Die Zahl der Delikte kletterte im
vergangenen Jahr um fast 100 Fälle auf 362. Die Polizei plant
wieder Schwerpunkteinsätze.
STADTMITTE |
Der Düsseldorfer Hauptbahnhof ist ein Drogen-Hotspot. Die Zahl
der erfassten Delikte ist im vergangenen Jahr deutlich
gestiegen, während im Stadtgebiet insgesamt mit einem Rückgang
gerechnet wird. Die Polizei und die im Hauptbahnhof
verantwortliche Bundespolizei wollen nach Angaben des
Landesinnenministeriums wieder gemeinsame
Schwerpunktaktionen durchführen, um die Drogenkriminalität
dort zurückzudrängen.
Bundesweit hatte am
Monatsanfang eine Nachricht aus Berlin für Aufmerksamkeit
gesorgt. Danach war der Hamburger Hauptbahnhof mit
300 Gewaltdelikten zwischen Juli und November 2020 bundesweit
der Hauptbahnhof mit den meisten Gewalttaten. Das teilte das
Bundesinnenministerium auf Anfrage der
AfD-Bundestagsfraktion mit. Die drei Hauptbahnhöfe mit den
meisten Drogendelikten lagen laut Bundesregierung in diesem
Zeitraum jedoch in Nordrhein-Westfalen: Köln (272 festgestellte
Delikte), Essen (235) und Düsseldorf (206).
Mittlerweile
liegen auf Anfrage unserer Redaktion die Zahlen für das
abgelaufene Jahr insgesamt vor, in dem Düsseldorf die größte
Zunahme der drei Städte aufweist. Danach sind die erfassten
Drogendelikte im Kölner Hauptbahnhof von 619 im Jahr 2019 auf 496
gesunken. In Essen gab es einen minimalen Anstieg von 413 auf
429 Fälle, während die Zahlen in der Landeshauptstadt stark
angestiegen sind: Nach 266 im Jahr 2019 kletterten sie auf 362 im
Folgejahr. Das bedeutet eine Zunahme von 36 Prozent.
Die
Bundespolizei in Düsseldorf ist zwar für den Hauptbahnhof
zuständig und ergreift auch Täter auf dem Konrad-Adenauer- sowie
dem Bertha-von Suttner-Platz, sie äußert sich zur Entwicklung der
Fallzahlen im Drogenmilieu jedoch nicht. Die Anzeigen werden
nämlich im Polizeipräsidium bearbeitet, und die offizielle
Vorstellung der Jahresstatistik steht noch aus. Klar ist aus
Sicht von Fachleuten, dass der Anstieg der Zahlen wesentlich
damit zu tun haben dürfte, dass die Bundespolizei im Bahnhof
genauer hingeschaut hat. Das hat auch mit einer Initiative der
Landesregierung zu tun.
Das
Innenministerium und die betroffenen Polizeibehörden
haben mit der Bundespolizei 2018 vereinbart, dass an den vier
großen NRW-Bahnhöfen Essen, Dortmund, Düsseldorf und Köln pro
Quartal ein gemeinsamer Einsatz geplant und durchgeführt wird.
Bis 2019 seien diese Einsätze auch umgesetzt worden, sagt eine
Ministeriumssprecherin. 2020 seien die Schwerpunkteinsätze
pandemiebedingt im beiderseitigen Einvernehmen aber zum
größten Teil abgesagt worden. Alle beteiligten
Polizeibehörden planten jedoch, sie fortzusetzen. Die
Deutsche Bahn AG wiederum will die Zahl der Überwachungskameras
im Bahnhof erhöhen, konkrete Angaben dazu sind aber nicht zu
bekommen. Rund um die Uhr gehen Security-Kräfte der Bahn auf
Streife.
Während die erfassten Delikte im
Hauptbahnhof 2020 zugenommen haben, ist für das übrige
Stadtgebiet ein Rückgang in der Drogenkriminalitätsstatistik
um einige hundert Fälle zu erwarten. Mit dem Lockdown im März
seien die Zahlen deutlich heruntergegangen, sagt
1. Kriminalhauptkommissar Eric Schmidt, der das zuständige
Kriminalkommissariat 21 im Präsidium leitet. Im Sommer habe
die Zahl der Betäubungsmitteldelikte dann wieder zugenommen.
