Jedes fünfte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet. Die Rufe nach einer Kindergrundsicherung werden energischer
Jedes fünfte Kind wächst in einer Familie mit wenig Geld auf. dpa
Gütersloh Kinder- und Jugendarmut bleibt ein ungelöstes Problem: Mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene in Deutschland sind einer Studie zufolge armutsgefährdet. Betroffen sind unter den Kindern vor allem Jungen und Mädchen in alleinerziehenden Familien oder in Mehrkindfamilien mit drei und mehr Heranwachsenden, wie aus einer Analyse der Bertelsmann Stiftung hervorgeht.
Fast 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren waren laut Stiftung 2021 bundesweit von Armut bedroht. Das entspricht einem Anteil von bundesweit 20,8 Prozent. Mit 24,6 Prozent lag der Anteil im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen über dem deutschlandweiten Durchschnitt. Am höchsten fiel die Armutsgefährdungsquote in Bremen aus (41,1 Prozent), am niedrigsten in Bayern (13,4). In der Gruppe der jungen Erwachsenen zwischen 18 bis unter 25 Jahren waren 1,55 Millionen Personen armutsgefährdet (25,5 Prozent).
Die Stiftung in Gütersloh wies darauf hin, dass aktuelle Krisen und Preissteigerungen das Problem noch verschärften. Armut bedeute Mangel, Verzicht, Scham und auch schlechtere Zukunftschancen. Als armutsgefährdet gelten demnach Kinder und Jugendliche in Familien mit einem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens in Deutschland. Viele dieser jungen Menschen benötigten staatliche Hilfen, um über die Runden zu kommen. Die von der Bundesregierung angestrebte Kindergrundsicherung müsse schnell kommen. Staatliche Leistungen für Kinder – Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen für Kinder im Bürgergeldbezug, Zuschüsse für Schul- und Freizeitaktivitäten oder steuerliche Kinderfreibeträge – sollen darin zusammengefasst und unbürokratisch ausgezahlt werden.
In der Studie war auch der Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB) in den Blick genommen worden. Klar überdurchschnittlich fiel die Armutsquote auch in anderen Ruhrgebietsstädten wie Essen, Duisburg, Dortmund, Hagen oder Herne aus. Die Zahlen seien insgesamt erstmals seit fünf Jahren deutlich gestiegen, weil aus der Ukraine geflüchtete Minderjährige hinzukamen.
Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte Bund, Länder und Kommunen zum raschen Handeln auf. Die Kindergrundsicherung sei zwingend notwendig, arme Kinder und ihre Familien könnten aber nicht bis 2025 warten.
Die SPD-Fraktion im NRW-Landtag betonte, eine umfassende Strategie und ein Masterplan zur Bekämpfung der Kinderarmut seien dringend notwendig. NRW liege unter den Bundesländern auf Platz 14 – hier sei sogar jedes vierte Kind von Armut betroffen.dpa nrz