26. August 2014
Armut Stadtluft macht arm
Von Markus Sievers
In Frankfurt haben 23 Prozent der Menschen eine geringe Kaufkraft. Foto: Andreas Arnold
Eine Studie zeigt: In deutschen Großstädten wächst die Gefahr, zu
verarmen. Gerade in reichen Metropolen können sich mehr und mehr
Menschen die hohen Mieten und sonstigen Preise nicht leisten.
In den deutschen Großstädten ist das
Armutsproblem größer als angenommen, in Ostdeutschland möglicherweise
geringer. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut der deutschen Wirtschaft
(IW) in der Studie „Einkommensarmut in Deutschland aus regionaler
Sicht“. Demnach greift die soziale Not auch und gerade in reichen
Metropolen um sich, weil sich mehr und mehr Menschen die hohen Mieten
und sonstigen Preise nicht leisten können. Besonders gravierend ist der
Analyse zufolge die Lage in Köln, Westberlin, Dortmund, Bremerhaven und
Leipzig. Der Abstand zwischen Ost und West dagegen werde überschätzt.
Allein die enormen Wohnkosten sorgen dafür, dass man
sich in München, Frankfurt oder Hamburg für einen Euro weniger kaufen
kann als in der Uckermark oder der Eifel. Aber auch die Ungleichheit bei
den Einkommen sei in den Städten wesentlich stärker ausgeprägt als auf
dem Land, meinte IW-Direktor Hüther. Die Politik sollte daher bei der
Armutsbekämpfung stärker die Metropolen unterstützen als bisher. Vor
allem nach Ende des Solidarpaktes 2019 müsse die Regionalpolitik neue
Schwerpunkte setzen und von einer reinen Ausrichtung nach Ost und West
wegkommen.
Kaufkraft entscheidend
Anders als bei anderen Armutsstudien haben die IW-Experten die
unterschiedlichen Preisniveaus berücksichtigt. Für ihre Untersuchung
ermittelten sie zunächst, ab wann Alleinstehende oder Familien als arm
gelten müssen. Dabei stützten sie sich auf den Mikrozensus, für den die
Haushalte Auskunft geben über ihr Einkommen. Dann ordneten sie die
Haushalte nach den Einkommen. Der Single-Haushalt genau in der Mitte
nimmt 1450 Euro im Monat ein. Wer weniger als 60 Prozent davon – also
870 Euro – zur Verfügung hat, gilt als arm. Bei einer Familie mit zwei
Kindern beginnt die Armut bei 1830 Euro.
Situation in Frankfurt
Dank der Banken gehört die
Mainmetropole zu den wirtschaftsstärksten deutschen Zentren. Das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zählt mit fast 83 000 Euro zu den höchsten
in Deutschland. Aber nicht alle Frankfurter arbeiten im Finanzsektor
mit seinen vergleichsweise guten Gehältern. Dafür sind die Mieten und
Preise sehr hoch. Daher ist gemessen an der Kaufkraft fast jeder vierte
Frankfurter arm – exakt sind es laut IW 23,5 Prozent. Dies ist der
siebtschlechteste Wert aller Regionen. Das liegt besonders daran, dass
die City ungewöhnlich teuer ist. Berücksichtigt man nur die Einkommen
und nicht die unterschiedlichen Preisniveaus, kommt Frankfurt auf eine
deutlich niedrigere Armutsquote von 15,3 Prozent. Das ist für eine
Großstadt laut IW „kein schlechter Wert“. (msv)
In einem zweiten Schritt schaute sich das IW an, was
man mit diesem Betrag in den verschiedenen Orten kaufen kann. Ein
Münchner Single bräuchte nach ihren Berechnungen 1030 Euro im Monat, ein
Stendaler 800 Euro, um gerade die Armutsschwelle von bundesweit 870
Euro zu übertreffen. Deutschlandweit sind die Preise in den Großstädten
laut der Studie um sechs Prozent höher als in ländlichen Gebieten und
zudem im Osten sieben Prozent niedriger als im Westen.
Gefälle wird größer
Klar ist, dass die Ostdeutschen beim Einkommen noch immer stark hinterher
hinken. Gemessen an den Verdiensten und dem bundesweiten Durchschnitt
ist jeder fünfte Bürger in den neuen Ländern arm, in der alten
Bundesrepublik nur jeder siebte. Unter Berücksichtigung der Kaufkraft
schrumpft die Lücke – laut IW sinkt der Anteil der Armen an der
Gesamtbevölkerung im Osten von 19,9 Prozent auf 17,7 Prozent. Im Westen
steigt er von 14,1 Prozent auf 14,6 Prozent.
Als eigentliches Problem stufte Hüther das Land-Stadt-Gefälle ein. Und
dieses werde größer. So sei die Kaufkraft in den Städten zwischen 2006
und 2012 kaum gestiegen oder sogar gesunken. Vor allem in NRW verschärfe
sich die Lage, weil die Ruhrgebiets-Metropolen weiter zurückfielen.
Über alle Regionen hinweg sind es stets dieselben Personengruppen, denen
es am schlechtesten geht: Arbeitslose und deren Familien,
Alleinerziehende, Migranten. Dies erklärt auch die besonderen
Schwierigkeiten der Großstädte. Diese Bevölkerungsgruppen stellen dort
zwei Drittel der Einwohner, in den ländlichen Gebieten weniger als die
Hälfte.
Helfen könne die Politik durch den Ausbau
von Betreuungsangeboten für Kinder und durch mehr Ganztagesschulen, so
Hüther. Dies erhöhe die Bildungschancen von Kindern mit
Migrationshintergrund.
Karte: Einkommensarmut
Tabelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln
http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/armut-stadtluft-macht-arm,1473...
25. August 2014 | 13.30 Uhr
Studie: Armut ist vor allem ein Problem der Städte
http://www.rp-online.de/wirtschaft/finanzen/studie-armut-vor-allem-ein-p...
Mehr Armut in den Städten
26.08.2014 | 00:25 Uhr
http://www.derwesten.de/nrz/wirtschaft/mehr-armut-in-den-staedten-aimp-i...
25. August 2014 - 15:58 Uhr
Armut in NRW-Städten groß - Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen vorweg
http://www.wz-newsline.de/home/politik/nrw/armut-in-nrw-staedten-gross-d...