Studieren im Campingwagen
zuletzt aktualisiert: 29.10.2012 - 02:30
Kamp-Lintfort (RP). In Kamp-Lintfort ist ein Student auf den Campingplatz gezogen, weil er keine Wohnung findet. Auch in anderen NRW-Städten wohnen Studierende in Notunterkünften. Wegen des Wohnungsmangels denken Politiker darüber nach, die Akademiker etwa in Polizeikasernen unterzubringen.
Gemütlich sieht es aus bei Moritz Prüm: Eine Gitarre lehnt in
der Ecke, Laptop und Kaffeekanne stehen auf dem Tisch, Schreibutensilien und
jede Menge Bücher, braune Möbel, helle Gardinen – nicht wie in einer
Notunterkunft. Doch genau das ist es. "Ich habe nicht rechtzeitig eine
Wohnung gefunden, deshalb musste ich mir eine Übergangslösung suchen",
erklärt Prüm. Der 24-Jährige wohnt seit Semesterbeginn in einem Wohnwagen auf
dem Campingplatz Eldorado in Kamp-Lintfort. In dem gemieteten Caravan gibt es
eine Heizung und eine Küche mit Kaltwasser-Anschluss. Die Dusche ist 50 Meter
entfernt, Internetanschluss hat er nicht. "Es ist ein bisschen rustikal,
aber es lebt sich ganz gut hier", sagt Prüm.
Vielen NRW-Studenten geht es so wie ihm. Obwohl die doppelten
Abiturjahrgänge erst im kommenden Jahr auf die Universitäten zukommen, ist es
schon in diesem Jahr eng auf dem Wohnungsmarkt – günstige Unterkünfte sind vor
allem in der Nähe von Unis und Fachhochschulen kaum zu bekommen.
Wohngemeinschaften können sich ihre neuen Mitbewohner unter Hunderten von
Bewerbern aussuchen.
Die Wartelisten für Studentenwohnheime sind lang. In Aachen
etwa warten Studenten zurzeit drei bis sechs Monate auf ein Zimmer, wenn sie
sich in eine der Listen eingetragen haben. Auch Moritz Prüm hat eine lange,
erfolglose Suche in und um Kamp-Lintfort hinter sich, wo er seit Oktober an der
FH Environment and Energy
(Umwelt und Energie) studiert. Nach vielen Besichtigungsterminen und wahren WG-Castings hat er sich für die Variante Campingplatz
entschieden. Dort genießt er nun die Ruhe zwischen den letzten Dauercampern auf
dem nahezu verwaisten Platz, bis er im November in ein Zimmer im
Studentenwohnheim umziehen kann. "Ich habe es mir schlimmer
vorgestellt", berichtet Prüm. "Und es ist besser als ein zu enges
Hotelzimmer."
Im gerade begonnenen Wintersemester studieren mit 632 545
Eingeschriebenen an den 69 Hochschulen in NRW so viele Menschen wie nie –
sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Grund sind die doppelten
Abiturjahrgänge aus anderen Bundesländern, "die zu uns hinüberschwappen",
vermutet Peter Haßmann, Geschäftsführer des
Studentenwerks in Münster, das für die Studenten etwa 4800 Wohnheimzimmer
verwaltet – zu wenige für die kommenden Herausforderungen. "Es wird für
ein bis zwei Jahre ein sehr enger Wohnungsmarkt sein", so Haßmann. Daher prüft man dort Möglichkeiten, wie
kurzfristig Wohnraum geschaffen werden kann. "Wir mieten auch andere
Immobilien an, unter anderem ein leerstehendes
Hotel."
Ein ähnliches Bild bietet sich in fast allen Uni-Städten: In
Bonn prüft das Studentenwerk, ob ein ehemaliges Schwesternwohnheim
umfunktioniert werden kann. In Aachen sind drei neue Wohnheime im Bau. Sie
werden aber frühestens zum Wintersemester 2013/14 fertig. Dietmar Spingys vom Studentenwerk erklärt: "Wir suchen nach
alternativen Möglichkeiten, auch mit der Stadt." Aber das sei nicht
einfach. "Selbst um ein Zelt aufzubauen, benötigen wir Landesmittel."
Spingys hofft, dass sich die Lage in den kommenden
Jahren wieder entspannt. "Wir rechnen damit, dass in zwei bis drei Jahren
wieder weniger Studenten kommen."
In Düsseldorf bietet der AStA Notschlafplätze für Studierende
an, die keine Wohnung gefunden haben. Insgesamt 40 Plätze stehen Studenten der
beiden Hochschulen für den Notfall zur Verfügung – für 30 Euro Miete im Monat.
"Die Erstsemester haben so die Möglichkeit, vor Ort weiter nach Wohnungen
zu suchen", sagt AStA-Vorsitzende Yasemin Akdemir.
Für Köln, wo die Lage besonders angespannt ist, machte vor einigen Wochen SPD-Fraktionsvize Jochen Ott einen Vorschlag für eine kreative Lösung. Eine Polizeikaserne könne zu einem provisorischen Wohnheim für Studenten umgebaut werden. Von solchen Lösungen hält Frank Leppi, stellvertretender Geschäftsführer des Kölner Studentenwerks, wenig. Der Umbau eines ehemaligen Büro- in ein Wohngebäude sei kostenintensiv und würde sich kaum lohnen. Selbst im provisorischen Bau brauchen die Studenten schließlich Bäder und Küchen.
Quelle: RP
http://nachrichten.rp-online.de/regional/studieren-im-campingwagen-1.3048920