Hartz-IV-Rückforderungen kosten oft mehr als sie einbringen

 

 

Hohe Verwaltungskosten. Hartz-IV-Rückforderungen
kosten oft mehr als sie einbringen

Die Verwaltungskosten bei kleineren und Kleinstbeträgen
übersteigen die eigentlichen Rückzahlungen deutlich. Linke fordert
eine Bagatellgrenze.

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Jobcenter zahlen drauf: Rückzahlungen
kosten oft mehr als sie einbringen.Foto:
dpa

 

Rückforderungen zu viel überwiesener Hartz-IV-Leistungen
kosten die Jobcenter oft mehr, als sie einbringen. Die
Verwaltungskosten bei kleineren und Kleinstbeträgen übersteigen die
eigentlichen Rückzahlungen deutlich, wie eine Antwort der
Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag zeigt.

Die Partei forderte die Einführung einer sogenannten
Bagatellgrenze, bis zu der auf Rückzahlungsforderungen verzichtet
wird. Diskutiert wurde über das Thema schon öfter.

Wie aus der Regierungsantwort hervorgeht, forderten die Jobcenter
2018 fast drei Milliarden Euro zu viel gezahlte Leistungen zurück.
807 Millionen Euro davon wurden tatsächlich zurückgezahlt, die
Verwaltungskosten lagen insgesamt bei 233 Millionen Euro. Die Bilanz
war damit insgesamt zwar positiv, doch zeigt sich beim Blick auf die
Rückforderungsverfahren kleinerer Summen, dass sich diese nicht nur
nicht lohnen, sondern Zusatzkosten verursachen.

So wurden 2018 rund 1,3 Millionen Rückzahlungsforderungen über
Beträge bis 100 Euro gestellt. Von den ausstehenden 56 Millionen
Euro kamen 30 Millionen Euro wieder herein. Dem standen
Verwaltungskosten von 72 Millionen Euro gegenüber - zum Beispiel in
Form von Mahnungen. Bei Rückforderungen von Kleinbeträgen bis 50
Euro waren die Verwaltungskosten viermal höher als die Einnahmen und
bei Kleinstbeträgen bis 25 Euro sogar mehr als sieben mal so hoch
(Einnahmen 3,4; Verwaltung 24,5 Millionen Euro). Bei den
Kleinstbeträgen handelte es sich im Schnitt um
Rückzahlungsforderungen in Höhe von 12,40 Euro.

„Bei den Ärmsten wird mehr Geld fürs Eintreiben von
Minibeträgen ausgegeben, als reinkommt“, sagte Linke-Chefin Katja
Kipping. Diese Gründlichkeit stehe im krassen Gegensatz zur Laxheit,
wenn es um Steuerbetrug im großen Stil wie
bei Cum-Ex
gehe. Die Linke fordert eine Bagatellgrenze zwischen
50 und 100 Euro.

Bisher keine Mehrheit fürt eine Bagatellgrenze

Neu ist die Diskussion nicht. Seit
langem ruft auch die für die Jobcenter zuständige Bundesagentur für
Arbeit nach der Einführung einer Bagatellgrenze.

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Verschwendung von Zeit und Millionen

Marie Rövekamp

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte vor sechs Jahren in einem
Papier für eine Hartz-IV-Reform sogar schon einmal die Einführung
einer solchen Grenze in Höhe von 50 Euro vorgeschlagen. Im
vergangenen Herbst hatte die Fraktion der Linken im Bundestag einen
Antrag dafür eingebracht, dem sich auch die Grünen angeschlossen
hatten. Dafür fand sich allerdings keine Mehrheit im Parlament,
ebenso wenig wie für einen Antrag der FDP, die eine Bagatellgrenze
von 25 Euro gefordert hatte. (dpa)

https://www.tagesspiegel.de/politik/hohe-verwaltungskosten-hartz-iv-ruec...

 

 

 

Kleinbeträge bei Hartz-IV-Rückforderungen
Verwaltungskosten sind dreimal so hoch wie die Einnahmen

Die Rückforderung von Kleinbeträgen
von Hartz-IV-Empfängern kostet den Staat mehr Geld, als sie ihm
einbringt. Das belegen laut "Süddeutscher Zeitung" Zahlen
der Bundesagentur für Arbeit. Deren Chef verlangt die Einführung
einer Bagatellgrenze.

27.02.2019, 08:02 Uhr

Eingang eines Jobcenters in Schwerin

DPA

Wenn Jobcenter
rückblickend betrachtet zu viel Arbeitslosengeld II überwiesen
haben, müssen sie von Hartz-IV-Empfängern
auch Kleinbeträge zurückfordern. Doch diese Regelung verursacht
deutlich höhere Verwaltungskosten, als sie dem Staat Einnahmen
bringt. Das belegen laut
"Süddeutscher Zeitung"
Zahlen der Bundesagentur für
Arbeit. Demnach forderten die Jobcenter 2018 insgesamt 18 Millionen
Euro an Kleinbeträgen bis 50 Euro zurück. Das habe aber
Verwaltungskosten von 60 Millionen Euro verursacht. Erschwerend komme
hinzu, dass die tatsächlichen Einnahmen sogar noch unter den
Forderungen gelegen haben dürften, berichtet die Zeitung.

Bundesagentur-Chef Detlef
Scheele
sprach sich deshalb in der "SZ" für eine
Änderung aus. "Wir wünschen uns seit Jahren die Einführung
einer Bagatellgrenze", sagte er. "Der jetzige Aufwand für
Erstattung und Aufhebung von kleinen Beträgen steht in keinem
Verhältnis zum Ertrag."

So soll laut "SZ" auch 2016 der Verwaltungsaufwand höher
als die Forderungen gewesen sein. Damals standen demnach Forderungen
von zwölf Millionen Euro Verwaltungskosten von rund 26,2 Millionen
Euro gegenüber.

Die aktuellen Zahlen hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai
Whittaker von der Bundesagentur angefordert. Auch er sprach sich
gegenüber der "SZ" dafür aus, die Rückforderung von
Kleinbeträgen zu überdenken. "Hartz IV verwaltet sich selbst
und verliert sich in Kleinigkeiten", sagte Whittaker. "Dann
geht es wirklich nicht mehr um die Menschen, sondern um die
Bürokratie."

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Das Missverhältnis zeigt sich laut "SZ" umso stärker
bei Kleinstbeträgen. 2018 summierten sich demnach Forderungen von
bis zu 20 Euro auf 4,6 Millionen Euro und verursachten einen fast
neunmal so hohen Verwaltungsaufwand von 40,6 Millionen Euro.

Die Anregung, eine sogenannte Bagatellgrenze einzuführen, kam
bereits 2014 auf. Dies war damals Teil eines Vorschlagspakets der
Bundesagentur zur Vereinfachung von Hartz-IV-Regelungen. Schon damals
hieß es, die Kosten seien oft ein Vielfaches höher als die
Forderung selbst.

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Derzeit sind die Jobcenter dazu angehalten, bereits ausstehende
Minibeträge zu erfassen. Bei Beträgen bis sieben Euro stehe es im
Ermessen des Jobcenters, ob ein Erstattungsbescheid verschickt wird,
schreibt die "SZ". Für Ausstände zwischen sieben und 36
Euro müssen Erstattungsbescheide verschickt werden und auch
Mahnungen, ab 36 Euro werden "Vollstreckungsmaßnahmen"
eingeleitet.

mmq/dpa

 

 

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-mini-rueckforderunge...