Häftlings-Weltrekord in USA
Nirgendwo sonst sitzen so viele Menschen hinter Gittern
Von Markus Günther
Der Anteil der US-Amerikaner an der Weltbevölkerung beträgt nur
4,6 Prozent. Doch an der "prison population", also an der
Gesamtzahl aller Gefängnisinsassen, haben die USA einen weit
größeren Anteil: 25,5 Prozent.
Eine neue Studie des Pew-Instituts in Washington zeigt, dass die
Zahl der Strafgefangenen in den USA weiter steigt. Auch in
diesem Jahr wird ein neuer, trauriger Rekord gemeldet: 2,3
Millionen Menschen sitzen in den USA hinter Gittern -- illegal
Eingewanderte in Abschiebelagern sind dabei noch nicht einmal
mitgerechnet. Somit ist etwa jeder 100. erwachsene Amerikaner
eingesperrt. Auch diese Quote ist ein Weltrekord; in Deutschland
sitzt etwa jeder 800. Erwachsene im Gefängnis.
Als Hauptursache für die steigenden Zahlen nennen die Autoren
die Richtlinien zur Strafbemessung, die in vielen Fällen ein
Mindeststrafmaß vorschreiben. Diese Richtlinien, zusammen mit
einem Stimmungswechsel Ende der achtziger Jahre, durch den
härtere Strafen populär wurden, haben in den letzten 20 Jahren
fast zu einer Verdreifachung der Gefangenenzahlen geführt.
Überproportional vertreten sind ethnische Minderheiten.
Besonders krass sind die Zahlen für jüngere schwarze Männer:
Jeder neunte Schwarze im Alter zwischen 20 und 34 sitzt ein.
Die Bundesstaaten verwenden im Durchschnitt sieben Prozent ihres
Budgets auf den Strafvollzug. Jeder Gefangene kostet im
Durchschnitt 27 500 Dollar pro Jahr. In einigen Staaten wird
mehr Geld für die Unterhaltung der Gefängnisse ausgegeben als
für sämtliche Hochschulen. 55 Milliarden Dollar haben die USA
2007 für die Gefängnisse aufbringen müssen.
"Auf Dauer können wir uns diese Kosten nicht leisten", sagt Rick
Kern, der in Virginia für die Reform der Strafzumessung
verantwortlich ist, "wir müssen stärker unterscheiden zwischen
denen, die gefährlich sind und denen, mit denen wir
intelligenter umgehen können." Auch Adam Gilb, einer der Autoren
der Studie, glaubt, dass viele Häftlinge nicht einsitzen
müssten: "Viele könnten wir außerhalb des Gefängnisses besser
überwachen. Außerdem würden wir die Leute wieder in die
Gemeinschaft integrieren." Seite 13
GHARTZ
© Copyright Frankfurter Rundschau
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 52)
Datum: Samstag, den 01. März 2008
Seite: 8
Trendwende im US-Knast
Von Dietmar Ostermann
Die schlechte Nachricht lautet: Ein Prozent der erwachsenen
US-Bevölkerung saß voriges Jahr im Gefängnis. 2,3 Millionen,
mehr als je. Und trauriger Weltrekord. Die gute Nachricht ist:
Auch in den USA denkt man um. Das "getting tough" der 1990er
Jahre, das harte Durchgreifen der Justiz, kommt allmählich aus
der Mode.
Ob aus Einsicht oder weil das Geld fehlt für teure, überfüllte
Knäste -- einige Bundesstaaten steuern um. In
Schwarzenegger-Kalifornien etwa ist die Zahl der Häftlinge
gesunken. Gesetze, die Richter zu hohen Mindeststrafen
verpflichten, werden zurückgerollt. Einige US-Staaten schaffen
alternative Strafen, investieren in Hilfen zur
Wiedereingliederung Haftentlassener. Menschen einfach
wegzuschließen, gilt nicht mehr als Lösung. Möglich also, dass
die Zahl der Häftlinge in den USA bald sinkt.
Eine Trendwende aber wird es nur geben, wenn die Reformer
belegen können, dass weniger Häftlinge nicht mehr Verbrechen
bedeuten. Sonst dürften in einem Land, das Sheriffs,
Staatsanwälte und Richter vom Volk wählen lässt, kernige Sprüche
die Oberhand behalten.
OSTERMANN
© Copyright Frankfurter Rundschau
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 52)
Datum: Samstag, den 01. März 2008
Seite: 13