Schlangen gebildet. Viele Bedürftige haben stundenlang vor dem
Kulturzentrum gewartet, um Lebensmittel zu bekommen.
Durch Corona sind mehr Menschen auf Hilfe angewiesen. Das zeigt eine Befragung der Bedürftigen vor dem Zakk.
FLINGERN-SÜD |
Wenn die Mitarbeiter des Zakk um acht Uhr morgens die Türen
aufschlossen, hatte sich vor dem Eingang schon eine lange
Schlange gebildet. Jeden Tag von April bis Juli sind
durchschnittlich 180 Menschen zu dem Kulturzentrum an der
Fichtenstraße gekommen, um die Lebensmittelausgabe zu
nutzen. Viele haben stundenlang gewartet, um Essen zu
bekommen. Und für viele war es das erste Mal, dass sie auf diese
Unterstützung angewiesen waren.
Das belegt nun eine Studie der Hochschule Düsseldorf. Anne van
Rießen, Reinhold Knopp und Carina Bhatti vom Institut für
lebenswerte und umweltgerechte Stadtentwicklung haben
untersucht, welche Menschen die Lebensmittelausgabe genutzt
haben. 221 Wartende in der Schlange vor dem Zakk wurden über einen
Zeitraum von zwei Wochen befragt. Das Ergebnis: Die Hälfte der
Bedürftigen hat vor der Corona-Pandemie keine Lebensmittel
bei der Tafel geholt – sie war erst seit dem Lockdown auf die Hilfe
angewiesen. Zudem waren es vor allem die Bedürftigen unter
30 Jahren, die die Lebensmittelausgabe erstmals genutzt haben,
nämlich mehr als 60 Prozent in dieser Altersgruppe. Auch unter
den Paaren mit Kindern (57 Prozent) und Alleinerziehenden (62
Prozent) fanden sich viele neue Nutzer.
„Wir erklären uns das damit, dass die Schulen und Kitas geschlossen
hatten und die Versorgung dort weggebrochen ist“, sagt
Professorin Anne van Rießen. Die Gruppe der unter 30-Jährigen
bestehe vor allem aus Studierenden und Menschen mit unsicheren
Jobs. „Wenn das wegfällt, ist man ganz schnell in der Situation, in
der man auf jeden Cent achten muss. Man kann in kurzer Zeit vom
Geber zum Nehmer werden.“ Anne van Rießen vergleicht diese
Situation mit einem Mobile: Fällt an einer Stelle ein Gewicht
weg, gerät das ganze Modell ins Wanken.
Die Situation verschärft haben auch die Hamsterkäufe in den
Supermärkten, berichten die Verantwortlichen. Nicht nur die
Tafeln hatten geschlossen, auch die Regale waren leer –
vorrangig die günstigen Produkte waren vergriffen. „In den
Regalen lagen dann nur noch Lebensmittel, die eher für
kaufkräftige Kundschaft gedacht waren“, sagt Julia von Lindern
von Fiftyfifty. Das aber konnten sich andere Zielgruppen nicht
leisten. „Es gab einfach nichts mehr zu essen“, sagt Christine
Brinkmann vom Zakk-Team.
Die Studie zeigt aber auch, dass ein Großteil der Menschen schon vorher auf
Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Hartz IV angewiesen war,
sagt Anne van Rießen. „Viele haben sich mit kleineren Jobs etwas
dazu verdient, das ist dann weggefallen.“ Bedürftige, die
vorher einen festen Job hatten, seien die Ausnahme, stattdessen
vor allem Menschen, die auf keinerlei Erspartes zurückgreifen
können. Julia von Lindern von Fiftyfifty sieht das als
strukturelles Problem. „Es zeigt ganz deutlich, dass die
Existenzsicherung so eben nicht reicht“, sagt die
Sozialarbeiterin. „Wenn Familien Hilfe brauchen, weil die
Kinder plötzlich nicht mehr in der Schule essen können, haben wir
ein Armutsproblem.“
Alleine finden die Bedürftigen nur selten aus dieser Situation, sagt von Lindern.
„Die Leute verbleiben in diesem System.“ Die Tafeln böten zwar
eine Nothilfe an, könnten aber nichts an der Lage ändern. Das
zeigt auch die Studie der Hochschule. Diejenigen, die am Zakk
nicht zum ersten Mal die Lebensmittelausgabe genutzt haben,
sind in der Regel schon lange bedürftig. Mehr als die Hälfte der
Befragten nutzt seit mehr als drei Jahren diese Unterstützung. In
diesen Fällen spricht man von „verfestigter Armut“, wie
Professorin Anne van Rießen sagt.
Die Essensausgabe hatte das Kulturzentrum Zakk zusammen mit der
Obdachlosen-Organisation Fiftyfifty auf die Beine gestellt
und von Anfang April bis Ende Juli Bedürftige versorgt, da die
Tafeln aufgrund der Corona-Pandemie zunächst schließen mussten.
An vier Tagen die Woche hat sich ein Team aus Zakk-Mitarbeitern
und Ehrenamtlichen um Annahme, Aufbereitung und Ausgabe der
Lebensmittel gekümmert. Das Essen kam von Supermärkten und
Bäckern, aber auch aus Spenden von Privatleuten. Fehlende
Lebensmittel wurden durch Fördermittel von Aktion Mensch und
Geldspenden finanziert. Anders als bei den Tafeln mussten die
Menschen am Zakk nicht nachweisen, dass sie bedürftig sind.
Die Ergebnisse der Studie sollen am 27. Oktober bei einer
öffentlichen Veranstaltung mit anschließender
Diskussionsrunde im Zakk vorgestellt werden.
rp
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