Hartz IV: Fast die Hälfte der Klagen und gut ein Drittel der Widersprüche gegen Sanktionen enden zugunsten Betroffener

Ein Drittel aller Hartz-Klagen erfolgreich

Foto: dpa 16.6.14

Mehr als ein Drittel aller Klagen und Widersprüche von Arbeitslosen
gegen Sanktionen bei Hartz IV ist im vergangenen Jahr erfolgreich
gewesen. Das geht nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ aus erstmals
erhobenen Daten des Bundesarbeitsministeriums hervor.

Mehr als ein Drittel aller Klagen und
Widersprüche von Arbeitslosen gegen Hartz-IV-Sanktionen ist im
vergangen Jahr erfolgreich gewesen. In 42,5 Prozent aller Fälle bei
Klagen gegen Sanktionen erhielt der Arbeitslose Recht, wie die „Welt“
(Montagsausgabe) unter Berufung auf erstmals erhobene Daten des
Bundesarbeitsministeriums berichtete.

Demnach wurden von 6367 entschiedenen Klagen 2708
vollständig oder teilweise zugunsten der Betroffenen entschieden. Von 61
498 Widersprüchen gegen Hartz-IV-Sanktionen seien 22 414 vollständig
oder teilweise zugunsten der Betroffenen entschieden worden – das sind
über 36 Prozent.

Das bekommen Hartz-IV-Empfänger

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Die Zahlen stammen dem Bericht zufolge aus der
Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei.
„Die Sanktionspraxis führt zu massenhaften Rechtsverstößen“, sagte die
Linken-Vorsitzende Katja Kipping der Zeitung. „Grundrechte kürzt man
nicht. Die Sanktionen gehören abgeschafft.“ (afp)

http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/hartz-iv-ein-drittel-aller-har...

 

 

17. Juni 2014 | 07.24 Uhr

Klagebereitschaft hat sich verfestigt

Warum jede dritte Hartz-IV-Klage erfolgreich ist

http://www.rp-online.de/politik/deutschland/warum-jede-dritte-hartz-iv-k...

 

 

Massenhaft Rechtsbruch

Hartz IV: Fast die Hälfte der Klagen und gut ein Drittel der
Widersprüche gegen Sanktionen enden zugunsten Betroffener.
Gesetzesnovelle hinter verschlossener Tür vorbereitet

Von Susan Bonath

Das Sozialgesetzbuch – für viele

Jobcentermitarbeiter noch immer eines mit sieben Siegeln. Klagen gegen
Sanktionen haben deshalb gute Erfolgschancen

Foto: dpa/Uli Deck

Sozialer Krieg gegen Arme: In den vergangenen zwei Jahren kürzten
Jobcenter Erwerbslosen und »Aufstockern« jeweils über eine Million Mal
die existenzsichernden Leistungen. Die Sozialgesetzbücher (SGB) II und
XII erlauben Sanktionen bis zu 100 Prozent, wenn Betroffene gegen
amtliche Auflagen verstoßen. Daß dies fast ein Jahrzehnt nach Einführung
von Hartz IV noch immer in vielen Fällen rechtswidrig geschieht, zeigt
die aktuelle Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
(BMAS) auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, die jW vorliegt.

Demnach entschieden Sozialgerichte 2013 in über 43 Prozent aller
bearbeiteten Klagen zugunsten Betroffener. In 2767 von 6367 Fällen
mußten die Jobcenter verhängte Sanktionen ganz oder teilweise
zurücknehmen. Zugleich endeten nur 611 Klagen mit einem Urteil. Bei den
übrigen wurde durch »Nachgeben« der Behörden eine Einigung erzielt, wie
es in der vom BMAS aufgeführten Statistik der Bundesagentur für Arbeit
(BA) heißt. 979 weitere Klagen wurden per Gerichtsbeschluß negativ
entschieden. Auch hier kam es in 2621 Fällen zu keinem Urteil. Außerdem
endeten rund 36,5 Prozent aller Widersprüche mit einem Sieg für die
sanktionierten Kläger. So gaben die Jobcenterjuristen laut BMAS 21128
von 61498 Widersprüchen komplett und weiteren 1286 zum Teil statt. 35349
Eingaben wiesen die Behörden zurück.

Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, forderte angesichts
dieser Zahlen erneut, die Sank­tionspraxis abzuschaffen. »Sie führt zu
massenhaften Rechtsverstößen«, erklärte sie am Montag in Berlin.
Grundrechte dürften nicht gekürzt werden. Einen entsprechenden Antrag
ihrer Fraktion hatten CDU, SPD und Grüne Anfang Juni abgelehnt.

Die nun vorgelegten Zahlen seien die ersten verläßlichen Daten dieser
Art, die die BA dem Ministerium zur Verfügung gestellt habe, betonte
SPD-Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller in der Antwort. Zuvor sei
keine entsprechende Statistik geführt worden. Die Quote aller
Hartz-IV-Klagen, die für Erwerbslose erfolgreich ausgingen, lag
allerdings auch in den vorgangegangenen Jahren bei bis zu knapp 50
Prozent.

Unterdessen arbeitet eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe weiter an
Vorschlägen für eine Novelle des SGB II. Die geplanten
»Rechtsvereinfachungen« könnten die Lage vieler Betroffener, darunter
Alleinerziehende und selbständige Aufstocker, drastisch verschärfen (jW
berichtete). Die Arbeitsgruppe tüftelt jedoch lieber geheim, wie die
Bundesregierung auf eine weitere Anfrage der Linksfraktion Anfang Juni
mitteilte. Angaben zum Verfahrensstand liefert sie darin kaum, stellt
aber klar, daß es sich um »nichtöffentliche Diskussionen auf Fachebene«
handele. In »Workshops« seien »nahezu alle Themenfelder des passiven
Leistungsrechts beleuchtet« worden. Die dabei erarbeiteten
»Lösungsansätze« würden »zeitnah« der 91. Sozialministerkonferenz zur
Kenntnis gegeben, die am 15. und 16. Oktober in Mainz tagt. Bis dahin
soll der Abschlußbericht der Gruppe vorliegen. Der Bundestag soll nach
dem Willen der Regierung noch in diesem Jahr über das neue Gesetz
abstimmen. Damit könnte es 2015 in Kraft treten.

Ferner lieferte die Antwort Angaben zu Alleinerziehenden und
Selbständigen im Leistungsbezug. Demnach sind weiterhin rund 40 Prozent
der Einelternfamilien auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen, der Anteil
hält sich seit 2007 relativ konstant auf diesem Niveau. Betroffen sind
vor allem Frauen. Ihnen droht nach dem Umsetzen der Vorschläge ein
Wegfall des sogenannten Mehrbedarfes, sofern sie keiner Erwerbstätigkeit
nachgehen.

Die Zahl selbständiger Aufstocker ist laut Arbeitsgruppe seit 2007 um
41812 auf 126172 angestiegen. Von ihnen befanden sich 2013 rund 55000
vier Jahre oder länger im ALG-II-Bezug. Nach dem Willen der
Arbeitsgruppe sollen ihnen künftig nur noch für maximal 24 Monate
zusätzliche Hartz-IV-Leistungen gewährt werden. Danach müßten sie ihre
Arbeit aufgeben, um der Vermittlung wieder zur Verfügung zu stehen, oder
mit Einkünften unter dem Existenzminimum leben. Außerdem sollen ihre
Betriebsausgaben noch begrenzter als bisher zur Einkommensberechnung
herangezogen werden.

http://www.jungewelt.de/2014/06-17/034.php