Mieter fühlen sich geschröpft
17.12.2014 | 00:11 Uhr
54 Zwei- und Dreizimmerwohnungen zu einem Mietpreis von 9,90 Euro
pro Quadratmeter? Auf dieses Angebot hatte Düsseldorf eine eindeutige
Antwort: Innerhalb von nur sechs Wochen konnte die Wogedo, die
Wohnungsgenossenschaft Düsseldorf-Ost, ihr Projekt komplett vermieten.
„Die Ecke“ an Dreher- und Märkischer Straße wird ab Januar bezogen.
Innerhalb von fünf Jahren Entwicklungsarbeit wurden dort fünf alte
Nachkriegshäuser abgerissen und durch sechs moderne, nicht nur lärm-,
sondern auch preisgedämpfte Bauten ersetzt. Die Wohnungen sind 51 bis 95
Quadratmeter groß, barrierefrei oder wenigstens barrierearm und haben
Fußbodenheizung und Bäder nach Wunsch der späteren Nutzer. Die Wohnungen
gingen zu einem Drittel an neue Wogedo-Genossen. Eitel Sonnenschein
also bei Investoren und den glücklichen Mietern.
Eine Stinkwut offenbaren die durch den Mangel an bezahlbarem
Wohnraum Gepeinigten aber beim NRZ-Bürgerbarometer. Auf die Frage „Sind
die hohen Mietpreise in Düsseldorf aufgrund der hohen Lebensqualität
hier gerechtfertigt?“ antworteten mehr als 60 Prozent mit einem
eindeutigen „Nein“. Nur 15 Prozent bejahten die Frage. Vor allem Bürger
aus dem Düsseldorfer Norden fühlen sich über Gebühr abkassiert; die
vergleichsweise besten Bewertungen kamen – wenig überraschend – aus den
Nobelvierteln der linken Rheinseite.
Bei einem Blick auf die Altersverteilung ist jugendliche
Unbekümmertheit Trumpf – während Menschen über 30 – und noch stärker
über 60 – mit Kummer und Ärger auf den Betrag blicken, den sie Monat für
Monat für ihre Wohnung abgeben müssen. Düsseldorf hat gleich mehrere
Luxusprobleme. Die Stadt wächst – in den vergangenen fünf Jahren um mehr
als 12 500 Einwohner. Mit Pia Sophie Giese kam am 20. Juli die 600 000
Düsseldorferin zur Welt. Im schicken Pünktchenstrampler musste sie nur
drei Monate später zu einem Fototermin mit Bürgermeisterin Klaudia
Zepuntke ins Rathaus.
Nicht vorbereitet
Gleichzeitig tendiert die Zahl der Seniorenhaushalte gegen 30
Prozent. Weder auf die ganz jungen noch die ganz alten Menschen sind die
333 100 Wohnungen in Düsseldorf vorbereitet. Auf finanzielle Normalos
erst Recht nicht. Zwischen 2009 und 2014 zog der durchschnittliche
Mietpreis in Düsseldorf um 18 Prozent an und lag nach einer Marktstudie
der Webseite „immowelt“ im ersten Quartal 2014 bei 9,40 Euro im Schnitt.
Das bedeutet einen sicheren achten Platz in der Tabelle der nach
Mietkosten teuersten Städte Deutschlands – noch vor Wiesbaden und
Berlin.
Die Quoten erhöhen
Bis zu 20 000 bezahlbare Bleiben fehlen schlicht und einfach in
Düsseldorf. Deshalb gibt es seit 2013 eine Bedingung für Neubauprojekte
im Wohnungsbereich. Ein Fünftel der Wohnungen muss zu Preisen bis 6,25
Euro pro Quadratmeter am Markt angeboten werden. Ein weiteres Fünftel
für maximal 8,50 Euro je Quadratmeter. Während OB Thomas Geisel im
Wahlkampf von höheren Quoten gesprochen hatte, wurde er in den
Ampelkoalitionsverhandlungen geschliffen: Bestätigung der alten Quoten,
die damals von FDP und Grünen zusammen mit der CDU ausgehandelt worden
waren.
Die vorgeschriebenen Anteile sind ein Zeichen an die
Wohnungsbauinvestoren – mehr nicht. Heiko Leonhard, Geschäftsführer der
Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft, kritisiert vor allem das zweite,
bis 8,50 Euro pro Quadratmeter ausgerichtete Fünftel: „Bei steigenden
Grundstückspreisen und Baukosten rechnen sich zehn Euro so eben.“ Die
Mietpreisgrenze von 8,50 Euro sei ein Wunsch grüner Wohnungsbaupolitiker
gewesen. Kritik an der Wohnungspolitik kommt aber auch von der Linken.
Das Handlungskonzept für den Düsseldorfer Wohnungsmarkt sei völlig
ungeeignet. Es fehlten nicht bloß jene 20 000 Sozialwohnungen;
zusätzlich fielen mehrere tausend Mietwohnungen in den kommenden Jahren
aus der Sozialbindung heraus. Die Linken fordern mehr städtischen
Wohnungsbau mit Mieten von fünf Euro je Qua-dratmeter.
Undynamische Arbeitsweise
Immerhin gibt es Zahlen, die Hoffnung machen. In Düsseldorf wurden
in den ersten neun Monaten dieses Jahres Baugenehmigungen für 2188
Wohnungen erteilt – eine Steigerung um fast 75 Prozent gegenüber dem
gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das Glasmacher-Viertel mit rund 1400
Wohnungen in Gerresheim, die Ulmer Höh mit 600 neuen Wohnungen in
Derendorf und das Lichtenbroicher Wohnungsbauprojekt mit knapp 90 neuen
Wohnungen sind Mutmacher-Projekte, die allerdings nicht vor 2018 auf den
Markt kommen. Ausruhen kann sich die Ampel deshalb nicht.
Praktiker kritisieren die undynamische Arbeitsweise der Düsseldorfer
Bauverwaltung. Es dauere schlicht zu lange, bis Baugenehmigungen
erteilt würden. Und: Die Verpflichtung, pro Wohnung einen Autostellplatz
schaffen zu müssen, sei für private Investoren eine echte Projektbremse
– vor allem bei Studentenbuden und seniorengerechten Wohnungen, deren
Mieter häufig gar keine Autos besäßen. Hamburg hat die
Stellplatz-Verpflichtung aus diesem Grund einfach abgeschafft.
Dirk Neubauer
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