Aus: Ausgabe vom 15.04.2015, Seite 1 / Inland
Hartz IV: Über eine Million Strafen verhängt
CDU-Wirtschaftsflügel verlangt, Langzeitarbeitslose mehr zu »fordern«
Leipzig, 30. Juni 2010: Anstehen bei der Agentur für Arbeit
Foto: Hendrik Schmidt/dpa - Bildfunk
Die Jobcenter fungieren weiter für Hunderttausende Menschen als
Repressionsinstanz: Sie verhängten im vergangenen Jahr mehr als eine
Million Strafen gegen Bezieher des sogenannten Arbeitslosengeldes II
(Hartz IV). Wie aus einer von der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit
veröffentlichten Statistik hervorgeht, wurden 1.001.103 Sanktionen, rund
8500 weniger als 2013, auferlegt.
Den mit Abstand größten Anteil an Strafen sprachen die Jobcenter
erneut für Meldeversäumnisse aus, d.h. für verpasste Termine in der
Arbeitsvermittlung sowie beim ärztlichen oder psychologischen Dienst.
Mit 747.793 Fällen (2013: 735.001) machten diese Sanktionen fast drei
Viertel aus. Dies ist der höchste Stand von Meldeversäumnissen seit
Einführung von Hartz IV im Jahr 2005. In 118.614 Fällen (2013: 127.336)
wurden Strafen festgelegt, weil eine Stelle, eine Aus- oder Fortbildung
nicht angetreten bzw. abgebrochen wurde. Bei Verletzung sogenannter
Eingliederungsvereinbarungen wie der Verpflichtung, eine gewisse Anzahl
an Bewerbungen zu schreiben, wurden in 103.967 Fällen Strafen verhängt
(2013: 114.893).
Im Schnitt wurden die Leistungen um 107 Euro pro Monat (2013: 108
Euro) gekürzt, bei den unter 25jährigen sogar um 124 Euro. Darin
eingeschlossen sind durchschnittliche Kürzungen der Zahlungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe von zwölf Euro bzw. 23 Euro. Komplett
gestrichen wurden die Leistungen für 7.493 Betroffene (2013: 8.887).
Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, warnte in Bild davor, etwas am Strafsystem zu ändern: »Die hohe Zahl der Verstöße
zeigt, dass sich zu viele Empfänger von Sozialleistungen in ihrer
Lebenslage eingerichtet haben. Vor dem Hintergrund der guten
Arbeitsplatzentwicklung insgesamt müssen die Arbeitsagenturen
dranbleiben und Langzeitarbeitslose fordern.« Der Vorsitzende der
Mittelstandsvereinigung der Union, Carsten Linnemann (CDU), erklärte:
»Bei gut 700.000 Sanktionen allein wegen Meldeverstößen sehen wir, dass
›fordern und fördern‹ untrennbar zusammengehören.« (AFP/jW)