NRW: Jedes fünfte Kind in Hartz IV
Die Kinderarmut wächst im Land deutlich stärker als im Bundesschnitt.
Gewerkschaften, Kirchen und Verbände fordern eine gerechtere Verteilung
der Leistungen für Familien.
VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK
DÜSSELDORF
Nahezu jedes fünfte Kind in NRW ist auf finanzielle Hilfe vom Staat
angewiesen. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor,
auf die Sabine Zimmermann, Bundestagsabgeordnete der Linken, gestern
hinwies. Im Dezember 2015 waren in NRW knapp 435.300 unter 15-Jährige
auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Das waren gut 15.800 oder 3,8
Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Damit legte die Kinderarmut in NRW
deutlich stärker zu als im Bundesdurchschnitt und lag mit 18,5 Prozent
erheblich über dem Wert für Gesamtdeutschland (14,4 Prozent).
Die Zahl der jungen Hartz-IV-Bezieher in NRW dürfte im Verlauf des Jahres
noch steigen. Ein Grund dafür ist nach Aussagen von Werner Marquis,
Sprecher der NRW-Regionaldirektion der BA, die starke Zuwanderung. Wenn
der Asylantrag eines arbeitslosen Flüchtlings positiv beschieden ist,
taucht er im System der Grundsicherung auf. „Wir rechnen damit, dass die
Zahl der Hartz-IV-Bezieher wegen der Flüchtlingssituation mit dem
Spätsommer steigen wird“, sagte Marquis. Da unklar sei, wie viele der
Antragsteller am Ende anerkannt würden, sei eine seriöse Prognose für
das laufende Jahr derzeit nicht möglich. Angesichts eines weiterhin
robusten Arbeitsmarkts arbeitet ihre Behörde Marquis zufolge verstärkt
daran, dass bei den jungen Menschen keine „Sozialhilfe-Karrieren“ – also
Generationen von Hartz-IV-Beziehern – entstehen. Hilfreich sei es,
berufliche Perspektiven aufzuzeigen, etwa durch die sogenannte
assistierte Ausbildung. Dabei werden Jugendliche von der Schule bis zum
Abschluss ihrer Ausbildung betreut.
Innerhalb von NRW gebe es bei der Verteilung der Hartz-IV-Bezieher aber deutliche
Unterschiede, hieß es aus der Düsseldorfer Staatskanzlei. Das
Armutsrisiko liege etwa im Ruhrgebiet und in der Region Aachen deutlich
über dem Landesdurchschnitt, in den übrigen Regionen dafür aber
darunter.
Bundesweit am schwierigsten ist die Lage laut BA jedoch in Bremen und Berlin mit 31,5 Prozent. Prozentual am
wenigsten Betroffene gibt es in Bayern mit 6,5 Prozent.
Genau betrachtet gehe es beim Thema Kinderarmut um die Armut ihrer Eltern und
deren Auswirkung auf die Kinder, sagte die Linkenpolitikerin
Zimmermann. Darin spiegele sich die in vielen Regionen immer noch
angespannte Arbeitsmarktlage mit zu wenigen Arbeitsplätzen und
Niedriglöhnen wider.
30 Sozialverbände und Gewerkschaften rund um die Diakonie forderten von der Politik Konzepte
gegen Kinderarmut. „Das derzeitige System der kinder- und
familienbezogenen Leistungen konnte nicht verhindern, dass die
Kinderarmut in den letzten Jahren noch gewachsen ist“, stellten sie
fest. Kinder aus gut situierten Familien würden in Deutschland immer
noch stärker gefördert als Kinder aus Hartz-IV-Haushalten. Gutverdiener
erhielten durch Steuerentlastungen pro Kind bis zu 277 Euro im Monat,
während Normalverdiener 190 Euro und Hartz-IV-Empfänger gar kein
Kindergeld bekämen, da die Leistung verrechnet werde.
31. Mai 2016 | 07.37 Uhr
1,54 Millionen Betroffene
Jedes siebte Kind ist von Hartz IV abhängig
Die Zahl der Kinder, die von Hartz-IV abhängig sind, steigt wieder.
FOTO: dpa, ppl;cse dbo lof
Berlin .
Keine guten Nachrichten zum Kindertag: Die Zahl der Kinder, die in
Deutschland von Hartz IV abhängig sind, ist es zuletzt wieder gestiegen.
In Nordrhein-Westfalen ist jedes fünfte Kind betroffen.
Rund jedes siebte Kind in Deutschland ist von
Hartz-IV-Leistungen abhängig. Das geht aus einer Daten-Auswertung der
Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann anlässlich des
internationalen Kindertags am 1. Juni hervor, die der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin vorlag.
Im vergangenen Jahr waren im Schnitt 1,54 Millionen unter 15-Jährige betroffen. Das waren gut 30.000 mehr als im Vorjahr. Die Angaben stammen von der Bundesagentur für Arbeit.
In einzelnen Regionen ist die Lage deutlich schlechter: So ist in
Bremen und Berlin mit 31,5 Prozent fast jedes dritte Kind unter 15
Jahren von Hartz-IV-Leistungen abhängig (Ende 2015). In Sachsen-Anhalt
sind es 21,8 Prozent, in Hamburg 20,4 Prozent. Prozentual am wenigsten
Betroffene gibt es in Bayern mit 6,5 Prozent.
435.000 in NRW betroffen
Fast jedes fünfte Kind in Nordrhein-Westfalen ist von
Hartz-IV-Leistungen abhängig. Im Dezember 2015 waren demnach in NRW
knapp 435.300 unter 15-Jährige betroffen. Das waren gut 15.800 oder 3,8
Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Anteil der Kinder, die Anspruch auf
Hartz IV haben, an allen Mädchen und Jungen stieg binnen eines Jahres
um 0,7 Prozentpunkte auf 18,5 Prozent im Dezember 2015.
Insgesamt sind in Ostdeutschland 20,3 Prozent der unter
15-Jährigen Hartz-IV-abhängig, in Westdeutschland 13,0 Prozent. Den
stärksten Anstieg gegenüber dem Vorjahr gab es mit 2,1 Prozentpunkten in
Bremen, den deutlichsten Rückgang mit minus 0,7 Prozentpunkten in
Brandenburg und Sachsen.
Genau betrachtet gehe es beim Thema Kinderarmut nicht unmittelbar
um die Armut der Kinder, sondern um die Armut ihrer Eltern und deren
Auswirkung auf die Kinder, sagte Zimmermann. "In der enormen Anzahl der
Hartz-IV-Beziehenden mit Kindern spiegeln sich die in vielen Regionen
immer noch angespannte Arbeitsmarktlage mit viel zu wenigen
Arbeitsplätzen und Niedriglöhne wider." Der Koalition warf die
stellvertretende Vorsitzende der Linkenfraktion vor, zu wenig gegen das
seit Jahren bekannte Problem zu tun. So müssten die Regelsätze für
Kinder erhöht werden.
(felt/dpa)
http://www.rp-online.de/wirtschaft/154-millionen-betroffene-jedes-siebte...
http://www.fr-online.de/wirtschaft/internationaler-kindertag-jedes-siebt...