Sozialticket wird in
Witten kaum nachgefragt
31.10.2011 | 17:31 Uhr
Noch nicht so beliebt: Das Sozialticket. Foto: Michael Korte
/ WAZ FotoPool
Witten. Die Schlange am
Info-Schalter des Job-Centers täuscht: Meistens geht es um Mietzahlungen, den
Umzug oder Hartz-IV-Anträge. Das Sozialticket, das in
der vergangenen Woche vom Kreistag eingeführt wurde, ist noch ein Ladenhüter.
Die Schlange am Info-Schalter des Job-Centers täuscht: Meistens geht es um
Mietzahlungen, den Umzug oder Hartz-IV-Anträge. Das
Sozialticket, das in der vergangenen Woche vom Kreistag eingeführt wurde, ist
noch ein Ladenhüter.
Fatma Erol zieht beim
Stichwort Sozialticket fragend die Augenbrauen hoch. „Was für ein Ding?“ Nach
kurzer Aufklärung entschließt sie sich, den Berechtigungsschein zu beantragen,
mit dem sie den Fahrschein bei der Bogestra für 29,90
Euro kaufen kann. „Ich fahre viermal am Tag mit dem Bus und bringe meiner
Kinder zur Schule.“ Im Moment zahle sie 60 Euro. „Dagegen ist das neue Ticket
ein Schnäppchen“, freut sich die 43-Jährige. Fatma Erol ist nicht die Einzige, die im Job-Center zum ersten
Mal von der Monatsfahrkarte hört. Andere wurden erst von Bekannten aufgeklärt.
Pflegehelfer Manuel Sebulke hat bei Facebook von der Fahrkarte gelesen. „Ich bin viel in Witten
und Herdecke unterwegs. Da bezahle ich für 4-er-Tickets schon mehr als 30
Euro.“ Auch er wundert sich, „warum hier keine Plakate hängen“. Gudrun Ciftci (55) findet den Preis fürs Ticket „etwas happig“.
Trotzdem griff die gelernte Arzthelferin zu. Ihre Kinder hätten ihr davon
erzählt. „Ich vermisse mehr Informationen. Besonders für Ausländer ist das
schwierig.“ „Das Job-Center kommt seiner Aufklärungspflicht nicht nach“,
beschwert sich Ralf Liebmann (44), der aber immerhin den Preis des
Sozialtickets lobt. „Wenn ich überlege, was allein ein Liter Benzin kostet...“
Der stellvertretende Leiter Michael Gonas nimmt
sich der kritischen Stimmen an, betont aber: „Wir machen in Beratungsgesprächen
auf das Sozialticket aufmerksam.“ Weitere Informationen – etwa durch Plakate –
hätten sinnvoll sein können, räumt er ein. „Viele lesen keine Zeitung oder
übersehen die Flyer.“
Das Unwissen vieler Betroffener drückt sich auch in den Zahlen der
bisherigen Anträge aus. Mehr als 9000 Wittener hätten
Anspruch auf das vergünstigte Monatsticket der Preisstufe A. Unter ihnen sind
rund 7000 Alg-II-Empfänger und 2600 Bezieher von
Sozialgeld. Bislang haben nur 188 einen Berechtigungsschein beantragt – über
1800 Scheine liegen noch im Schrank. Trotz des schleppenden Starts erwarte man
in den nächsten Wochen eine „erhebliche Steigerung“ der Nachfrage, so Michael Gonas. „Da die Bearbeitung der Anträge keinen großen
Verwaltungsaufwand bedeutet, würden nur in Ausnahmefällen Engpässe in anderen
Angelegenheiten entstehen.“
Im Rathaus wurde sogar eine Extra-Mitarbeiterin für die Anträge aufs
Sozialticket eingesetzt. Man wollte einen möglichen Ansturm abfedern. Denn in
Witten gibt es rund 4000 Ticket-Berechtigte, die für einen Antrag zum Sozialamt
müssen: Wohngeldempfänger, Asylbewerber, Bezieher von Sozialgeld und
Sozialhilfe. Der große Ansturm blieb auch hier noch aus: Gerade einmal 56
wollten bis Montag einen Berechtigungsschein haben.
Immerhin: Die, die ihren Berechtigungsschein in der Tasche haben, sind
glücklich: „Ich fahre achtmal im Monat zum Arzt“, sagt Bashir Achmet (53). „Ohne Sozialticket ist das für mich nicht
bezahlbar.“
INFO
Die Berechtigungsscheine für die Sozialtickets können beim Job-Center in der
zweiten Etage oder beim Sozialamt im Rathaus (Zimmer 235, 581-5002) beantragt
werden. In der Regel ist dafür der Ausweis nötig. Mit dem Berechtigungsschein
können die vergünstigten Tickets beim Kundencenter der Bogestra
oder der Vorverkaufsstelle Schreibwaren Gronau (Hörder Straße 340) gekauft werden. Das Ticket wird in
verschiedenen Verkehrsverbünden vom Land in 2011 mit 15 Mio
und 2012 mit 30 Mio Euro finanziert. Am 31. Dezember
2012 endet die Pilotphase des Sozialtickets.