NRW: Rekordstand bei Zahl der Obdachlosen
DÜSSELDORF
(dpa) Die Zahl der wohnungslosen Menschen steigt in
Nordrhein-Westfalen seit Jahren kontinuierlich. Seit 2011 hat
sich die Zahl der gemeldeten Wohnungslosen in NRW um fast 60
Prozent auf über 25.000 erhöht. Das geht aus einem Bericht von
NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) an den
Düsseldorfer Landtag hervor. Besonders problematisch ist die
Lage für Frauen: Die Hilfsangebote erreichen sie kaum, weil
Frauen die männlich dominierten Notunterkünfte scheuen. Wie
das Sozialministerium mitteilte, gibt es in
Nordrhein-Westfalen 70 von bundesweit 180 Diensten und
Angeboten ausschließlich für Frauen. Dennoch gebe es weiterhin
einen großen Bedarf, sagte Laumann.
RP 7.11.17
Nordrhein-Westfalen 6. November 2017 - 07:37 Uhr
Über 25 000 Wohnungslose in NRW - Frauen scheuen
Notunterkünfte
Von Bettina Grönewald
Wohnungslos heißt nicht obdachlos. Aus Angst vor männlicher
Gewalt in Notunterkünften suchen viele Frauen verzweifelt nach
Alternativen - und zahlen auch dabei oft einen hohen Preis.
Symbolbild
Bischof, Andreas (abi)
Düsseldorf. Die Zahl der wohnungslosen Menschen
steigt in Nordrhein-Westfalen seit Jahren kontinuierlich. Seit 2011
hat sich die Zahl der gemeldeten Wohnungslosen hier um fast 60
Prozent auf über 25 000 erhöht. Das geht aus einem Bericht von
NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) an den Düsseldorfer
Landtag hervor.
Besonders problematisch ist die Lage demnach für Frauen: Die
Hilfsangebote für Wohnungslose erreichen sie kaum, weil Frauen die
männlich dominierten Notunterkünfte scheuen. Wie das
Sozialministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in
Düsseldorf mitteilte, gibt es in NRW inzwischen allerdings 70 von
bundesweit 180 Diensten und Angeboten ausschließlich für Frauen.
Dennoch sei der Bedarf weiterhin groß, sagte Laumann der dpa.
Die Angebote sind laut Wohnungslosenhilfe regional sehr ungleich
verteilt: Unterkünfte, die sich speziell an Frauen richten, finden
sich demnach vor allem in Großstädten - überwiegend im Ruhrgebiet
und an der Rheinschiene.
„Im Bestreben nach einem gesicherten Schlafplatz gehen
wohnungslose Frauen häufig Beziehungen ein, aus denen
Abhängigkeitsverhältnisse resultieren, die oft von sexueller
Gewalt, Angst und Stress geprägt sind“, heißt es in Laumanns
Bericht.
Das Frauenforum im Kreis Unna betreibt eines der vom Land
geförderten Projekte zur Unterstützung wohnungsloser Frauen.
Geschäftsführerin Birgit Unger kennt die Problematik aus der
Praxis. „Für Frauen aus den Frauenhäusern und diejenigen, die
wir betreuen, wird es immer schwieriger, eine Wohnung zu finden“,
berichtet sie. „Wir brauchen viel mehr Sozialwohnungen.“
Der Konkurrenzdruck auf dem angespannten Wohnungsmarkt sei nicht
zuletzt auf die steigende Zahl anerkannter Asylbewerber
zurückzuführen, bilanziert die aktuelle Sozialberichterstattung
des Statistischen Landesamts. Dadurch seien im unteren Preissegment
kaum bezahlbare Wohnungen zu finden.
Knapp 40 Prozent der gemeldeten Wohnungslosen in NRW sind Frauen.
„Frauen versuchen allerdings mit vielen Mitteln, nicht als
Wohnungslose identifiziert zu werden“, erläutert das
Sozialministerium. „Sie versuchen meist sehr lange, sich ohne
institutionelle Hilfe durchzuschlagen.“
Rund 44 Prozent der wohnungslosen Frauen kommen bei Bekannten
unter - bei den Männern liegt dieser Anteil nur bei 33 Prozent.
Nicht selten müssten Frauen einen Unterschlupf bei männlichen
Bekannten allerdings mit sexuellen Dienstleistungen bezahlen, weiß
Birgt Unger. Ohne jegliche Unterkunft, das heißt auf der Straße,
lebt nur etwa jeder zwölfte Wohnungslose - bei den betroffenen
Frauen etwa jede Siebzehnte.
Wachsende Wohnungslosigkeit sei ein bundesweites Problem, stellte
Laumann fest. NRW sei das einzige Bundesland, das Projekte gegen
Wohnungslosigkeit - und eine jährliche Statistik dazu - aus dem
Landeshaushalt finanziere, obwohl dies eine kommunale Aufgabe sei.
„Die dafür veranschlagten Mittel von einer Million Euro
jährlich sind gut ausgegebenes Geld. Das soll auch so bleiben.“ Um
Wohnungslosigkeit schon im Ansatz zu vermeiden, sei es vor allem
wichtig, in bezahlbaren Wohnraum zu investieren und die Menschen in
Arbeit zu bringen, betonte er.
Das schon 1996 aufgelegte Landesprogramm gegen Wohnungslosigkeit
setzt inzwischen verstärkt auf Prävention. Bei Miet- oder
Stromschulden soll Mietern schnell geholfen werden, damit die
Wohnung gar nicht erst gekündigt wird. Auch bei Entlassungen aus
der Haft oder Therapien wird inzwischen nach Angaben des
Sozialministeriums verschärft darauf geachtet, dass Betroffene
nicht in die Wohnungslosigkeit entlassen werden.
Wenn es dennoch dazu komme, müssten Frauen aber mehr viel
Hilfsangebote vorfinden, unterstrich Birgt Unger. Zu Wohnprojekten
für Frauen gehöre auch qualifiziertes Personal für Sozialarbeit
und Hauswirtschaft, um eine Brücke ins normale Leben zu bauen. „Man
muss ihnen auch zeigen, dass Wohnungen geputzt werden müssen, wie
man mit Geld umgeht und bei Behördengängen helfen.
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