Hartz IV mit Regelsatz von „mindestens 600 Euro“

 

„Kaum besser als nichts“: Sozialverbände kritisieren Entlastungspaket der Ampel

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Von: Steffen Herrmann

Die hohen Preise für Energie und Lebensmittel sind für viele Menschen eine Belastung. Auch die Frankfurter Tafel hat deshalb viel zu tun. © Renate Hoyer

In der Debatte um Entlastungen wegen hoher Energiepreise fordern der Verein
Sanktionsfrei und der Paritätische Gesamtverband eine Aufstockung von
Hartz IV.

Berlin – Milch, Kartoffeln, Sprit und Gas – viele Güter sind in den vergangenen Wochen
teurer geworden. Das trifft vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen.
Ihnen solle die Bundesregierung mehr helfen, fordern deshalb
Wohlfahrtsverbände und Vereine: „Aus meiner Sicht werden Menschen, die
Hartz IV, Erwerbsunfähigkeitsrente oder aufstockende Grundsicherung
beziehen, in der Debatte um Entlastung abgespeist“,
sagt Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei. Auch der Paritätische
Gesamtverband mahnt, einkommensarme Menschen nicht zu vergessen.

Derzeit diskutieren SPD, Grüne und FDP
über ein Entlastungspaket. Zuletzt hatte sich die SPD für ein
Mobilitätsgeld für kleine und mittlere Einkommen ausgesprochen – ein
staatlicher Zuschuss, der mit dem regulären Monatsgehalt überwiesen
werden soll. Ein Tankrabatt, den Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ins Spiel gebracht hatte, war außerhalb seiner Partei auf Ablehnung gestoßen.

Wegen steigender Preise: Hartz IV mit Regelsatz von „mindestens 600 Euro“

Steinhaus fordert im Gespräch mit der FR vor allem einen höheren Regelsatz von
Hartz IV, „nämlich mindestens 600 Euro“, und Einmalzahlungen für die
gestiegenen Stromkosten. Wegen hoher Jahresendabrechnungen würden
Stromsperren aktuell für viele Menschen zur realen Bedrohung, berichtet
die Berlinerin, die mit ihrem Verein Menschen unterstützt, die Hartz IV
beziehen. Derzeit seien von den 449 Euro Regelsatz pro Monat rund 38
Euro für Strom vorgesehen – viel zu wenig, sagt Steinhaus.

Auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen
Gesamtverbands, fordert eine „unterjährige Erhöhung der Regelsätze auf
mindestens 600 Euro“. Den Vorstoß zur Zahlung eines Mobilitätsgeldes
lobt sein Verband. Er wäre „eine echte Hilfe für die, die unter den
aktuellen Preisen besonders leiden“.

Steigende Preise und Hartz IV: Paritätischer Gesamtverband warnt vor tieferer Spaltung

In einem offenen Brief hatte der Paritätische zuvor vor einer tieferen
sozialen Spaltung gewarnt. Die bisherigen Unterstützungsleistungen
könnten nicht verhindern, „dass eine große Zahl von Menschen in
Deutschland in echte finanzielle Not gerät“. Konkret fordert der
Verband: Die bislang geplante Soforthilfe von 20 Euro monatlich für
Kinder, deren Eltern Sozialleistungen wie Hartz IV beziehen, müsse
mindestens verdoppelt werden. Auch die Einmalzahlung von 100 Euro an
Hartz-IV-Empfänger:innen sei zu niedrig angesetzt.

Auch Steinhaus kritisiert die einmalige Zahlung von 100 Euro: „Das ist sogar
noch schlechter als die Einmalzahlung der großen Koalition aus dem Jahr
2021, die betrug 150 Euro.“ Seither seien die Preise weiter gestiegen.
Die Soforthilfe von 20 Euro sei besser als nichts, „aber eben auch nicht
mehr als das“.

Lindner stellt Hilfen für Hartz-IV-Empfänger:innen in Aussicht

In der Diskussion über Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger wegen
stark steigender Preise hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)
weitere Unterstützung für Hartz-IV-Beziehende angedeutet. Er halte
"eine nochmalige Betrachtung der Situation bei den
Grundsicherungsempfängern für ratsam", sagte er am Dienstag (22.03.2022)
in der Haushaltsdebatte im Bundestag. Lindner verwies dabei auf
drohende Preissteigerungen bei Lebensmitteln.

Für manche Menschen bedeuteten die aktuellen Lebenshaltungskosten, "dass
die Kinder keine neuen Schuhe bekommen", sagte Lindner. Es sei eine
"Frage der sozialen Sensibilität, dass wir diese Menschen als staatliche
Solidargemeinschaft nicht alleine lassen". (afp)

Steigende Energiepreise: Gestiegener Heizkostenzuschuss kommt Hartz IV-Empfängern nicht zugute

Lob und Kritik gleichermaßen gibt für die Verdopplung des
Heizkostenzuschusses von 135 Euro auf 270 Euro: „Davon profitieren
Personen, die Wohngeld beziehen, oder Studierende und Schüler:innen, die
Bafög beziehen“, sagt Helena Steinhaus. „Leider bekommen das Menschen
in Hartz IV nicht.“ Das zeige, „dass die Anspruchsvoraussetzungen sowohl
für das Wohngeld als auch für das Bafög zu restriktiv sind und zu wenig
Menschen erreichen, die auf eine solche Leistung angewiesen wären“,
heißt es im offenen Brief des Paritätischen Gesamtverbandes. (Steffen
Herrmann)

https://www.fr.de/wirtschaft/frax/kaum-besser-als-nichts-91427754.html