Untersuchung des WSI:
Einkommen: Neue Studie liefert Daten zu allen Stadt- und
Landkreisen, analysiert Umverteilung und regionale Preisniveaus
13.04.2022
Unter den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien
Städten lassen sich zum Teil frappierende Einkommensunterschiede
feststellen: Während das durchschnittliche verfügbare Pro-Kopf-Einkommen
2019 in der Stadt Heilbronn 42.275 Euro und im Landkreis Starnberg
38.509 Euro erreichte, war es in Gelsenkirchen mit 17.015 Euro und in
Duisburg mit 17.741 Euro nicht einmal halb so hoch. Auch das
Einkommensgefälle von West nach Ost ist mehr als drei Jahrzehnte nach
der Wiedervereinigung nicht verschwunden. So gibt es in den neuen
Ländern mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark (24.127 Euro) nur einen
Kreis, in dem das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen den Durchschnitt für die
Bundesrepublik insgesamt von 23.706 Euro überschreitet. In den alten
Ländern besteht zudem ein Süd-Nord-Gefälle. Im Durchschnitt liegt das
Pro-Kopf-Einkommen in Bayern und Baden-Württemberg etwa 2.600 Euro höher
als im übrigen Westdeutschland. Insbesondere in einigen kleineren
Städten oder ländlichen Gebieten mit sehr hohen Einkommen wird der
Durchschnitt durch eine überschaubare Zahl sehr reicher Haushalte
beeinflusst. Öffentliche Dienstleistungen und die Umverteilung durch
Steuern, Sozialabgaben und Transferzahlungen leisten einen wichtigen
Beitrag dazu, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland regional nicht
noch deutlicher auseinandergehen. Regionale Unterschiede im Preisniveau,
etwa bei Mieten, spielen ebenfalls eine Rolle, im Vergleich zu Abgaben
und Transfers ist die aber meist weitaus kleiner. Zu diesen Ergebnissen
kommt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Sie liefert detaillierte
Daten für alle 401 Kreise und kreisfreien Städte, die über eine
interaktive Karte und eine Tabelle mit Lesehilfen erschlossen sind.
In ihrer Untersuchung greifen die WSI-Experten Dr. Eric Seils und Dr.
Toralf Pusch auf die aktuellsten verfügbaren Daten aus der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder für 2019 und auf neu
verfügbare Daten zu regionalen Preisniveaus zurück. Dadurch können sie
die Einkommenssituation in ganz Deutschland auf drei wichtigen Ebenen
durchleuchten: Die Markteinkommen pro Kopf aus Erwerbstätigkeit oder
Vermögen. Die verfügbaren Einkommen pro Kopf, die sich aus den
Markteinkommen nach Umverteilung ergeben. Und schließlich die
preisbereinigten verfügbaren Einkommen pro Kopf, die zusätzlich noch
regionale Preisunterschiede berücksichtigen.
Die Analyse zeigt, dass das System staatlicher Abgaben und Transfers,
zu denen etwa Kindergeld, Arbeitslosengeld oder Rentenzahlungen zählen,
einen erheblichen Beitrag zur Angleichung der Einkommen in der
Bundesrepublik leistet. „Geht man von den Markteinkommen aus, dann sind
diese im obersten Zehntel der Kreise und Städte mit dem höchsten
Durchschnitt 1,6 mal so hoch wie im Zehntel mit dem niedrigsten
Durchschnitt. Bei den verfügbaren Einkommen ist es das 1,3-Fache“, so
Seils. Oder mit einem anderen statistischen Maß ausgedrückt: Schaut man
auf die Markteinkommen, müssten 7,3 Prozent der gesamten Einkommen
umverteilt werden, um zumindest eine Gleichverteilung unter den
deutschen Kreisen zu erreichen. Nach der Umverteilung sind es noch 4,5
Prozent der verfügbaren Einkommen in Deutschland.
Auch die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West bzw. Süd und
Nord in den alten Bundesländern verringern sich spürbar. Dabei sorgt das
staatliche System von Abgaben und Transfers natürlich auch innerhalb
der einzelnen untersuchten Städte und Kreise für etwas geringere
Einkommensunterschiede. Dass die Unterschiede gerade auf lokaler Ebene
gleichwohl groß sein können, zeigt ein Blick auf manche
Einkommens-Spitzenreiter: Eine wichtige Ursache für extreme Werte – etwa
in Heilbronn und im Landkreis Starnberg – sind in sehr hohen Einkommen
weniger Haushalte zu suchen. „Was hier als regionale Ungleichheit
erscheint, hat also in Wirklichkeit auch mit sehr hohen Einkommen
einzelner Personen zu tun“, analysiert WSI-Experte Seils.
