Deut­lich mehr Dro­gen­fäl­le im Haupt­bahn­hof

 

Deut­lich mehr Dro­gen­fäl­le im Haupt­bahn­hof
 
    RP-Fo­to: An­dre­as Bretz
Die Zahl der fest­ge­stell­ten Dro­gen­de­lik­te am und im Haupt­bahn­hof ist im vo­ri­gen Jahr um 36 Pro­zent ge­stie­gen.

Die Zahl der De­lik­te klet­ter­te im
ver­gan­ge­nen Jahr um fast 100 Fäl­le auf 362. Die Po­li­zei plant
wie­der Schwer­punkt­ein­sät­ze.

Von Uwe-Jens Ruhnau

STADT­MIT­TE |
Der Düs­sel­dor­fer Haupt­bahn­hof ist ein Dro­gen-Hot­spot. Die Zahl
der er­fass­ten De­lik­te ist im ver­gan­ge­nen Jahr deut­lich
ge­stie­gen, wäh­rend im Stadt­ge­biet ins­ge­samt mit ei­nem Rück­gang
ge­rech­net wird. Die Po­li­zei und die im Haupt­bahn­hof
ver­ant­wort­li­che Bun­des­po­li­zei wol­len nach An­ga­ben des
Lan­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums wie­der ge­mein­sa­me
Schwer­punkt­ak­tio­nen durch­füh­ren, um die Dro­gen­kri­mi­na­li­tät
dort zu­rück­zu­drän­gen.

Bun­des­weit hat­te am
Mo­nats­an­fang ei­ne Nach­richt aus Ber­lin für Auf­merk­sam­keit
ge­sorgt. Da­nach war der Ham­bur­ger Haupt­bahn­hof mit
300 Ge­walt­de­lik­ten zwi­schen Ju­li und No­vem­ber 2020 bun­des­weit
der Haupt­bahn­hof mit den meis­ten Ge­walt­ta­ten. Das teil­te das
Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um auf An­fra­ge der
AfD-Bun­des­tags­frak­ti­on mit. Die drei Haupt­bahn­hö­fe mit den
meis­ten Dro­gen­de­lik­ten la­gen laut Bun­des­re­gie­rung in die­sem
Zeit­raum je­doch in Nord­rhein-West­fa­len: Köln (272 fest­ge­stell­te
De­lik­te), Es­sen (235) und Düs­sel­dorf (206).

Mitt­ler­wei­le
lie­gen auf An­fra­ge un­se­rer Re­dak­ti­on die Zah­len für das
ab­ge­lau­fe­ne Jahr ins­ge­samt vor, in dem Düs­sel­dorf die größ­te
Zu­nah­me der drei Städ­te auf­weist. Da­nach sind die er­fass­ten
Dro­gen­de­lik­te im Köl­ner Haupt­bahn­hof von 619 im Jahr 2019 auf 496
ge­sun­ken. In Es­sen gab es ei­nen mi­ni­ma­len An­stieg von 413 auf
429 Fäl­le, wäh­rend die Zah­len in der Lan­des­haupt­stadt stark
an­ge­stie­gen sind: Nach 266 im Jahr 2019 klet­ter­ten sie auf 362 im
Fol­ge­jahr. Das be­deu­tet ei­ne Zu­nah­me von 36 Pro­zent.

Die
Bun­des­po­li­zei in Düs­sel­dorf ist zwar für den Haupt­bahn­hof
zu­stän­dig und er­greift auch Tä­ter auf dem Kon­rad-Ade­nau­er- so­wie
dem Ber­tha-von Sutt­ner-Platz, sie äu­ßert sich zur Ent­wick­lung der
Fall­zah­len im Dro­gen­mi­lieu je­doch nicht. Die An­zei­gen wer­den
näm­lich im Po­li­zei­prä­si­di­um be­ar­bei­tet, und die of­fi­zi­el­le
Vor­stel­lung der Jah­res­sta­tis­tik steht noch aus. Klar ist aus
Sicht von Fach­leu­ten, dass der An­stieg der Zah­len we­sent­lich
da­mit zu tun ha­ben dürf­te, dass die Bun­des­po­li­zei im Bahn­hof
ge­nau­er hin­ge­schaut hat. Das hat auch mit ei­ner In­itia­ti­ve der
Lan­des­re­gie­rung zu tun.

