Jedes fünfte Düsseldorfer Kind ist arm

Jedes fünfte Düsseldorfer Kind ist arm 30.1.2015

Von Alexander Esch

mit einem Kommentar von Alexander Esch

Nie zuvor wurden so viele Kinder in Hartz-IV-Verhältnissen groß. Politik reagiert mit mehr Fördergeldern.

 

Kinder, die in Hartz-IV-Verhältnissen aufwachsen, müssen auf einiges verzichten.

Kinder, die in Hartz-IV-Verhältnissen aufwachsen, müssen auf einiges verzichten.

 

dpa, Bild 1 von 5

Kinder, die in Hartz-IV-Verhältnissen aufwachsen, müssen auf einiges verzichten.

Düsseldorf. Noch nie
wuchsen in Düsseldorf so viele Kinder in Hartz-IV-Verhältnissen auf wie
heute. Laut aktueller Zahlen des Jobcenters waren es im September 16 766
der unter 15-Jährigen, der bis dahin ermittelte Jahresdurchschnitt
liegt nur knapp darunter (siehe Grafik). Das heißt nach hiesigen
Maßstäben: Jedes fünfte in der Stadt wohnende Kind ist arm.

Die Quote von 21,9 Prozent liegt
deutlich über dem Bundesschnitt von 15,3 Prozent. Das ist zwar für
Großstädte nicht untypisch, dennoch liegt Düsseldorf fast gleichauf mit
Städten wie Köln und Hamburg. Die weisen jedoch erheblich weniger
Gewerbesteuereinnahmen pro Einwohner auf. Zudem sind sie nicht
wirtschaftlich schuldenfrei. In Berlin liegt die Quote gar bei 33,4, in
München bei 12,1 Prozent.

Umfrage

Unternehmen Stadt und Politik genug gegen Kinderarmut und Langzeitarbeitslosigkeit?

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Seit der Arbeitsmarktreform 2005 hat
sich das Problem der Kinderarmut in Düsseldorf deutlich verschärft.
Damals waren 14 000 Kinder betroffen, 2012 waren es schon 2000 Kinder
mehr, für die heute ein Regelsatz von weniger als 300 Euro pro Monat
vorgesehen ist. Erschwerend hinzu kommt die hohe Zahl von
Langzeitarbeitslosen, die auch Kinderarmut verfestigt. Mehr als die
Hälfte der Hartz-IV-Empfänger zählt in der Landeshauptstadt zu ihnen.

Ehrenamtler Hans Küster kritisiert die Politik

Die Zahlen decken sich mit
Erfahrungen, die Hans Küster macht. Der Gründer der Bürgerhilfe
Gerresheim engagiert sich seit 25 Jahren für finanzschwache Familien.
Bekannt sind etwa seine Benefizaktionen, bei denen sich Kinder in
Kaufhäusern einkleiden können und laut Küster oft zum ersten Mal etwas
Neues zum Anziehen bekommen. „Bei uns melden sich immer mehr Familien.
Die können wir längst nicht alle berücksichtigen.“

Küster beklagt, dass die „Politik
jahrelang gepennt hat“. Er wünscht sich gerade von Bezirkspolitikern
mehr Engagement. Denn die Folgen für Kinder, die mit Hartz IV
aufwachsen, seien gravierend. „Ich stelle oft fest, wie wenig
Selbstvertrauen diese Kinder haben. In solchen Verhältnissen wird
Ängstlichkeit gezüchtet.“

Eine Politikerin,
die die Bekämpfung der Kinderarmut als persönliches, politisches Ziel
bezeichnet, ist Miriam Koch (Grüne). Zumindest in ihrer Zeit als
OB-Kandidatin hatte sie das formuliert. „Schulabschlüsse dürfen nicht
von der Herkunft abhängen“, sagt sie. Als „beschämend“ bezeichnet sie
es, dass bislang kein Oberbürgermeister in seiner Haushaltsrede ein Wort
über Kinderarmut verlor.

„Ich stelle oft fest, wie wenig Selbstvertrauen diese Kinder haben. Da wird Ängstlichkeit gezüchtet.“

Hans Küster, Ehrenamtler

Der neue Oberbürgermeister Thomas
Geisel hatte in seiner ersten Etatrede nun zwar nicht explizit
Kinderarmut angesprochen, aber immerhin die Situation der
Langzeitarbeitslosen und die „vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote“.
Mit neuem Oberbürgermeister und der Kooperation aus SPD, Grünen und FDP
ist ein wenig mehr Bewegung in die Sozialpolitik gekommen. Die „Ampel“
will etwa Quartiersmanager in den Bezirken einsetzen, die sich gezielt
um Probleme vor Ort kümmern. Koch: „Sie könnten an die Zentren plus
angedockt werden. Dort ist die Hemmschwelle für Betroffene oft niedriger
als bei einer Behörde.“ Meist müsse vor allem aufgezeigt werden, was
alles an Hilfeleistungen möglich ist.

„Düsseldorf ist ein teures Pflaster. So rutschen die Menschen viel schneller in die Bedürftigkeit.“

Michael Mense, Jobcenter

Während die Umsetzung noch nicht
abzusehen ist, hat die „Ampel“ allerdings im Dezember Geld für
„Kommunale Beschäftigungsförderung“ bereitgestellt, jährlich 2,2
Millionen Euro. Koch hofft, dass so ein Ausgleich für die so genannte
Instrumentenreform des Bundes geschaffen wird, durch die dem Jobcenter
rund 20 Millionen Euro weniger für Arbeitsförderung und -vermittlung zur
Verfügung stehen. Im Ergebnis musste die Caritas etwa ihre
Fahrradwerkstatt aufgeben, bei der vor allem Langzeitarbeitslose
beschäftigt waren.

Wie genau das Geld
verteilt werden soll, berät zurzeit die Verwaltung, wie Sozialdezernent
Burkhard Hintzsche gegenüber der WZ bestätigt. Und er wehrt sich gegen
den Eindruck, die Stadt habe das Problem nicht erkannt. So erinnert er
etwa an die drei Millionen Euro, die jährlich in die Zukunftswerkstatt
fließen und an die Arbeit der Jugendberufshilfe. Zudem entlaste die
Kommune finanzschwache Familien an vielen Stellen: etwa mit
beitragsfreien Kita-Plätzen und dem Düsselpass. Zudem kündigt er an,
dass bis August alle Düsseldorfer Grundschulen mit Sozialarbeitern
ausgestattet sein werden.

Aber warum hat dann eine
wirtschaftlich starke Stadt wie Düsseldorf trotz aller Bemühungen solch
große Probleme mit Kinderarmut und Landzeitarbeitslosigkeit? Hintzsche:
„Düsseldorf ist ein Arbeitsmarkt, in den die gesamte Region drängt.“

Auch Michael Mense vom Jobcenter
erinnert an die enorm hohen Einpendlerzahlen in Düsseldorf. „Zudem ist
die Stadt aufgrund der Mieten ein teueres Pflaster. So rutschen die
Menschen viel schneller in die Bedürftigkeit.“

 

Kommentar

Düsseldorf muss mehr tun

Es ist paradox. Gerade wegen der wirtschaftlichen Stärke der
Stadt ist ihr Arbeitsmarkt hart umkämpft. Flexible Mitzwanziger kommen
aus der ganzen Republik, Pendlerströme aus der Region. Dabei werden
viele Düsseldorfer abgehängt, darunter immer mehr Kinder. mehr

http://www.wz-newsline.de/lokales/duesseldorf/jedes-fuenfte-duesseldorfe...