Leichtes Spiel hatte das Sozialticket nie. Es sollte Menschen mit wenig Einkommen die Chance bieten, mobil zu sein – damit endete auch schon die Gemeinsamkeit. Umstritten war der Preis. 29,90 Euro erschienen vielen zu hoch, um das Etikett „sozial“ beanspruchen zu können. Absurd wurde es, als ausgerechnet strukturschwachen Städten mit Nothaushalt der Verkauf untersagt werden sollte.

Vorbei. Wenn nicht alles täuscht, wird der VRR das Ticket ab 2013 flächendeckend verkaufen. Es wäre der Einstieg in ein landesweites Angebot. Vernünftig, weil an Rhein und Ruhr die Zahl der Abnehmer, die mit ständig steigenden Nahverkehrs-Preisen überfordert sind, besonders groß ist. Wer aber keine Arbeit hat oder wenig verdient, muss flexibel sein, um nicht völlig abgehängt zu werden.

Anlaufprobleme sollten die Initiatoren nicht entmutigen. Das Sozialticket muss sich erst bekannt machen. Wo es nicht passgenau ist, weil etwa Wohngeld-Empfänger damit nicht zu ihrer Behörde fahren können, muss nachgebessert werden. Ob allerdings der neue Name „Mein Ticket“ das Stigma von Bedürftigkeit beseitigt, ist zu bezweifeln. Ein Geniestreich war diese Idee nicht.

Theo Schumacher

http://www.derwesten.de/nrz/meinung/das-einstiegs-ticket-cmt-id7093661.html

 

 

2600 Menschen nutzen Sozialticket

14.09.2012 | 19:05 Uhr

Mein Ticket soll das Sozialticket ab Januar 2013 heißen.Foto: Thomas Nitsche

Gelsenkirchen.  Noch immer nutzen auch in Gelsenkirchen viel weniger Menschen, als bei der Einführung vor einem Jahr erhofft, das Sozialticket. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales gab es einen Sachstandsbericht.

Das Sozialticket, im November 2011 eingeführt, um in erster Linie Menschen, die von Hartz IV leben, die Mobilität zu vergünstigen, dieses Ticket wird der Politik als Thema wohl noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Zu schleppend der Anlauf, von kritischen Begleittönen flankiert, von Sozialexperten als zu teuer verschrien. . .

 

Das Nahverkehrsticket für 29,90 Euro wird nach knapp einjähriger Pilotphase ab 2013 breiter aufgestellt und im gesamten Gebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) als Regelticket angeboten. Während die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Soziales während ihrer jüngsten Sitzung – fast schon routinemäßig – den Sachstandsbericht über die aktuelle Entwicklung in Gelsenkirchen hörten, fiel diese Entscheidung.

Unterschiedliche Nutzerquote

Die aktuelle Nutzerquote vor Ort liegt, gestützt auf Verkaufszahlen der Bogestra, zurzeit monatlich bei rund 2600 Menschen. 47 000 Sozialticket-Kunden gibt es zurzeit nach Angaben des VRR in den teilnehmenden Städten insgesamt. Klingt viel, was sich aber schnell relativiert, wenn man die Quote in Relation zum Kreis der tatsächlich Berechtigten nimmt: Lediglich 5,7 % machen Gebrauch vom Angebot – womit die Absatzerwartung lange nicht erfüllt ist.

Preise gelten als angemessen

Einer, der nah dran ist am Thema, ist Axel Barton (SPD), selbst Mitglied im Zweckverband Verkehrsverband Rhein-Ruhr. Er sagte im Gespräch mit der WAZ: „Die Nutzerquote in den Städten ist unterschiedlich. In Düsseldorf, Essen und Duisburg nutzen mehr Leute das Ticket – es sind aber auch relativ große Städte.“ Er erinnerte an die drei Bedingungen, die an die Ticket-Einführung gekoppelt waren: „Es darf auf gar keinen Fall der kommunale Haushalt belastet werden; auch die Verkehrsunternehmen selbst dürfen nicht belastet werden und das Sozialticket darf die restlichen Ticket-Kunden nicht belasten.“ Sprich: die normalen Monatskarten dürften nicht teurer werden, um die Kosten fürs günstige Ticket mit zu stemmen.

Eine Umfrage unter Nutzern des Sozialtickets (ab Januar dann „mein Ticket“) und Leuten, die sich vorsorglich den Berechtigungsschein für die 29,90 Euro-Karte ausstellen ließen, hat mindestens in einem Punkt ein erstaunliches Ergebnis zu Tage gefördert: 9 Prozent der Befragten gaben an, der Preis sei sehr günstig, zwei Drittel der Nutzer beschrieben ihn als angemessen, der Rest gab die Note günstig.Was auch daran liegen mag, dass über die Hälfte derer, die heute mit Sozialticket fahren, vorher Monatskarten zum Normalpreis hatten. Zu teuer fanden es Leute, die ohnehin selten öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Hilfe von Bund und Land nötig

Neben dem Sozialticket hatte der Ausschuss u. a. das Thema „Gelsenkirchener Appell“ auf der Agenda, die von CDU-Sozialexperten Wolfgang Heinberg maßgeblich mit angestoßene Initiative, 1000 Beschäftigungsmodelle für Langzeitarbeitslose zu installieren. Ausschussvorsitzender Lutz Dworzak (SPD) appellierte: „Die Gespräche in Düsseldorf und Berlin müssen weiter gehen.“ Weil man die Hilfe von Bund und Land brauche.

Inge Ansahl

http://www.derwesten.de/nrz/staedte/gelsenkirchen/2600-menschen-nutzen-sozialticket-id7097380.html