Hartz IV – Richter stärken die Stellung von Zuwanderern

 

Hartz IV – Richter stärken die Stellung von Zuwanderern

27.08.2015 | 23:17 Uhr

Hartz IV – Richter stärken die Stellung von Zuwanderern

Richter haben entschieden: Jobcenter dürfen arbeitssuchenden
EU-Zuwanderern nicht pauschaul Hartz-IV-Leistungen verweigern.Foto: dpa

Dortmund/Essen. Das Landessozialgericht NRW hat entschieden: Wer
früher schon in Deutschland gearbeitet hatte, hat Anrecht auf
Leistungen.

Das Sozialgesetzbuch II ist strikt: Zuwanderer, die sich nur zum
Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, sind vom
Leistungsbezug ausgeschlossen, bekommen also kein Hartz IV. So hat es
auch das Jobcenter in Dortmund gesehen, als es einem heute 60-jährigen
Italiener Leistungen verweigerte. Das in Essen ansässige
Landessozialgericht hat das nun korrigiert und grundsätzlich die
Stellung von Zuwanderern aus EU-Staaten gestärkt. Weil der Mann sich
schon früher lange in Deutschland aufgehalten hatte, hier auch
gearbeitet hat, muss das Jobcenter zahlen.

Der Fall: Als Kind von Gastarbeitern war der Mann in Deutschland
aufgewachsen. Er hatte mit 14 angefangen, zu arbeiten – zuerst als
Maurer, später als Krankenpfleger. 2005 ging er nach Italien, konnte
aber dort nicht Fuß fassen und kehrte vier Jahre später nach Deutschland
zurück. Eine geregelte Arbeit fand der Mann aber auch hier nicht. Er
schlug sich erst mit kleinen Jobs durch, beantragte dann Hartz
IV-Leistungen. Das Jobcenter winkte ab – zu Unrecht, wie die Richter
befanden (Az. L7 AS 1161/14).

Revision zugelassen

Die Entscheidung des Landessozialgerichtes dürfte weitreichende
Aufmerksamkeit finden – und das nicht nur, weil auch Bürger anderer
EU-Staaten sich darauf berufen können, wenn ihr Fall ähnlich gelagert
ist. Auf EU-Ebene ist eine solche Konstellation noch nicht richterlich
entschieden worden. Allerdings: gibt es eine Stellungnahme des
Generalanwaltes am Europäischen Gerichtshof zu einem laufenden
Verfahren. Generalanwalt Melchior Wathelet hält den Leistungsausschluss
zwar nicht grundsätzlich für unzulässig, ist aber der Meinung, dass
dieser nicht automatisch für Personen gelten darf, die schon einmal
Zugang zum Arbeitsmarkt hatten. Wathelet sieht einen Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot und die Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Auf eben diese Stellungnahme beziehen sich die Essener Richter.
Wegen der Bedeutung des Falles haben sie aber ausdrücklich Revision
zugelassen. Ob die Sache noch beim Bundessozialgericht in Kassel landet,
war aber zunächst unklar.

Die Frage, ob EU-Zuwanderern Hartz-IV-Leistungen zustehen,
beschäftigt zunehmend die Juristen. Als Linie zeichnet sich ab: Wer sich
rechtmäßig in Deutschland aufhält, dem stehen in der Regel auch
Leistungen zu. Der siebte Senat des Landessozialgerichtes, der den Fall
aus Dortmund jetzt entschied, hatte seine Auffassung bereits in der
Vergangenheit deutlich gemacht: Wer in Deutschland sein darf, hat in der
Regel auch ein Recht auf existenzsichernde Leistungen. Sonst treibe man
die Menschen in Hunger oder Kriminalität.

Holger Dumk

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