Befragung zum Sozialticket

Stand: 22.9.2008

 

 

Grundsätzliches:

Die Idee zur Befragung zum Thema Sozialticket entstand im Initiativkreis Armut in Düsseldorf. Hintergrund ist die Forderung nach der Einführung eines Sozialtickets für „von Armut betroffene Menschen“ in Düsseldorf.

Menschen in dieser schwierigen Lebenssituation sollten in möglichst vielen sozialen Einrichtungen befragt werden. Es sollten grundlegende Daten erhoben werden, die bei der Diskussion in der Öffentlichkeit sowie den Medien und der Politik hilfreich wären, um den dringenden Bedarf zu verdeutlichen.

 

- Insgesamt wurden 681 Menschen befragt.

In der Praxis der Sozialarbeit mit Menschen in Armutssituationen wurde immer wieder festgestellt, dass es Probleme mit der Bezahlbarkeit von Fahrtickets für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)und folglich mit der Mobilität gibt. Beobachtet wurde weiterhin, dass die Menschen immer wieder durch „Schwarzfahren“ auffielen. Dies hat erhöhte Beförderungsentgelte und Strafverfahren, Geldstrafen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen zur Folge.

Die Befragung sollte überprüfen, ob und in welchem Ausmaß diese individuellen Beobachtungen und Erfahrungen tatsächlich zutreffen.

Die Befragung wurde in der Woche vom 23. bis 29. Juni 2008 durchgeführt.

Sie erfolgte anhand eines strukturierten Fragebogens. Dieser bestand aus sieben Fragen, die jeweils mit einer oder mehreren Möglichkeiten zu beantworten waren. Bei zwei Fragen war eine offene Beantwortung möglich.

Die Befragung erfolgte durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den verschiedenen nachfolgend genannten (18) Einrichtungen und Initiativen. Diese Stellen werden insgesamt von Menschen in verschiedensten Lebenssituationen aufgesucht - von solchen, die in extremer Armut, wohnungslos oder suchtkrank sind als auch von Familien:

 

Aims/Renatec (9 Befragte), Armenküche (20), axept! (37), Bahnhofsmission (13), Betreutes Wohnen Kölner Straße/Diakonie (7), café pur/Diakonie (26), Caritas Fachberatungsstelle (62), Fachberatungsstelle Horizont/Diakonie (64), fiftyfifty Verkäufer (67), Flingermobil (42), Friedrich Naumann Haus/Diakonie (21), Icklack/Diakonie und Ariadne (22), Jugendberatung JUB (8), knackpunkt (18), kompass (51), Lebensmittelausgabestelle Bergerkirche, Diakonie/Düsseldorfer Tafel (121), Shelter/Diakonie (87), Trebecafé/Diakonie (6).

 

1.     Wie oft werden die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt?

 

- 93,2 % nutzen den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) regelmäßig (täglich, 3x die Woche, 1x die Woche).

- Nur 6,8 % nutzen den ÖPNV gar nicht.

- Es ist überraschend viel Mobilität da: 74,6 % täglich bzw. mehrmals täglich.

 

2.     Wofür benutzen die Befragten den ÖPNV?

 

- Bei den Fahrtzielen geht es im Wesentlichen um soziale Einrichtungen, Behörden, Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs), die Substitutionsstelle. Selbst im privaten Bereich werden Ziele wie Schule, Ärzte angegeben.

- Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die hier befragten Menschen auf den ÖPNV angewiesen sind.

 

 

3.     Inwieweit sind Tickets vorhanden?

 

- 56 % haben ein regelmäßiges oder gelegentliches Monatsticket. Ca. 13 % fahren mit Einzel- oder 4er Tickets. 3,1% gaben von sich aus an, dass sie einen Schwerbehindertenausweis, ein Bärenticket haben oder Rad fahren.

- 29 % haben meistens gar kein Ticket.

