Mehr Straftaten rund um Suchthilfezentrum
Der Stadtteil Flingern leidet immer mehr unter der Verdrängung der Drogenkranken vom Worringer Platz und den Geschehnissen rund um das Suchthilfezentrum an der Flurstraße. OB Stephan Keller betont, man wolle das Zentrum verlegen.
Von Uwe-Jens Ruhnau
Flingern Rund um das Suchthilfezentrum an der Flurstraße in Flingern hat sich eine offene Drogenszene gebildet, die den Stadtteil immer stärker belastet. Die Polizei bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion, man habe in den vergangenen Monaten „deutlich mehr Straftaten festgestellt“. Damit ist vor allem der offene Drogenhandel gemeint. Konkrete Zahlen sind aktuell nicht zu erhalten. Zudem gebe es immer mehr Anrufe von Bürgern aus den umliegenden Straßen, die fremde Personen im Hausflur, im Keller oder im Hauseingang meldeten. Es hat laut Polizei im vorigen Jahr zwar immer wieder Probleme an der Flurstraße gegeben, jetzt aber habe sich die Situation zugespitzt.
Die neue Entwicklung hat maßgeblich mit der Verdrängung der Szene vom Worringer Platz seit dem Frühjahr zu tun. Das Projekt Sibu (Sicherheit im Bahnhofsumfeld) hat zu einer Verlagerung der ohnehin in den letzten Jahren gewachsenen Drogenszene geführt. Sie stellt die Stadt durch die Zunahme des Konsums von Crack und Fentanyl, die zu schlimmeren Formen der Verelendung führt, vor größere Herausforderungen als früher.
Verschlimmernd wirkt, dass die Stadt das Problem nur verlagert hat und es an Aufenthaltsmöglichkeiten für die Abhängigen fehlt. Die geplante Fläche im Innenhof des Drogenhilfezentrums an der Erkrather Straße steht noch nicht zur Verfügung, sodass es nun zunächst an der Eisenstraße Flächen vor allem für Crack-Abhängige geben soll .
An der Flurstraße gibt es zudem die Sondersituation, dass es keine 100 Meter von der Suchthilfeambulanz (SHZ) eine Grundschule gibt. Die Kinder haben hier bereits viele unschöne Situationen erleben müssen. Eine Gruppe von Eltern hat gegen die Stadt Klage eingereicht, weil sie das SHZ an dieser Stelle in ihren Augen nicht hätte genehmigen dürfen , und fordert die Verlegung der Einrichtung. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht aus, als Zwischenschritt sagte die Stadt in einem Vergleich unter anderem zu, die Kontrolldichte durch den städtischen Ordnungsdienst zu erhöhen .
Die Kräfte des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) haben inzwischen einen festen Parkplatz vor dem SHZ. Das Schultor wird jetzt zu bestimmten Zeiten geschlossen, um die Kinder vor ungebetenem Besuch zu schützen. Eine Tür ist ins sonst geöffnete Tor eingebaut und eine Klingel angebracht worden. So wird ein kontrollierter Zugang aufs Gelände gewährleistet. Dass der Schulhof nachmittags für die Kinder der Nachbarschaft zum Spielhof wird, ist vorbei. „Aktuell geschlossen“ steht auf dem Schild.
Längst geht es aber nicht nur um die Belastung für die Kinder und ihre Familien, auch auf den Straßen im Umfeld der SHZ nimmt die Kritik zu. Das wurde bei Terminen mit Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) deutlich, der sich nicht nur vor der Wahl im September, sondern auch danach mit den Menschen vor Ort traf. Die Anwohner berichteten von der offenen Drogenszene und nicht erwünschten Personen in ihren Häusern. Eine Frau von der Birkenstraße erzählte etwa, dass jemand in das Lammfell aus dem Kinderwagen in ihrem Hausflur zunächst uriniert hätte und es dann auch noch angekokelt habe.
Notdurft in Hauseingängen ist ein Dauerthema geworden, auch der offene Drogenhandel wird permanent beobachtet. Ingrid Gauper hat dies aus ihrer hoch gelegenen Wohnung im Haus der Stadtbibliothek an der Ecke Hoffeldstraße schon mehrfach gesehen. „Wenn man die Polizei anruft, nutzt dies nicht viel“, sagt sie, „dann sind die Dealer wieder weg.“ Sie sieht immer wieder, wie Drogenkranke in die Häuser oder Einfahrten gehen, und hat selbst im Keller schon solche Menschen vor sich gehabt. Auch seien ihr Keller aufgebrochen, ein Koffer und ein Einkaufstrolley gestohlen worden.
Die Geschäftsleute aus der Umgebung beklagen Lärm, Dreck und auch unangenehme Sitationen für ihre Kunden. Alexandra Koller vom Reisebüro an der Hoffeldstraße, in dessen Blickfeld die Einrichtung liegt, hat bereits mehrfach an die Stadt und das SHZ geschrieben. Gebessert hat sich die Situation nicht wirklich. „Sobald der OSD weg ist, kommen die Abhängigen auch alle wieder hierhin zurück“, sagt sie. Eigentlich sieht sie in Flingern eine gute Nachfrage für ihr Geschäft, aber den Kunden würde sie die Situation bald nicht mehr zumuten können. „Wenn das Zentrum nicht verlegt wird, muss ich mich wohl nach einem anderen Standort umsehen.“
Mit diesem Gedanken hat auch Marion Kanka, die ihr Modegeschäft Bezirk Null Zwei auf der Flurstraße hat, bereits gespielt. Auch bei ihr wurde schon in den Eingang uriniert. Im Sommer kamen nicht nur einmal Frauen ins Geschäft, die „absolut besoffen“ gewesen seien. Sie habe sie angeschrien und sofort herausgeworfen. Bäcker Frank Hoffmann von der Flurstraße hat den Oberbürgermeister beim Termin Ende Oktober gefragt, was denn passieren müsse, damit die Stadt das Drogenhilfezentrum schließe. „Er hat darauf nicht geantwortet“, sagt Hoffmann. Es sei deutlich geworden, dass die Stadt aktuell keine Lösung habe und die Bürger in Flingern mit der Siatuation leben müssten.
OB Keller sagt auf Anfrage, er nehme die Sorgen und Ängste der Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Eltern der Schülerinnen und Schüler an der Flurstraße sehr ernst. Das Ordnungsamt führe – wie zugesichert – regelmäßige Kontrollen durch, insbesondere zu den Bring- und Holzeiten. Auch die Polizei zeige verstärkte Präsenz. „Mir ist bewusst, dass die Suchthilfeeinrichtung an diesem Standort keine dauerhafte Lösung sein kann“, sagt Keller. „Gleichzeitig gehört zur Ehrlichkeit, dass wir eine tragfähige Alternative brauchen.“ An die Bürger gerichtet sagt er: „Ich versichere Ihnen, dass wir intensiv nach einem neuen Standort suchen und bereits mit potenziellen Eigentümerinnen und Eigentümern im Gespräch sind.“
rp
