Studieren im Campingwagen

VON JENNIFER KOCH UND SYBILLE MÖCKL - zuletzt aktualisiert: 29.10.2012 - 02:30

Kamp-Lintfort (RP). In Kamp-Lintfort ist ein Student auf den Campingplatz gezogen, weil er keine Wohnung findet. Auch in anderen NRW-Städten wohnen Studierende in Notunterkünften. Wegen des Wohnungsmangels denken Politiker darüber nach, die Akademiker etwa in Polizeikasernen unterzubringen.

Gemütlich sieht es aus bei Moritz Prüm: Eine Gitarre lehnt in der Ecke, Laptop und Kaffeekanne stehen auf dem Tisch, Schreibutensilien und jede Menge Bücher, braune Möbel, helle Gardinen – nicht wie in einer Notunterkunft. Doch genau das ist es. "Ich habe nicht rechtzeitig eine Wohnung gefunden, deshalb musste ich mir eine Übergangslösung suchen", erklärt Prüm. Der 24-Jährige wohnt seit Semesterbeginn in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz Eldorado in Kamp-Lintfort. In dem gemieteten Caravan gibt es eine Heizung und eine Küche mit Kaltwasser-Anschluss. Die Dusche ist 50 Meter entfernt, Internetanschluss hat er nicht. "Es ist ein bisschen rustikal, aber es lebt sich ganz gut hier", sagt Prüm.

Vielen NRW-Studenten geht es so wie ihm. Obwohl die doppelten Abiturjahrgänge erst im kommenden Jahr auf die Universitäten zukommen, ist es schon in diesem Jahr eng auf dem Wohnungsmarkt – günstige Unterkünfte sind vor allem in der Nähe von Unis und Fachhochschulen kaum zu bekommen. Wohngemeinschaften können sich ihre neuen Mitbewohner unter Hunderten von Bewerbern aussuchen.

Die Wartelisten für Studentenwohnheime sind lang. In Aachen etwa warten Studenten zurzeit drei bis sechs Monate auf ein Zimmer, wenn sie sich in eine der Listen eingetragen haben. Auch Moritz Prüm hat eine lange, erfolglose Suche in und um Kamp-Lintfort hinter sich, wo er seit Oktober an der FH Environment and Energy (Umwelt und Energie) studiert. Nach vielen Besichtigungsterminen und wahren WG-Castings hat er sich für die Variante Campingplatz entschieden. Dort genießt er nun die Ruhe zwischen den letzten Dauercampern auf dem nahezu verwaisten Platz, bis er im November in ein Zimmer im Studentenwohnheim umziehen kann. "Ich habe es mir schlimmer vorgestellt", berichtet Prüm. "Und es ist besser als ein zu enges Hotelzimmer."

Im gerade begonnenen Wintersemester studieren mit 632 545 Eingeschriebenen an den 69 Hochschulen in NRW so viele Menschen wie nie – sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Grund sind die doppelten Abiturjahrgänge aus anderen Bundesländern, "die zu uns hinüberschwappen", vermutet Peter Haßmann, Geschäftsführer des Studentenwerks in Münster, das für die Studenten etwa 4800 Wohnheimzimmer verwaltet – zu wenige für die kommenden Herausforderungen. "Es wird für ein bis zwei Jahre ein sehr enger Wohnungsmarkt sein", so Haßmann. Daher prüft man dort Möglichkeiten, wie kurzfristig Wohnraum geschaffen werden kann. "Wir mieten auch andere Immobilien an, unter anderem ein leerstehendes Hotel."

Ein ähnliches Bild bietet sich in fast allen Uni-Städten: In Bonn prüft das Studentenwerk, ob ein ehemaliges Schwesternwohnheim umfunktioniert werden kann. In Aachen sind drei neue Wohnheime im Bau. Sie werden aber frühestens zum Wintersemester 2013/14 fertig. Dietmar Spingys vom Studentenwerk erklärt: "Wir suchen nach alternativen Möglichkeiten, auch mit der Stadt." Aber das sei nicht einfach. "Selbst um ein Zelt aufzubauen, benötigen wir Landesmittel." Spingys hofft, dass sich die Lage in den kommenden Jahren wieder entspannt. "Wir rechnen damit, dass in zwei bis drei Jahren wieder weniger Studenten kommen."

In Düsseldorf bietet der AStA Notschlafplätze für Studierende an, die keine Wohnung gefunden haben. Insgesamt 40 Plätze stehen Studenten der beiden Hochschulen für den Notfall zur Verfügung – für 30 Euro Miete im Monat. "Die Erstsemester haben so die Möglichkeit, vor Ort weiter nach Wohnungen zu suchen", sagt AStA-Vorsitzende Yasemin Akdemir.

Für Köln, wo die Lage besonders angespannt ist, machte vor einigen Wochen SPD-Fraktionsvize Jochen Ott einen Vorschlag für eine kreative Lösung. Eine Polizeikaserne könne zu einem provisorischen Wohnheim für Studenten umgebaut werden. Von solchen Lösungen hält Frank Leppi, stellvertretender Geschäftsführer des Kölner Studentenwerks, wenig. Der Umbau eines ehemaligen Büro- in ein Wohngebäude sei kostenintensiv und würde sich kaum lohnen. Selbst im provisorischen Bau brauchen die Studenten schließlich Bäder und Küchen.

Quelle: RP

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