höhere Erbschaften. 11,2 Billionen Euro Netto-Vermögen

 

Das Billionengeschenk

Ökonomen erwarten deutlich höhere Erbschaften als bislang
gedacht. Von linker Seite wird eine stärkere Besteuerung gefordert. Die
Regierungsparteien wollen die Erben weiter schonen.

05.07.2017 17:03 Uhr

Die Summe des in den nächsten

Jahren hierzulande vererbten Vermögens liegt noch viel höher als bislang
angenommen, wie eine Berechnung des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zeigt.
Das ist politisch brisant. Von linker Seite werden Erbschaften als
„leistungslose Einkommen“ kritisiert und ihre stärkere Besteuerung
gefordert. Die Regierungsparteien jedoch wollen die Erben weiter
schonen, insbesondere die Erben von Firmenvermögen.

 Wie viel wird in Deutschland vererbt?
Insgesamt verfügen die Deutschen über 11,2 Billionen Euro Netto-Vermögen
(Geld-, Immobilien- und Betriebsvermögen minus Schulden). Auf dieser
Basis ging das DIW bisher davon aus, dass im laufenden Jahrzehnt 200 bis
300 Milliarden Euro pro Jahr vererbt und verschenkt werden. Dies ist
jedoch nur eine Schätzung.

Warum sind die genauen Zahlen nicht bekannt?
Weil die offizielle Erbschafts- und Steuerstatistik des Statistischen
Bundesamtes nur die steuerlich veranlagten Fälle ausweist. Der Großteil
der Erbfälle bleibt jedoch wegen der hohen Freibeträge steuerfrei, über
sie ist daher nichts bekannt.

Warum ist das Erbschaftsvolumen wohl höher als bislang angenommen?
Bislang gingen die Berechnungen des Erbschaftsvolumens vom Vermögen der
über 70-Jährigen aus, das in den Folgejahren übertragen wird. Auf dieser
Basis lägen die zwischen 2012 und 2027 zu erwartenden Erbschaften der
verstorbenen, mindestens 70-Jährigen in Deutschland bei insgesamt 1,31
Billionen Euro oder 87 Milliarden Euro pro Jahr. Nicht berücksichtigt
wurden dabei allerdings Wertveränderungen des Vermögens, regelmäßiges
Sparen und der Konsum der künftigen Erblasser. Diese Faktoren hat das
DIW nun in einer Simulationsrechnung einbezogen. Ergebnis: Für den
Zeitraum 2012 bis 2027 ergibt sich ein Erbschaftsvolumen von 1,68
Billionen Euro oder 112 Milliarden pro Jahr. Für die gesamten
Übertragungen – Erbschaften plus Schenkungen – im laufenden Jahrzehnt
bedeutet das: Ihr Volumen liegt nicht wie bislang angenommen bei 200 bis
300 Milliarden Euro, sondern eher bei bis zu 400 Milliarden pro Jahr,
so das DIW.

Erbschaften_2017

 

 

Wer bekommt die Milliarden?
Zum Großteil die Wohlhabenden. Denn die Vermögen in Deutschland sind
sehr ungleich verteilt und die Erbschaften damit auch. In seiner neuen
Berechnung ermittelt das DIW, dass das einkommensschwächste Fünftel der
Deutschen im Mittel (Median) mit einer Erbschaft von 12.000 Euro rechnen
kann. Im einkommensstärksten Fünftel sind es dagegen 248.330 Euro. In
einer früheren Schätzung kam das DIW zu dem Schluss, dass ein Drittel
des Schenkungs- und Erbschaftsvolumens in Deutschland auf nur 1,5
Prozent der Bevölkerung entfallen.

Profitiert der Staat?
Es ist laut DIW eher fraglich, ob sich aus dem höheren Erbschaftsvolumen
für den Staat Mehreinnahmen ergeben. Denn die Mehrzahl der Erbschaften
könne wegen der aktuell geltenden hohen Freibeträge steuerfrei
übertragen werden. Dies gelte auch für sehr hohe Vermögen, die als
Betriebsvermögen weitgehend steuerfrei vererbt werden können. „Dies kann
unter dem Aspekt der Chancengleichheit Anlass zur Kritik sein“, so das
DIW. Das Institut rät der Regierung daher, die letzte Reform der
Erbschafts- und Schenkungssteuer zu überdenken.

http://www.fr.de/wirtschaft/erbschaften-das-billionengeschenk-a-1308545

 

https://www.diw.de/de/diw_01.c.560993.de/themen_nachrichten/in_deutschla...