Immer mehr Menschen hungern
Millionen Menschen auf der Welt haben zu wenig zu essen. Laut
Welternährungsprogramm: sind 82 Prozent mehr Menschen als im Vorjahr
von Hunger betroffen.
Die Corona-Krise verschärft das Hungerproblem in der Welt. Nach
Einschätzung des Welternährungsprogramms (WFP) könnte sich die Zahl der
akut von Hunger betroffenen Menschen in diesem Jahr deutlich erhöhen –
auf 270 Millionen Menschen. Das wären 82 Prozent mehr als 2019.
Besonders stark betroffen sind den Angaben zufolge Lateinamerika sowie
West-, Zentral- und Südafrika.
In den Staaten Lateinamerikas hat sich laut der UN-Organisation die Zahl der Menschen,
die auf Lebensmittelhilfen angewiesen sind fast verdreifacht. Auch in
West- und Zentralafrika sei der Hunger sprunghaft angestiegen, nämlich
um 135 Prozent, das südliche Afrika verzeichne einen Anstieg um 90
Prozent.
Der Corona-Lockdown hat die Hungerkrise auf verschiedene Weise verschärft. Teilweise
funktionieren die Transportwege für Nahrungslieferungen in ländlichen
Regionen nicht mehr. Stark betroffen sind aber auch Stadtbewohner in
Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die in die Armut
getrieben wurden – durch Jobverlust und den rapiden Rückgang von
Geldüberweisungen von Familienmitgliedern, die im Ausland leben.
Das WFP warnt vor einer Zuspitzung: Die Zahl der Coronavirus-Infektionen steige
ausgerechnet jetzt an, wo die Nahrungsmittelvorräte in einigen Teilen
der Welt bereits niedrig seien und viele Bauern auf die neue Ernte
warteten. „Sturm- und Monsunsaisonen beginnen, Heuschreckenplagen in
Rekordgröße überschwemmen Ostafrika und verschärfte Konflikte
verschlechtern die ohnehin schon schwierigen Aussichten der Hungernden
der Welt“, so die Organisation. Bereits in den letzten vier Jahren vor
Ausbruch der Corona-Pandemie war die Zahl der Menschen, die akut Hunger
leiden, um fast 70 Prozent angestiegen, so das WFP. Das Virus verschärfe
nun die Folgen des Klimawandels, bestehende Konflikte sowie
wirtschaftliche und soziale Schocks in Regionen, die zuvor von schwerem
Hunger verschont geblieben waren.
Die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) beziffert die Zahl
der Menschen, die wegen geringer Ernten oder mangelnder Kaufkraft das
Jahr über immer wieder an Ernährungsunsicherheit leiden, auf über zwei
Milliarden Menschen – also rund ein Viertel der Weltbevölkerung. Sie
sind regelmäßig gezwungen, Mahlzeiten auszulassen, weniger oder billige,
aber minderwertige Nahrung zu sich zu nehmen. Hierzu gehören auch acht
Prozent Bevölkerung in Europa und Nordamerika. Diese Zahlen dürften
wegen Corona ebenfalls zugenommen haben.
Das WFP warnt, dass ohne Nahrung ein dramatischer Anstieg von sozialen
Unruhen und Protesten, unsicherer Migration, Konflikten und
weitverbreiteter Unterernährung drohe – „in Bevölkerungsteilen, die
bisher immun gegen Hunger waren“. Die Organisation will daher in diesem
Jahr die Hilfen deutlich ausweiten. Rund 138 Millionen Menschen sollen
Nahrungsmittellieferungen, Gutscheine oder Bargeld zum Kauf von Essen
erhalten. Das seien über 40 Millionen mehr als 2019, als bereits eine
Spitzenzahl von 97 Millionen Bedürftigen unterstützt wurde.
Nötig ist für das ausgeweitete Hilfsprogramm jedoch mehr Geld. Das WFP
beziffert die noch nicht finanzierten Kosten für den Einsatz in 83
Ländern im nächsten halben Jahr auf rund 4,9 Milliarden US-Dollar. Rund
60 Länder unterstützen das WFP bisher, größtes Geberland sind die USA,
gefolgt von Deutschland. Die Organisation appelliert an alle
Geberländer, sich noch stärker als bisher zu engagieren, aber auch an
Privatleute, zu spenden.
https://www.fr.de/wirtschaft/immer-mehr-menschen-hungern-13817086.html