Aus den staatlichen Abgaben werden aber natürlich nicht nur
Transfers, sondern auch öffentliche Dienstleistungen finanziert, deshalb
weist die Statistik in den allermeisten Städten und Kreisen einen
negativen Umverteilungs-Saldo aus. „Die privaten Haushalte verlieren
aber nichts. Sie erhalten ihre Steuern und Abgaben in Form von
staatlichen Leistungen zurück“, erläutert WSI-Experte Seils. Zu denken
sei hier beispielsweise an die öffentliche Infrastruktur, Bildung,
Polizei, die Bundeswehr oder soziale Sachleistungen. Im regionalen
Vergleich spielen auch Faktoren wie die jeweiligen Markteinkommen oder
die Altersstruktur eine wichtige Rolle für den jeweiligen Beitrag: Mit
einem Saldo von -15.314 Euro pro Kopf liefert die bayerische
Landeshauptstadt München einen besonders großen Beitrag zur
Umverteilung. Ähnlich fällt die Bilanz im Hochtaunuskreis (-14.338 Euro)
und im Landkreis Starnberg (-14.274 Euro) aus. Positive Werte weisen
vor allem Kreise mit niedrigen Markteinkommen und einem hohen Anteil
alter Menschen auf. Den höchsten jährlichen Überschuss aus der
regionalen Umverteilung verbuchte der Landkreis Mansfeld-Südharz mit
1.715 Euro pro Kopf. Es folgen die Stadt Görlitz mit 1.596 Euro und das
Altenburger Land mit 1.295 Euro.
Regional unterschiedlich hohe Preisniveaus tragen der Studie zufolge
ebenfalls zu einer gewissen Angleichung der Einkommen bei. Regionen mit
hohem Einkommen haben tendenziell auch höhere Mieten und sonstige
Preise. „Die Leute haben dann zwar mehr Geld im Portemonnaie, können
sich aber nicht in gleichem Maße mehr leisten“ erklärt
WSI-Wissenschaftler Pusch. So fallen die kaufkraftbereinigten Einkommen
in den neuen Ländern generell etwas höher aus als die nominalen
Pro-Kopf-Beträge erwarten lassen würden. Es verbleibt aber ein realer
Einkommensunterschied von 12 Prozent. Der nivellierende Effekt
unterschiedlicher Preisniveaus sei allgemein weitaus geringer als jener
der Umverteilung. Auch nach der Preisbereinigung bleiben so die Stadt
Heilbronn und die Landkreise Starnberg und Miesbach die Regionen mit den
höchsten preisbereinigten Einkommen. Gelsenkirchen und Duisburg sind
weiterhin am äußersten unteren Rand der Verteilung zu finden. Halle an
der Saale profitiert hingegen von den etwas niedrigeren Preisen im Osten
und kann sich geringfügig vom unteren Ende abheben.
„Vor allem die staatliche Umverteilung korrigiert die Verteilung der
realen verfügbaren Einkommen zwischen den Regionen in beachtlichem
Umfang“, resümiert Seils. Insbesondere in der personellen
Einkommensverteilung verbleibe aber eine beträchtliche Ungleichheit, die
sich auch in den hohen durchschnittlichen verfügbaren
Pro-Kopf-Einkommen insbesondere bei den regionalen Spitzenwerten zeigt.
Weitere Informationen:
Eric Seils, Toralf Pusch: Ungleichheit, Umverteilung und Preise im regionalen Vergleich. WSI Policy Brief Nr. 70, April 2022.
Daten und Lesehilfen zu Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen, Umverteilung und regionalen Preisniveaus in 401 Kreisen zum Download
Karte als pdf
Kontakt:
Dr. Eric Seils
WSI
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-einkommen-neue-studie...
Sehr hohes Einkommen in Düsseldorf
Platz 24 unter den 401 Städten und Kreisen
Unter
den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten lassen sich zum
Teil frappierende Einkommensunterschiede feststellen: Während das
durchschnittliche verfügbare Pro-Kopf-Einkommen 2019 in der Stadt
Heilbronn 42.275 Euro und im Landkreis Starnberg 38.509 Euro erreichte,
war es in Gelsenkirchen mit 17.015 Euro und in Duisburg mit 17.741 Euro
nicht einmal halb so hoch. Das ergab eine gestern vorgelegte Studie des
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der in
Düsseldorf ansässigen gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Die Stadt Düsseldorf liegt mit einem durchschnittlichen verfügbaren
Pro-Kopf-Einkommen von 27.109 Euro unter den 53 kreisfreien Städten und
Kreisen in NRW auf Platz 3 – nach dem Rheinisch-Bergischen Kreis
(27,254) und der Kreis Olpe (31.052). Unter den 22 kreisfreien Städten
in NRW liegt Düsseldorf auf Platz 1.
Im bundesweiten Ranking belegt Düsseldorf Platz 24. Hier liegen vor
allem Städte und Kreise aus Bayern und Baden-Württemberg vorne.
Zum Vergleich benachbarte Kommunen: Köln belegt Platz 207 (23.339
Euro), der Kreis Mettmann Platz 49 (26.333 Euro), der rhein-Kreis-Neuss
Platz 54 (26.088 Euro).
Zum Vergleich andere Landeshauptstädte: München liegt bundesweit auf
Platz 5 (32.348 Euro), Stuttgart belegt Platz 33 (26.806 Euro),
Wiesbaden steht auf Nummer 75 (25,645 Euro), Mainz auf Platz 231 (22.874
Euro).
Mehr in Infos zur Studie und eine interaktive Deutschland-Karte mit den Pro-Kopf-Einkommen unter www.boeckler.de
NRZ