Unter
dem Strich sei auf den Straßen im Corona-Jahr aber weniger los
gewesen, es habe auch weniger Großeinsätze gegeben. Die Zunahme der Rauschgiftdelikte um 26,5 Prozent,
die 2019 zu beobachten war, wird sich also nicht fortsetzen. Insgesamt waren 2019 noch 4418 Fälle gezählt worden, 2020 ist die 4000 vermutlich nicht erreicht worden.
Die
Statistik ändert jedoch nichts am Drogenproblem selbst.
Zwischen 2500 und 4000 Süchtige, die harte Drogen konsumieren,
gibt es in der Stadt. Auf dem Vormarsch sind Cannabis-Produkte,
Kokain und Amphetamine, Heroin ist nicht mehr so stark
nachgefragt – viele Drogenkranke wollen sich nicht abschießen,
sondern aktiver sein. Sie werden mit Drogen versorgt, das so
genannte Dunkelfeld ist groß. Will heißen: Die Polizei bekommt
längst nicht alles mit. Dafür haben die Klagen von Bürgern rund um
den Worringer Platz sowie den Straßenzügen Kloster- und
Charlottenstraße zugenommen, wo in den Hauseingängen gedealt
wird, Drogen konsumiert werden und die Notdurft verrichtet wird.
„Auf das Bahnhofsumfeld entfällt ein Viertel der erfassten
Drogenkriminalität“, sagt Eric Schmidt. 2019 waren das
1180 Fälle. Die Beamten sehen die soziale Verwahrlosung, sind
aber für ihre Beseitigung nicht zuständig.
Kommentar Seite C2
Die Drogenproblematik wurde in den letzten
Jahren in der Landeshauptstadt eher gemanagt, als dass man sich
effektiv gekümmert hat. Zu wenig, findet der Autor unseres
Kommentars.
uwe-jens.ruhnau
@rheinische-post.de
Hauptbahnhöfe
sind Umschlagplätze für den Drogenhandel, die gestiegenen
Zahlen führen das deutlich vor Augen. Die Drogensituation ist
insgesamt wieder stärker in den Fokus gerückt, da die Bürger im
Umfeld des Hauptbahnhofs über massive Probleme klagen. Am
Worringer Platz sowie auf und um Charlotten- und Klosterstraße
herum finden offener Handel und Konsum in Toreinfahrten und
Hauseingängen statt. Wenn dann dort auch noch die Notdurft
verrichtet wird, ist selbst bei toleranten Mitbürgern das
Verständis für suchtkranke Menschen irgendwann aufgebraucht.
Stadt und Polizei müssen ihre Konzepte überdenken.
In
den 90er Jahren hatten die Behörden die Zügel schleifen lassen.
Am Hauptbahnhof gab es eine offene Szene, Dealer und
Abhängige, viele von außerhalb, konnten nahezu ungestört
agieren. Dann wurde aufgeräumt: Die Polizei bekämpfte mit zwei
Einsatztrupps die Missstände, eine Hundertschaft stand ständig
parat, an der Eisenstraße gab es eine Extra-Wache. Die Stadt
verhängte Betretungsverbote, bei Zuwiderhandlung wurden die
Strafen von bis zu 2000 D-Mark mit Gerichtsvollzieher auf der
Straße eingetrieben. Die Externen blieben weg.
Die
Einsatztrupps und die Wache gibt es nicht mehr, heute kümmert sich
die Polizeiinspektion Mitte um die Drogenszene. Vielleicht
ist das zu wenig. Die Stadt wiederum muss überprüfen, ob die
Angebote für die Suchtkranken ausreichen. Ihre Räume schwinden
(etwa durch neue Hotels neben dem Hauptbahnhof), der
Drogenkonsumraum allein reicht vemutlich nicht aus.
rp 12.2.21