1,9 Millionen unter 18jährige leben in Hartz-IV-Haushalten

Aus: Ausgabe vom 01.09.2016, Seite 5 / Inland

Kinderarmut sinkt nicht

1,9 Millionen unter 18jährige leben in Hartz-IV-Haushalten

Die Einführung des Mindestlohns hat die Kinderarmut in der
Bundesrepublik offenbar nicht spürbar vermindert. Die Zahl der
Minderjährigen in sogenannten Aufstockerfamilien ist zwölf Monate nach
Einführung der Lohnuntergrenzen praktisch konstant geblieben. Das geht
aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der
Grünen-Fraktion hervor, über die die Frankfurter Rundschau am Mittwoch berichtete.

»Aufstockerfamilien«
sind Haushalte mit mindestens einem Erwerbstätigen, der zusätzlich zu
seinem geringen Gehalt noch Hartz-IV-Leistungen beantragen muss. Bei
Einführung des Mindestlohns im Januar 2015 lebten dem Bericht zufolge
861.022 Kinder unter 18 Jahren in solchen Haushalten. Ein Jahr später
seien es 861.539 gewesen. Auch der Anteil dieser Kinder an der
Gesamtheit ihrer Altersgenossen, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen
waren, bleib bei 45 Prozent konstant. Insgesamt lebten in der BRD
demnach rund 1,9 Millionen Kinder in Hartz-IV-Haushalten.

Die
Grünen werteten die Zahlen als Beleg, dass der Mindestlohn als
sozialpolitische Maßnahme zur Armutsvermeidung nicht ausreiche. »Es ist
ein Skandal, wenn fast 900.000 Kinder, obwohl ihre Eltern arbeiten, von
Hartz-IV-Leistungen abhängig und damit massiv von Armut bedroht sind«,
sagte Wolfgang Strengmann-Kuhn, der sozialpolitische Sprecher der
Grünen-Bundestagsfraktion, der Frankfurter Rundschau. (31.8.) Dieser Zustand sei inakzeptabel.

»Der Mindestlohn geht an den Familien vorbei«, so der Abgeordnete. Um
die wirklich Bedürftigen zu erreichen, müssten Erwerbstätige über einen
Steuerzuschuss ein Garantieeinkommen erhalten, forderte
Strengmann-Kuhn. Außerdem müsse eine Kindergrundsicherung eingeführt
werden.

Zu vermuten steht allerdings, dass die Höhe des
Mindestlohns schlicht zu tief angesetzt ist, um vor Armut zu schützen.
Mit der Einführung des Mindestlohns wurde 2015 eine untere Grenze von
lediglich 8,50 Euro pro Stunde festgesetzt. Sie gilt noch immer. Erst im
kommenden Jahr soll der Betrag geringfügig steigen auf dann 8,84 Euro
pro Stunde. (AFP/jW)

https://www.jungewelt.de/2016/09-01/079.php