- Es ist bemerkenswert, dass 23,7 % aller Befragten von sich aus angaben, dass ihnen die Tickets zu teuer sind und sie deshalb kein Ticket kaufen können.

- Etwa 71 % haben also meistens Fahrscheine. Wenn irgend möglich wird von der Mehrheit versucht, Monatstickets zu erwerben. Die materielle Armut, die nicht ausreichenden finanziellen Möglichkeiten lassen dies jedoch oft nicht zu. (Im Arbeitslosengeld II-Regelsatz (ALG II) wird lediglich von einer Gesamtsumme von etwa 12 Euro im Monat für Mobilität ausgegangen).

Hinzu kommen häufig weitere kurzfristige  Schwierigkeiten wie z. B. die verzögerte Auszahlung des ALG II Regelsatzes durch die ARGE. So kommt es, dass oft am Ende des Monats kein Geld mehr vorhanden ist, um Tickets zu erwerben oder am Anfang des Monats noch kein Geld da ist, um wie eigentlich beabsichtigt ein Monatsticket zu kaufen oder gar zu abonnieren.

 

4.     „Schwarzfahren“

- Dass trotzdem fast die Hälfte der Befragten (45,4 %), also ein erheblicher Anteil, selten bis oft ohne Fahrschein fährt, könnte verhindert werden, wenn die Tickets preisgünstiger wären.

- Angemerkt sei hier, dass unter denen, die nicht „schwarzfahren“ auch solche sind, die ein Ticket besitzen, dass sie entweder im Rahmen einer Beschäftigungsförderungsmaßnahme der ARGE erhalten oder weil sie (das ist die kleinere Gruppe) schwerbehindert sind. In einzelnen sozialen Einrichtungen wird zudem ein Monatsticket ausgeliehen, so dass Schwarzfahren vermieden werden kann. Bei den Befragten in der Bergerkirche kann man z. B. davon ausgehen, dass die Kinder aus den befragten Familien ein „Schokoticket“ haben.

 

5.     Verfahren wegen Beförderungserschleichung

 

- 39,2 % wurden bereits wegen „Schwarzfahrens“ verurteilt oder geben ein offenes Verfahren an.

- Ein Großteil dieser kostenträchtigen und personalaufwändigen Strafverfahren könnten vermieden werden, wenn sich mehr Menschen ein ÖPNV-Ticket leisten könnten.

- Erfahrungsgemäß ist es so, dass die zum Teil (hoch) verschuldeten Menschen das erhöhte Beförderungsentgelt wegen Beförderungserschleichung nicht zahlen können. Damit sind Rheinbahn und Schuldnerberatungsstellen beschäftigt. Geldstrafen können zudem die Folge sein. Mit dieser Maßnahme werden dann Staatsanwaltschaft/Gerichte beschäftigt. Dazu kommen Jugendgerichtshilfe und soziale Dienste der Justiz. Alle klagen ohnehin über Personalknappheit.

- Durch diese Maßnahmen werden die betroffenen Menschen zudem kriminalisiert. Das wiederum erschwert ihre Arbeitssuche, Wohnungssuche (Einträge in die Schufa) und befördert Resignation.


 

6.     Preissenkung auf 15 € als Maßnahme

 

92,5 % der Befragten würden ein Monatsticket kaufen, wenn es 15 € kosten würde. Das ist ein eindeutiges Ergebnis und würde eine hohe Nutzung des Sozialtickets erwarten lassen.

 

7.     Einkommenssituation

Das Ergebnis verdeutlicht die sehr begrenzten Einkommensverhältnisse des benannten Personenkreises.

76 % der Befragten beziehen als Einkommen Leistungen nach SG II (Arbeitslosengeld II) oder SGB XII (Leistungen der Grundsicherung). 28,2 % geben Rente, Lohn, fiftyfifty-Verkauf, Flaschensammeln oder kein Einkommen an. In dieser Gruppe waren auch weitere Menschen, die Grundsicherungsleistungen erhalten.

 

Initiativkreis Armut in Düsseldorf