So reich wie noch nie
Der globale Wohlstand ist stark gewachsen – die geografischen und gesellschaftlichen Unterschiede bleiben groß.
Die Welt der Politik wird rauer: Geopolitische Spannungen nehmen zu,
Handelskriege verschärfen sich, Organisationen der internationalen
Kooperation verlieren rapide an Bedeutung. Während sich die politischen
Krisen vermehren, wächst der ökonomische Reichtum unaufhörlich.
Vergangenes Jahr hat das weltweite Geldvermögen einen Rekordwert
erreicht.
Dieses Vermögen allerdings ist weiter extrem ungleich verteilt. „Die
Kluft zwischen Arm und Reich ist in vielen Ländern größer geworden“, so
der Versicherungskonzern Allianz in seinem neuen globalen
Reichtumsbericht.
Im vergangenen Jahr haben die privaten Haushalte ihr Vermögen demnach
kräftig gesteigert. Das globale Geldvermögen aus Aktien, Anleihen,
Fonds, Bankeinlagen und Versicherungsansprüchen wuchs um fast acht
Prozent auf insgesamt 168 Billionen Euro. Vor der großen Finanzkrise
betrug es gerade mal etwa 100 Billionen Euro. Das Geldvermögen beträgt
mittlerweile das Dreifache der jährlichen Weltwirtschaftsleistung. Mit
ihren Ersparnissen könnten die „privaten Haushalte theoretisch die
gesamten Staatsschulden aller betrachteten Länder tilgen“, so die
Allianz-Ökonomen.
Reichtum sehr ungleich verteilt
Der Anstieg der Geldvermögen ging zuletzt sehr schnell vonstatten.
„2017 war ein nahezu perfektes Jahr für die Anleger“, schreibt die
Allianz. Die Wirtschaft wuchs, die Aktienmärkte schossen weltweit um 20
Prozent in die Höhe, mit allen Finanzinvestments war Geld zu machen. Im
rechnerischen Durchschnitt hatte Ende des vergangenen Jahres jeder
Erdenbürger mehr als 33.160 Euro Erspartes.
Im Schnitt 168000 € Netto-Geldvermögen hat ein Nordamerikaner. Ein Deutscher kommt auf 52000 €.
In der Realität allerdings ist der globale Reichtum geografisch und
gesellschaftlich sehr ungleich verteilt. So liegt das durchschnittliche
Geldvermögen in Nordamerika bei netto – also abzüglich Schulden –
168.000 Euro pro Kopf. Ein Deutscher hat im Durchschnitt dagegen nur
52.000 Euro (ohne gesetzliche Rente), ein Grieche oder ein Chinese nur
14.000 und ein Indonesier gar nur 650 Euro. Im Vergleich der Regionen
zeigt sich, dass sich das Geld weiter in Nordamerika und Westeuropa
konzentriert – beide zusammen verfügen über zwei Drittel der globalen
Finanzvermögen, obwohl dort nur die Hälfte der globalen
Wirtschaftsleistung erbracht wird und nicht einmal ein Fünftel der
Weltbevölkerung lebt.
Die Allianz weist allerdings darauf hin, dass der Anteil der
Entwicklungs- und Schwellenländer am globalen Reichtum zunimmt, vor
allem aufgrund des Wachstums in China. Regional betrachtet gehe die
weltweite Ungleichheit zurück. Zudem sei seit der Jahrtausendwende eine
wachsende globale Mittelschicht entstanden, die mittlerweile 1,1
Milliarden Menschen umfasse. Hinter die populäre Klage über eine
zunehmende Ungleichheit, so die Allianz, „lassen sich zumindest einige
Fragezeichen setzen“.
Auch Deutschland ein Land mit extrem ungleicher Verteilung
Trotz Verbesserungen bleibt die Ungleichheit jedoch krass, nicht nur
regional betrachtet, sondern auch sozial: Den reichsten zehn Prozent der
Bevölkerung gehören zwar nicht mehr 90 Prozent des gesamten
Netto-Geldvermögens wie vor 17 Jahren, allerdings immer noch knapp 80
Prozent. Der ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung – rund 2,5 Milliarden
Menschen – verbleibt laut Allianz dagegen nur ein Prozent des
Weltvermögens.
Diese Zahl sei allerdings mit Vorsicht zu interpretieren. Denn zur
Gruppe der Vermögensärmsten gehören auch beispielsweise skandinavische
Immobilienbesitzer, die für ihr Haus einen hohen Kredit aufgenommen
haben und daher abzüglich Schulden nur über ein kleines Vermögen
verfügen. „Ein glücklicher Hausbesitzer in Dänemark sollte nicht mit
einem mittellosen Tagelöhner in Indien verwechselt werden.“ Zu den
Ländern mit extrem ungleicher Vermögensverteilung zählt die Allianz
nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ USA, Südafrika, Indonesien oder
Großbritannien, sondern auch Deutschland.
2017
dürfte das letzte Jahr der Post-Krisen beziehungsweise
Prä-Populismus-Ära gewesen sein. Wir stehen am Beginn einer neuen
(Un-)Ordnung.
Reichtumsbericht
Insgesamt werde die Welt zwar langsam gleicher, so die Allianz, in
vielen Ländern habe sich seit der Jahrtausendwende die
Vermögensverteilung verbessert. In vielen wurde sie aber auch
schlechter. Zu dieser Gruppe gehörten zahlreiche Industrieländer – von
den USA über die Euro-Krisen-Länder bis hin zu Deutschland und Japan.
„Die Wahrnehmung, dass in den letzten Jahrzehnten vor allem die ‚alten‘
Industrieländer unter einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich
leiden, scheint also in vielen Fällen durchaus der Realität zu
entsprechen“, schreiben die Allianz-Ökonomen.
Die Globalisierung hat der Welt laut Allianz einen nie dagewesenen
Reichtumszuwachs beschert. Inzwischen allerdings sei ein Zeitpunkt
erreicht, „an dem die Grundlagen dieses Wohlstands mehr denn je bedroht
sind“. Denn unter anderem die Ungleichheit schüre politischen Unmut, sie
sei ein Nährboden für Protektionismus und Populismus, klagen die
Ökonomen. Sie blicken pessimistisch nach vorne: „2017 dürfte das letzte
Jahr der Post-Krisen beziehungsweise Prä-Populismus-Ära gewesen sein.
Wir stehen am Beginn einer neuen (Un-)Ordnung.“
http://www.fr.de/wirtschaft/reichtum-so-reich-wie-noch-nie-a-1590319