Jobcenter: Wer türkisch klingt, hat schlechte Chancen
Menschen mit ausländischen Namen wurden in der Studie bei E-Mail-Anfragen von den Jobcentern schlecht beraten. Foto: imago/Future Image
Eine Studie zeigt, dass Menschen mit ausländischen Namen von Jobcentern bei Anfragen diskriminiert werden: Mustafa Yilmaz ist somit schlechter gestellt, als Anna Schäfer.
Wenn Mustafa Yilmaz beim Jobcenter um Hilfe bei einem Hartz-IV-Antrag bittet, bekommt er häufig eine schlechtere Auskunft als Anna Schäfer. Menschen, deren Namen nicht Deutsch klingen, werden bei Anfragen diskriminiert: Das zeigt eine bisher unveröffentlichte Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, die der FR vorliegt. „Der Unterschied in der Behandlung ist signifikant und substantiell“, sagt Anselm Rink, einer der beiden Autoren.
Die Diskriminierung macht sich dabei nicht daran fest, ob überhaupt auf E-Mails geantwortet wird, sondern am Inhalt: Kamen die Anfragen von Personen mit türkisch oder rumänisch klingenden Namen, war die Qualität der Antworten deutlich schlechter als bei Absendern mit typisch deutschen Namen. Es fehlten etwa Informationen oder es wurde suggeriert, das Hartz-IV-Verfahren sei wesentlich voraussetzungsreicher als es tatsächlich ist, fanden die Forscher heraus.
Zu ihrem Ergebnis kommen die Autoren, nachdem sie unter insgesamt sechs Pseudonymen je eine E-Mail mit den gleichen zwei simplen Fragen an alle 408 Jobcenter in Deutschland schickten und dann die Antworten auswerteten. Variiert wurde dabei ob der Name des Absenders türkischer, rumänischer oder deutscher Herkunft war und das Geschlecht, sowie bei dem fiktiven Anschreiben zum Beispiel die angegeben Berufsbezeichnung und der sprachliche Stil.
Bei der Diskriminierung ergeben sich auch Unterschiede zwischen den Jobcentern: Die Ungleichbehandlung in den Jobcentern, die von sogenannten Optionskommunen selbst verwaltet werden, sei etwa doppelt so hoch wie in den Behörden, die direkt der Bundesagentur für Arbeit unterstellt sind.
Zudem schnitten westdeutsche Behörden im Vergleich schlechter ab. Über den Grund können die Autoren nur spekulieren: „In der Forschung geht man davon aus, dass die Kontrolle in zentral verwalteten Bürokratien höher ist“, sagt der Forscher Rink. Dies könne dazu führen, dass Mitarbeiter sich seltener trauen, sich diskriminierend zu verhalten.
Während es für Vorgesetzte leicht zu kontrollieren sei, ob Anfragen von Mitarbeitern überhaupt beantwortet werden, sei die Qualität dieser Antworten schwerer zu überprüfen. Deswegen ist Rink überzeugt, dass die Forschung nicht bloß darauf achten darf, ob überhaupt auf Anfragen reagiert wird, was bisher oft Standard sei. „Entscheidet ist doch, wie geantwortet wird und welchen Inhalt die Antwort hat.“
Die Lösung ist also schlicht mehr Kontrolle? „Die Daumenschrauben bei den Mitarbeitern anzuziehen, finde ich nicht besonders sinnvoll“, sagt Rink. Die Jobcenter stünden ohnehin bereits in der Kritik, weil die Sachbearbeiter dort unter Druck seien. Ein möglicher Ausweg wäre, Anfragen zu anonymisieren. Wichtig ist aus Rinks Sicht, dass in den Jobcentern über das Problem gesprochen wird.
Die Hinweise, „dass Personen mit türkischen oder rumänischen Namen weniger detailliert oder falsch informiert werden, nehmen wir ernst“, sagt ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf Anfrage. Man habe in den letzten Jahren die „Anstrengungen forciert“, Mitarbeiter zu schulen, um Diskriminierungen vorzubeugen: „Antidiskriminierung ist in den Führungsrundsätzen der BA verankert und ist Gegenstand von Mitarbeiterbeurteilungen.“ Zudem werde schon seit längerem auf die Diversität der Belegschaft geachtet. So hätten rund 16,3 Prozent der Jobcenter-Mitarbeiter einen Migrationshintergrund, erklärt der Sprecher. Menschen, die das Gefühl haben, diskriminiert zu werden, könnten sich mit einer Beschwerde an die Geschäftsführung oder eine Führungskraft wenden.
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