37 Prozent mehr Wohnungslose in NRW

 

Prekäre Situationen : Landesregierung ist
alarmiert: 37 Prozent mehr Wohnungslose in NRW

27. Juni 2019

Düsseldorf Immer mehr Menschen in NRW haben keine
Wohnung. Sie leben zwar nicht unbedingt auf der Straße, aber oft in
behelfsmäßigen Unterkünften. Die Landesregierung will die
Wohnungslosigkeit bekämpfen - und holt sich Hilfe bei den großen
Wohnungsgesellschaften.

  
  • Von Dorothea Hülsmeier
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Anerkannte Asylbewerber leben in engen Notunterkünften. Hartz
IV-Empfängern wird die Wohnung gekündigt, weil sie die Miete nicht
zahlen können. Mitten in Düsseldorf haben Obdachlose unter Brücken
Zelte aufgebaut oder schlafen auf Schwellen von Geschäften -
Wohnungs- und Obdachlosigkeit hat viele Gesichter.

Die Landesregierung ist alarmiert: Denn in Nordrhein-Westfalen ist
die Zahl der Wohnungslosen erneut drastisch gestiegen. Zum Stichtag
30. Juni 2018 waren mehr als 44 400 Menschen von Kommunen und
Einrichtungen in freier Trägerschaft als wohnungslos gemeldet. Das
ist ein Anstieg von mehr als 12 000 Menschen (37,6 Prozent) gegenüber
dem Vorjahr (32 300). Knapp ein Fünftel der Wohnungslosen sind
minderjährig. Rund ein Drittel der Betroffenen sind weiblich. Fast
die Hälfte der erwachsenen wohnungslosen Menschen hat keine deutsche
Staatsangehörigkeit.

Dabei sind die wirklich Obdachlosen auf den Straßen kaum in der
aktuellen Wohnungslosenstatistik erfasst, die Sozialminister
Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag im Landtag vorlegte.
Wohnungslos zu sein bedeute, dass Betroffene keinen eigenen
Mietvertrag haben und beispielsweise in von Kommunen bereitgestellten
Unterkünften leben, sagte Laumann.

Die Zahl der tatsächlich auf der Straße lebenden Obdachlosen
wird nach Angaben von Experten der Caritas auf mehr als 10 000 in NRW
geschätzt. Diese kommen also noch zu den offiziell als wohnungslos
geltenden Menschen dazu. „Und auch die Zahl der Obdachlosen steigt
weiter“, sagte ein Sprecher der Caritas. Auch EU-Zuwanderer etwa
aus Bulgarien oder Rumänien tauchten in der Statistik oft gar nicht
auf. Im Sommer gebe es zudem mehr Obdachlose als im Winter. Denn dann
kämen Tagelöhner und Saisonarbeiter an, die oft in den Städten
campierten.

Schon in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Wohnungslosen in
NRW stetig gewachsen. Die Kommunen führen den Anstieg unter anderem
darauf zurück, dass anerkannte Asylbewerber auf dem angespannten
Wohnungsmarkt keinen bezahlbaren Wohnraum fänden. Sie müssten
deshalb teilweise in Notunterkünften untergebracht werden.

Nicht alle 44 000 Wohnungslose in NRW lebten in prekären
Situationen, sagte Laumann. Doch das Problem dürfe nicht verharmlost
werden. In der Regel seien Wohnungslose auch Klientel der Jobcenter.
„Bei schlechter Schufa-Auskunft werden sie gleich rausgeschmissen
aus dem Bewerbungsverfahren.“ Wenn Mieten nicht mehr gezahlt
würden, es Beschwerden der Nachbarn über andauernde Ruhestörungen
gebe oder der Müll nicht mehr entsorgt werde, dann drohe bald die
Räumungsklage.

Hier will Laumann ansetzen. Der Minister stellte eine
Landesinitiative zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit vor. In den 20
am stärksten betroffenen Kommunen sollen „Kümmerer“ Betroffene
begleiten, um drohende Wohnungsverluste zu verhindern. Das Dach über
dem Kopf zu sichern, hat Priorität. Aber es sollen auch
Zugangshürden für die Anmietung von Wohnungen beseitigt werden.

Auch die Verbände der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft und
große Wohnungsgesellschaften wie LEG Immobilien, Vivawest und
Vonovia hat Laumann mit einer Kooperationsvereinbarung ins Boot
geholt. Wohnungslose Menschen seien bei der Konkurrenz am
Wohnungsmarkt „nahezu chancenlos“, heißt es darin. Die
Unternehmen erklären sich bereit, wohnungslosen Menschen „geeignete
Wohnungen“ zur Verfügung zu stellen. Die großen Unternehmen mit
30 000 bis 50 000 Wohnungen hätten „immer auch freie Wohnungen“,
sagte Laumann, selbst in angespannten Wohnungsmärkten gebe es
Leerstand.

Um die Probleme zu lösen, müssten Vermieter aber auch
Sicherheiten bekommen, sagte Laumann. Viele Schreiben von Ämtern
oder Vermietern würden gar nicht erst gelesen, weil Ängste und
Überforderungen der Betroffenen zu groß seien. Deshalb sollten die
Jobcenter Mieten direkt auf das Konto von Vermietern überweisen.
Aber auch die Suchtberatung für obdachlose Menschen soll ausgebaut
und psychiatrische Hilfe für Wohnungslose geleistet werden.

Wohnungs- und Obdachlosigkeit sei ein „Anschlag auf die
Menschenwürde“, sagte der SPD-Abgeordnete Josef Neumann. Aber er
könne sich kaum vorstellbar, dass große Wohnungsunternehmen den
betroffenen Menschen wirklich entgegenkämen. Sein SPD-Kollege Jochen
Ott sagte, dass die Menschen, die sich nicht an Spielregeln hielten
oder Nachbarn terrorisierten, nur eine kleine Gruppe ausmachten. Er
verwies darauf, dass viele Menschen mit ausländischen Namen bei
Bewerbungen gar nicht erst zugelassen würden.

Die Opposition aus SPD und Grünen machte für die
Wohnungslosigkeit auch die Misere auf dem Wohnungsmarkt
verantwortlich, wo sozialer Wohnraum nicht mehr ausreichend gefördert
werde. Immer mehr Wohnungen fielen aus der sozialen Förderung, sagte
der Grünen-Abgeordnete Mehrdad Mostofizadeh. Während das Plenum
über Wohnungslosigkeit diskutierte, übergab das Bündnis „Wir
wollen wohnen“ draußen vor dem Landtag 31 000 Unterschriften unter
der Forderung nach mehr bezahlbaren Wohnraum.

(dpa)

https://www.wz.de/nrw/landesregierung-ist-alarmiert-37-prozent-mehr-wohn...

 

 

 

 

 

Mehr als 44.000 Betroffene

Zahl der Wohnungslosen in NRW wächst

https://rp-online.de/politik/zahl-der-wohnungslosen-in-nrw-waechst_aid-3...