Gewalt gegen wohnungslose Menschen bleibt alltägliches Problem – mindestens 17 Todesfälle im Jahr 2016 in Deutschland

 

Gewalt gegen wohnungslose Menschen bleibt alltägliches Problem – mindestens 17 Todesfälle im Jahr 2016 in Deutschland

11.01.2017

BAG Wohnungslosenhilfe fordert besseren Schutz für wohnungslose Menschen

Berlin, 11.01.2017. Gewalt gegen wohnungslose Menschen bleibt ein
alltägliches Phänomen in unserer Gesellschaft. Laut Erhebungen der
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), dem
bundesweiten Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, gab es
im Jahr 2016 mindestens 17 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose
Menschen. In acht Fällen waren die Täterinnen und Täter selber nicht
wohnungslos. Seit 1989 gab es somit in Deutschland mindestens 502
Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen.

Zudem gab es
im Jahr 2016 mindestens 128 Fälle von Körperverletzungen,
Vergewaltigungen, Raubüberfällen und bewaffneten Drohungen gegen
wohnungslose Menschen in Deutschland. In 76 Fällen waren die Täterinnen
und Täter selber wohnungslos, in 52 Fällen waren sie nicht wohnungslos.
In den letzten Jahren sind die erhobenen Fallzahlen bei den
nicht-tödlichen Gewaltfällen auf einem konstant hohen Niveau. Diese
Zahlen der Gewaltfälle werden durch eine systematische Pressebeobachtung
erhoben und zeigen mithin nur Mindestwerte an. Das nicht-erfasste
Dunkelfeld der Gewalt gegen wohnungslose Menschen dürfte noch deutlich
größer sein. In der Presse erscheinen in der Regel nur die schwereren
Fälle von Gewalt.

Nicht-wohnungslose Täterinnen und Täter sind meist jüngere Männer
oder Jugendliche, die zum Teil als Gruppe oder aus Gruppen heraus
gewalttätig werden. Ihre Opfer sind in der Regel einzelne Männer im
mittleren oder höheren Alter, die oft erkennbar schutzlos sind. Viele
Opfer zeigen Gewalt gegen sich gar nicht erst an, aus Angst vor den
Täterinnen und Tätern und aus mangelndem Vertrauen in die Behörden.

Bei den Gewalttaten gegen wohnungslose Menschen von Täterinnen und
Tätern, die selber nicht wohnungslos sind, spielen nach Erkenntnissen
der BAG W menschenverachtende und rechtsextreme Motive häufig eine
zentrale Rolle. Die Täterinnen und Täter weisen dabei aber nicht
notwendigerweise ein geschlossen rechtsextremes Weltbild auf und sind
auch nicht unbedingt in rechtsextremen Zusammenhängen organisiert.
Vorurteile und Abwertungen gegenüber wohnungslosen Menschen kommen in
breiten Schichten der Bevölkerung vor. Letzteres belegen vor allem auch
einschlägige Studien des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und
Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Unter den mindestens
179 Todesopfern rechtsextremer Gewalt seit 1990 sind ca. 20 Prozent
wohnungslose Menschen.

Bei den Gewalttaten wohnungsloser Menschen untereinander spielen
häufig Alkohol- und Drogenkonsum, Streit um knappe Güter des
alltäglichen (Über-)Lebens und beengte Verhältnisse in den
Obdachlosenunterkünften eine wichtige Rolle. Schon geringfügige Anlässe
können aufgrund der schwierigen persönlichen und sozialen Lebensumstände
der wohnungslosen Menschen die Gewalt untereinander eskalieren lassen.

Wohnungslose Frauen erleiden häufig auch sexuelle Gewalt. Dies
geschieht u.a. im Zuge von Mitwohnverhältnissen, bei denen teilweise
sexuelle Dienstleistungen als Gegenleistung für die Gewährung einer
Unterkunft eingefordert werden. Aber auch in den häufig männlich
dominierten Obdachlosenunterkünften und Straßenszenen kommt es zu
sexuellen Übergriffen. Bei sexueller Gewalt gegen wohnungslose Frauen
wird ebenfalls ein großes, polizeilich nicht bekannt gewordenes
Dunkelfeld vermutet, da viele Frauen Angst vor den Tätern und kein
Vertrauen zu den Behörden haben.

Die BAG W fordert, dass Gewalt gegen wohnungslose Menschen durch
präventive und nachsorgende Konzepte und Maßnahmen sowie konsequente
Strafverfolgung eingedämmt werden. Vor allem müssen dringend Wohnungen
für alle wohnungslosen Menschen bereitgestellt werden, denn eine eigene
Wohnung bietet meist den besten Schutz vor Gewalt. In Unterkünften für
wohnungslose Menschen sind ausreichend Privatsphäre und Schutz vor
Diebstahl zu gewährleisten. Wohnungslose Frauen müssen sicher und in
ausschließlich Frauen vorbehaltenen Unterkünften untergebracht werden
können. Es ist mehr wissenschaftliche Forschung zu den Ursachen und zu
Präventionsmöglichkeiten bezüglich dieser Gewalt nötig; insbesondere
menschenverachtende und rechtsextreme Motive und Hintergründe der Gewalt
müssen dokumentiert und wissenschaftlich sowie politisch aufgearbeitet
werden. Zudem müssen mehr zielgruppengerechte Beratungs- und
Präventionsangebote für Opfer sowie Therapieangebote für Täterinnen und
Täter geschaffen werden.

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Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

• Werena Rosenke, Leitung Presse & ÖA, stellv. GF, (030) 28 44 537 - 11, (0151) 16 70 03 03, werenarosenke@bagw.de

• oder Benjamin Giffhorn, Fachreferatsassistent, (030) 28 44 537 – 17, benjamingiffhorn@bagw.de

http://www.bagw.de/de/presse/index~129.html