Das
In­nen­mi­nis­te­ri­um und die be­trof­fe­nen Po­li­zei­be­hör­den
ha­ben mit der Bun­des­po­li­zei 2018 ver­ein­bart, dass an den vier
gro­ßen NRW-Bahn­hö­fen Es­sen, Dort­mund, Düs­sel­dorf und Köln pro
Quar­tal ein ge­mein­sa­mer Ein­satz ge­plant und durch­ge­führt wird.
Bis 2019 sei­en die­se Ein­sät­ze auch um­ge­setzt wor­den, sagt ei­ne
Mi­nis­te­ri­ums­spre­che­rin. 2020 sei­en die Schwer­punkt­ein­sät­ze
pan­de­mie­be­dingt im bei­der­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men aber zum
größ­ten Teil ab­ge­sagt wor­den. Al­le be­tei­lig­ten
Po­li­zei­be­hör­den plan­ten je­doch, sie fort­zu­set­zen. Die
Deut­sche Bahn AG wie­der­um will die Zahl der Über­wa­chungs­ka­me­ras
im Bahn­hof er­hö­hen, kon­kre­te An­ga­ben da­zu sind aber nicht zu
be­kom­men. Rund um die Uhr ge­hen Se­cu­ri­ty-Kräf­te der Bahn auf
Strei­fe.

Wäh­rend die er­fass­ten De­lik­te im
Haupt­bahn­hof 2020 zu­ge­nom­men ha­ben, ist für das üb­ri­ge
Stadt­ge­biet ein Rück­gang in der Dro­gen­kri­mi­na­li­täts­sta­tis­tik
um ei­ni­ge hun­dert Fäl­le zu er­war­ten. Mit dem Lock­down im März
sei­en die Zah­len deut­lich her­un­ter­ge­gan­gen, sagt
1. Kri­mi­nal­haupt­kom­mis­sar Eric Schmidt, der das zu­stän­di­ge
Kri­mi­nal­kom­mis­sa­ri­at 21 im Prä­si­di­um lei­tet. Im Som­mer ha­be
die Zahl der Be­täu­bungs­mit­tel­de­lik­te dann wie­der zu­ge­nom­men.

Un­ter
dem Strich sei auf den Stra­ßen im Co­ro­na-Jahr aber we­ni­ger los
ge­we­sen, es ha­be auch we­ni­ger Groß­ein­sät­ze ge­ge­ben. Die Zu­nah­me der Rausch­gift­de­lik­te um 26,5 Pro­zent,
die 2019 zu be­ob­ach­ten war, wird sich al­so nicht fort­set­zen.
Ins­ge­samt wa­ren 2019 noch 4418 Fäl­le ge­zählt wor­den, 2020 ist die 4000 ver­mut­lich nicht er­reicht wor­den.

Die
Sta­tis­tik än­dert je­doch nichts am Dro­gen­pro­blem selbst.
Zwi­schen 2500 und 4000 Süch­ti­ge, die har­te Dro­gen kon­su­mie­ren,
gibt es in der Stadt. Auf dem Vor­marsch sind Can­na­bis-Pro­duk­te,
Ko­ka­in und Am­phet­ami­ne, He­ro­in ist nicht mehr so stark
nach­ge­fragt – vie­le Dro­gen­kran­ke wol­len sich nicht ab­schie­ßen,
son­dern ak­ti­ver sein. Sie wer­den mit Dro­gen ver­sorgt, das so
ge­nann­te Dun­kel­feld ist groß. Will hei­ßen: Die Po­li­zei be­kommt
längst nicht al­les mit. Da­für ha­ben die Kla­gen von Bür­gern rund um
den Worrin­ger Platz so­wie den Stra­ßen­zü­gen Klos­ter- und
Char­lot­ten­stra­ße zu­ge­nom­men, wo in den Haus­ein­gän­gen ge­dealt
wird, Dro­gen kon­su­miert wer­den und die Not­durft ver­rich­tet wird.
„Auf das Bahn­hofs­um­feld ent­fällt ein Vier­tel der er­fass­ten
Dro­gen­kri­mi­na­li­tät“, sagt Eric Schmidt. 2019 wa­ren das
1180 Fäl­le. Die Be­am­ten se­hen die so­zia­le Ver­wahr­lo­sung, sind
aber für ih­re Be­sei­ti­gung nicht zu­stän­dig.

