Private Pleiten nehmen zu
Inkassoverband erwartet 130 000 Fälle im nächsten Jahr
Dank der anziehenden Konjunktur sinkt die Zahl der Firmenpleiten. Bei
Privatleuten dagegen nehmen Insolvenzen drastisch zu. Der Inkassoverband
fordert daher bessere Aufklärung schon an Schulen.
Berlin · Vor allem private Schuldner bekommen zunehmend Post von der Gilde
der Geldeintreiber, weil sie ihre Rechnungen verspätet oder gar nicht mehr
bezahlen. „Viele Menschen haben einen so hohen Schuldenberg angehäuft, dass sie
auch kleinste Beträge nicht mehr begleichen können“, sagt Stephan Jender vom Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen
(BDIU). Ein Grund dafür sei häufig Arbeitslosigkeit.
Allein dieses Jahr werden die privaten Pleiten um 45 Prozent auf rund 100
000 Fällen zunehmen, so der Verband. 2007 rechnet man sogar mit 130 000
Insolvenzen von Verbrauchern. In den meisten Verfahren gehe der Gläubiger leer
aus. Auch der Steuerzahler bleibe meist auf den im Schnitt 2500 Euro
Prozesskosten sitzen, die vier von fünf Schuldnern erstattet bekommen, wenn sie
sich als mittellos erklären.
Die Branche begrüßt die von Justizministerin Brigitte Zypries
(SPD) angepeilte Reform, wonach das vor sieben Jahren eingeführte Verfahren
vereinfacht werden soll. Besonders die unbürokratische außergerichtliche
Einigung soll gestärkt werden. Im Inkassoverband sind 518 der rund 700
Branchenbetriebe organisiert. Vielen Menschen fehle es an finanzieller
Allgemeinbildung, sagt Jender. Besonders Jugendliche
seien zu leichtfertig. Mehr als die Hälfte der Inkassofirmen beklagt, dass
junge Leute bis 24 Jahre Rechnungen schlechter begleichen als Ältere. Besonders
das Mobiltelefon gilt als Schuldentreiber. Aber auch Banken räumten jungen
Leuten zu leichtfertig Kredite ein. Die Branche fordert daher, dass das Thema
„Schulden vermeiden“ in die Lehrpläne von Schulen aufgenommen wird.
Weniger Insolvenzen bei Firmen
Eine erfreulichere Bilanz zieht der Verband bei den Firmenpleiten, deren
Zahl sinkt. 2006 wird mit einem Rückgang um 17 Prozent auf 30 500 Insolvenzen
gerechnet. 2007 erwarten die Inkassobetriebe den niedrigsten Stand seit der
Jahrtausendwende. Mehr als zwei Drittel der Inkassofirmen erwarten aber, dass
sich die Zahlungsmoral gewerblicher Kunden weiter verschlechtert.
Der Zentralverband des deutschen Handwerks mahnt unterdessen die
Verabschiedung des Forderungssicherungsgesetzes durch den Bundestag an. Die
Branche hofft, dass danach unberechtigte Mängelrügen künftig nicht mehr ohne Weiteres als Grund für ausbleibende Zahlungen vorgeschoben
werden können. Thomas Wüpper
WÜP
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Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 271)
Datum: Dienstag, den 21. November 2006
Seite: 12