Eltern wollen Kinder vor Süchtigen schützen
mit einem Kommentar
von Angela
Everts
Kinder gehen auf eine weiter entfernte Schule, damit sie
den Kamper Acker meiden.
Frank Heuner
eskortiert die Kinder Neele, Nele und Jule zur Schule.
Frank Heuner eskortiert die Kinder Neele, Nele und Jule zur Schule.
Düsseldorf. Morgens, halb acht, in Holthausen:
Frank Heuner macht sich mit Töchterchen Neele auf den
Schulweg und sammelt zugleich auch die Freundinnen Nele
und Jule ein. Obwohl die Kinder aus der
Henkelsiedlung rund um die Straße Am Falder fast
kreuzungsfrei in die St.-Apollinaris-Grundschule an
der Itterstraße gehen könnten, haben die Eltern sie
an der Adolf-Klarenbach-Schule an der Walter-Rathenau-Straße angemeldet. Der
Grund: Der Nachwuchs soll die Methadonpraxis an der Itterstraße
weiträumig umgehen. Damit er mit den Alkoholikern und den anderen Süchtigen am Kamper Acker nicht in Berührung kommt.
Gefühlte Welten trennen die
Henkelsiedlung vom Kamper Acker
Auch Michaela Skowronek wird im nächsten Jahr ihre
Zwillinge Timo und Mia nicht an der Itterstraße
anmelden, sondern an der Adolf-Klarenbach-Schule. Wie fast alle aus der
idyllischen Einfamilienhaus-Siedlung westlich des Elbroich-Parks.
Dort ist ein kleines Dorf mitten in der Großstadt entstanden. In fast jeder der
Doppelhaushälften lebt mindestens ein Kind, sie spielen gemeinsam auf den
Grünflächen, man feiert gemeinsam ein Sommerfest – und man geht gemeinsam zur
Schule. Damit die Kinder sicher über die Straße kommen, eskortiert im ersten
Schuljahr abwechselnd ein Elternteil die Truppe.
Die Henkelsiedlung ist eine Welt für sich, der zur absoluten
Selbstständigkeit eigentlich nur ein Tante-Emma-Laden fehlt. Oder zumindest ein
Bäcker. Nötig wäre das nicht, denn das Einkaufszentrum am Kamper
Acker liegt nahe, doch gefühlt trennen die beiden Bereiche Welten. „Ich bin
dort beim Einkaufen zwar noch nie bedroht worden, dennoch habe ich stets ein
ungutes Gefühl“, sagt Michaela Skowronek. Seit
einiger Zeit ist Ehemann Gero stellvertretender Vorsitzender im
CDU-Ortsverband. Im Rat würde er gerne etwas an der Situation ändern. Doch er
weiß, dass es schwierig ist.
Denn schon der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Wolfgang Janetzky (CDU), ebenfalls Holthausener,
hat sich die Zähne daran ausgebissen. Per Gericht wurde ihm untersagt, die
Probleme in der Praxis öffentlich anzuprangern.
Ambulanzen: Früher hat es in der Stadt drei
Methandonambulanzen gegeben, in Benrath, an der
Graf-Adolf-Straße und der Flurstraße. Die an der Graf-Adolf-Straße wurde Ende
vergangenen Jahres geschlossen, die in Benrath steht
vor dem Aus und an der Flurstraße soll der Patientenkreis reduziert werden.
Protest: Mit einer Unterschriftenaktion haben jetzt Betroffene
bei der Stadt und im Ausschuss für Gesundheit und Soziales ihren Protest gegen
die Schließungen deutlich gemacht.
Praxis: Für die Methadonambulanzen sollen Arztpraxen die
Ersatzdrogen ausgeben. Momentan sind das im Stadtgebiet sieben Praxen.
Patienten: Im Halbjahr 1. Juli bis 31. Dezember 2012 wurden in
Düsseldorf insgesamt 1309 opiatabhängige Patienten substituiert.
Durchschnittlich 170 Patienten gehen in die Drogenambulanz des Gesundheitsamtes
an der Flurstraße. Der Rest entfällt auf die niedergelassenen Arztpraxen. Die
Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung für die Patienten in Düsseldorf
liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
Düsseldorf. Auf den ersten Blick ist es paradox, dass
Eltern ihre Kinder auf einen weiteren Schulweg schicken als unbedingt
notwendig. Und das nicht einmal, weil die eine Schule besser ist als die
andere.
Doch die Sorgen der Eltern sind nachzuvollziehen. Denn die in der Praxis an
der Itterstraße betreuten Abhängigen holen sich dort
morgens nicht nur ihre Medikamente ab, sondern bevölkern in größeren und
kleineren Gruppen auch die Straße und den benachbarten Kamper
Acker. Ältere Kinder und Erwachsene können damit umgehen, bei jüngeren Schülern
ist das nicht unbedingt gegeben.
Zudem ist der derzeit praktizierte Begleitservice nur ein zeitlich
begrenzter Einsatz, denn später haben die Kinder ausreichend Routine, um den
weiteren Schulweg auch ohne Begleitung zu bewältigen.
Frustrierend ist jedoch, dass die Probleme zwar seit vielen Jahren bekannt,
Lösungsmöglichkeiten aber nicht in Sicht sind. Zudem ist es ein Skandal, dass
es einem Ratsherrn untersagt wird, das Kind beim Namen zu nennen.