Jeder Vierte in Europa ist arm 17. Oktober 2016
Von Stephan Kaufmann
In Südeuropa gibt es immer mehr arme Menschen, wie hier in einer griechischen Suppenküche für Arme.
Foto: REUTERS
Die Armutsquote in Europa ist auf den Stand von 2008 gesunken. Doch in Ländern Südeuropas verschlechtert sich die Lage.
Die Armutsquote in der EU ist wieder
auf den Stand von vor der Finanzkrise gefallen. Laut Statistikamt
Eurostat lag der Anteil der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten
Personen 2015 bei 23,7 Prozent und damit so hoch wie 2008. Allerdings
ist damit immer noch jeder Vierte Europäer arm. Zudem ist gerade in
Südeuropa die Armut gestiegen.
Laut Eurostat sind Menschen armutsgefährdet, wenn sie ein geringes Einkommen erzielen, wenn
sie in einem Haushalt mit hoher Arbeitslosigkeit leben oder wenn sie
materiell sehr schlecht dastehen – also ihre Rechnungen nicht bezahlen,
die Wohnung nicht angemessen beheizen oder sich keine einwöchige
Urlaubsreise leisten können.
Verbesserungen in Osteuropa
Die Armutsquote in der EU erreichte 2012 mit fast 25 Prozent ihr bisheriges
Hoch und liegt nun allerdings noch immer höher als zum Tiefststand 2009
(23,3 Prozent). In absoluten Zahlen hat sich die Situation
verschlechtert: Eurostat zählt für das vergangene Jahr knapp 119
Millionen arme EU-Bürger, das sind drei Millionen mehr als 2008.
Am größten ist das Problem Bulgarien, dort sind mehr als 41 Prozent aller
Menschen arm, in Rumänien 37 Prozent. Am anderen Ende der Skala liegen
Tschechien und Schweden mit 14 und 16 Prozent. Deutschland belegt mit 20
Prozent einen Mittelplatz – seit 2008 ist die Armut hierzulande
allerdings kaum gesunken und betrifft rund 16 Millionen Menschen.
Dass der Durchschnittswert für die EU seit Jahren sinkt, liegt vor allem an
Verbesserungen in Osteuropa: Insbesondere in Polen, Rumänien und
Bulgarien ist die Zahl armer Menschen stark zurückgegangen. In vielen
Ländern dagegen ist ein Anstieg zu verzeichnen – so in Belgien,
Dänemark, Niederlande, Schweden.
Stark hat sich die Lage in Südeuropa verschlechtert. Dort haben Krise und Sparprogramme
eine Spur der Verwüstung hinterlassen. So ist die Zahl der Armen in
Italien seit 2008 um zweieinhalb Millionen Menschen gewachsen, die
Armutsquote beträgt nun fast 29 Prozent. In Spanien ist sie auf 28,6
Prozent gestiegen. Den tiefsten Fall erlitten die Haushalte in
Griechenland, dort schoss die Armutsquote von 28,1 auf 35,7 Prozent.
Einkommensarmut ist allerdings ein relatives Maß: Als einkommensarm gilt ein Haushalt,
wenn sein gesamtes Einkommen – inklusive Sozialleistungen – unter 60
Prozent des mittleren Einkommens in dem Land liegt. Ab welchem Einkommen
jemand offiziell als arm klassifiziert ist, hängt also vom nationalen
Einkommensniveau ab: In Deutschland ist das laut Eurostat der Fall, wenn
ein alleinlebender Erwachsener weniger als 12 400 Euro pro Jahr – oder
rund 1000 Euro pro Monat – zur Verfügung hat. In Italien liegt die
Armutsgefährdungs-Schwelle bei nur 9500 Euro, in Spanien bei 8000 Euro
und in Portugal bei 5060 Euro.
Ein extremer Fall ist abermals Griechenland. Hier ist die Armut drastisch gestiegen,
obwohl die Schwelle, ab der man als arm gilt, gesunken ist: Galt ein
Grieche vor acht Jahren mit jährlich 6500 Euro oder weniger als arm, so
war dies 2015 erst ab einem Einkommen von 4500 Euro der Fall.
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