Kom­men­tar Sei­te C2

Das Dro­gen­pro­blem muss auf die Ta­ges­ord­nung

Die Dro­gen­pro­ble­ma­tik wur­de in den letz­ten
Jah­ren in der Lan­des­haupt­stadt eher ge­ma­nagt, als dass man sich
ef­fek­tiv ge­küm­mert hat. Zu we­nig, fin­det der Au­tor un­se­res
Kom­men­tars.

   uwe-jens.ruhnau
   @rhei­ni­sche-post.de

Haupt­bahn­hö­fe
sind Um­schlag­plät­ze für den Dro­gen­han­del, die ge­stie­ge­nen
Zah­len füh­ren das deut­lich vor Au­gen. Die Dro­gen­si­tua­ti­on ist
ins­ge­samt wie­der stär­ker in den Fo­kus ge­rückt, da die Bür­ger im
Um­feld des Haupt­bahn­hofs über mas­si­ve Pro­ble­me kla­gen. Am
Worrin­ger Platz so­wie auf und um Char­lot­ten- und Klos­ter­stra­ße
her­um fin­den of­fe­ner Han­del und Kon­sum in Tor­ein­fahr­ten und
Haus­ein­gän­gen statt. Wenn dann dort auch noch die Not­durft
ver­rich­tet wird, ist selbst bei to­le­ran­ten Mit­bür­gern das
Ver­stän­dis für sucht­kran­ke Men­schen ir­gend­wann auf­ge­braucht.
Stadt und Po­li­zei müs­sen ih­re Kon­zep­te über­den­ken.

In
den 90er Jah­ren hat­ten die Be­hör­den die Zü­gel schlei­fen las­sen.
Am Haupt­bahn­hof gab es ei­ne of­fe­ne Sze­ne, Dea­ler und
Ab­hän­gi­ge, vie­le von au­ßer­halb, konn­ten na­he­zu un­ge­stört
agie­ren. Dann wur­de auf­ge­räumt: Die Po­li­zei be­kämpf­te mit zwei
Ein­satz­trupps die Miss­stän­de, ei­ne Hun­dert­schaft stand stän­dig
pa­rat, an der Ei­sen­stra­ße gab es ei­ne Ex­tra-Wa­che. Die Stadt
ver­häng­te Be­tre­tungs­ver­bo­te, bei Zu­wi­der­hand­lung wur­den die
Stra­fen von bis zu 2000 D-Mark mit Ge­richts­voll­zie­her auf der
Stra­ße ein­ge­trie­ben. Die Ex­ter­nen blie­ben weg.

Die
Ein­satz­trupps und die Wa­che gibt es nicht mehr, heu­te küm­mert sich
die Po­li­zei­in­spek­ti­on Mit­te um die Dro­gen­sze­ne. Viel­leicht
ist das zu we­nig. Die Stadt wie­der­um muss über­prü­fen, ob die
An­ge­bo­te für die Sucht­kran­ken aus­rei­chen. Ih­re Räu­me schwin­den
(et­wa durch neue Ho­tels ne­ben dem Haupt­bahn­hof), der
Dro­gen­kon­sum­raum al­lein reicht ve­mut­lich nicht aus.

rp 12.2.21