DIW-Studie zur Ungleichheit
Den 45 reichsten Deutschen gehört so viel wie der Hälfte der übrigen Bevölkerung?
(Foto: dpa)
Eine Ungleichheits-Studie des DIW zur
Vermögensverteilung in Deutschland erregt Aufsehen - auch, weil sie mit
einem Trick besonders große Unterschiede feststellt.
Das Jahr 2017 brachte
für den Lidl-Gründer Dieter Schwarz die Nachricht, er sei in der Runde
der reichsten Deutschen nicht mehr Nummer fünf, sondern sogar Nummer
drei. Jedenfalls wenn man dem Manager Magazin glaubt. Das neue
Jahr bringt eine neue Nachricht. Eine, die den doch sehr abstrakten
Dukatenberg des Discounterkönigs von geschätzt 22 Milliarden Euro sehr anschaulich macht: Demnach besitzt Dieter Schwarz zusammen mit den übrigen 44
reichsten Haushalten in Deutschland, etwa Erben von BMW und Aldi, so
viel wie - die gesamte ärmere Hälfte aller Haushalte im Land.
Weniger als 50 Reichen gehört mit 214 Milliarden Euro genauso viel wie etwa 50
Prozent aller Deutschen? Das ist eine Nachricht, die
Aufregungspotenzial birgt angesichts der zunehmenden Ungleichheit in der
Bundesrepublik mit stagnierenden Reallöhnen vieler. Besonders brisant
wirkt sie angesichts der Verhandlungen zu einer neuen Regierung, in der
weder eine Rückkehr der Vermögensteuer noch ein höherer
Spitzensteuersatz eine Rolle spielt.
Wie seriös ist der Vergleich von Daten aus unterschiedlichen Quellen?
Herausgearbeitet hat dieses Verhältnis ein Forscherteam um Stefan
Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dabei
arbeiten sie ungewöhnlich für Ökonomen, ziehen für ihre Rechnung unter
anderem das Manager Magazin heran - und werfen die Frage auf, wie seriös
deren Vergleich von Daten aus unterschiedlichen Quellen sein kann. Es
war schon bekannt, dass der Reichtum in der Bundesrepublik so ungleich
verteilt ist wie fast nirgends in der Euro-Zone. Die zehn Prozent der
Reichsten besitzen 60 Prozent des gesamten
Vermögens. Dies fand die Europäische Zentralbank (EZB) in umfangreichen
Befragungen heraus. Forscher klagen jedoch, solche Umfragen
unterschätzten die Ungleichheit, weil Superreiche sich
ihrer verweigerten.
Botschaft an die Mächtigen
Stefan Bach und seine Kollegen nahmen deshalb nun die EZB-Daten
und ergänzten sie mit diversen Reichen-Listen. Ihr Aufsatz "Auf der
Suche nach fehlenden Reichen" klingt wie ein Action-film - und stöbert
zusätzlich eine Billion Euro in den Schatullen auf. Ergebnis: Den
reichsten fünf Prozent der Haushalte gehört auf einmal die Hälfte des
gesamten Vermögens - laut EZB-Umfrage war es nur ein Drittel (siehe Grafik).
"Große Vermögen haben große Macht und Einfluß - auch auf die Politik."
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zu den europäischen
Nachbarn Spanien und Frankreich. Bei denen steigt der Vermögensanteil
der Reichsten bei Weitem nicht so stark, zieht man die Listen von Forbes oder Manager Magazin heran. In Spanien und Frankreich besitzen deutlich
mehr Bürger Immobilien, schon deshalb klaffen nicht so große
Unterschiede zwischen Reich und Arm. Das klingt nach einem Auftrag für
die neue Bundesregierung: Die Vermögensbildung breiter Schichten
verbessern - und Reiche stärker besteuern, um "eine Refeudalisierung der
Gesellschaft zu verhindern", wie es Stefan Bach ausdrückt: "Große
Vermögen haben große Macht und Einfluß - auch auf die Politik."
Aber darf man überhaupt so rechnen, wie Bach es tut, um am Ende
einige Superreiche und die ärmere Bevölkerungshälfte gegenüberzustellen?
Die NGO Oxfam wurde für einen ähnlichen Ansatz bereits kritisiert. Das
DIW-Modell allerdings unterscheidet sich davon deutlich. Es vergleicht
anders als Oxfam Bürger desselben Landes. Und es verwendet keine
Schätzung des Vermögens der Ärmeren, sondern eben EZB-Daten, die mit den
Reichenlisten auf wissenschaftliche Art ergänzt werden. "Unser Ergebnis
sollte mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden", relativiert
Bach, verteidigt aber sein Vorgehen. Haltlos wären Reichenlisten nur,
wenn sie die Reichtumsangaben von Lidl-Schwarz oder den Aldi-Erben
systematisch verzerrten, worauf es keine Hinweise gebe.
Bach muss lachen. Es gäbe natürlich einen Weg zu exakteren
Zahlen: die Vermögensteuer wieder einzuführen, die Bundeskanzler Helmut
Kohl (CDU) vor gut 20 Jahren abschaffte. Sie würde genaue Daten liefern, die heute schlicht nicht existieren können.
Besteuert Daten und Maschinen - nicht die Arbeit!
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diw-studie-zur-ungleichheit-den-re...
https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.575245.de