Nationale Armutskonferenz legt 2. Schattenbericht „10 Jahre Hartz IV“ vor

 

Pressemeldung - „Armut ist kein Zufall“

Veröffentlicht: 16. Oktober 2015 | Geschrieben von Nationale Armutskonferenz | Print | Email | Zugriffe: 630

Nationale Armutskonferenz legt 2. Schattenbericht „10 Jahre
Hartz IV“ vor. Mehr Entschiedenheit bei der Bekämpfung von Armut
gefordert: „Keine weiteren Jahre verlieren!“

Köln/Berlin. Zum zweiten Mal nach 2012 hat die Nationale
Armutskonferenz (nak) heute einen Schattenbericht zur Armut in
Deutschland vorgelegt. Er trägt den Titel „Zehn Jahre Hartz IV – zehn
verlorene Jahre“. Vor der Berliner Bundespressekonferenz betonte
nak-Sprecher Dr. Frank Johannes Hensel, Armut sei „kein unglücklicher
Zufall“. Er forderte mehr politische Entschiedenheit bei der Bekämpfung
von Armut und sozialer Ausgrenzung in Deutschland. „Wir dürfen keine
weiteren Jahre mehr verlieren!“

Denn inzwischen wachse jedes fünfte Kind in Deutschland in einer
einkommensarmen Familie auf. Daran habe auch das von der Bundesregierung
2011 eingeführte Bildungs- und Teilhabepaket nichts ändern können.

Hensel: „Die Notwendigkeit, nach 2012 erneut einen Schattenbericht
veröffentlichen zu müssen, zeigt, dass Armut und soziale Ausgrenzung von
der Politik als fast schon unabänderlich hingenommen werden.“

Der Schattenbericht, der als Sonderausgabe der Berliner
Obdachlosenzeitung „Strassenfeger“ erscheint, lässt Betroffene zu Wort
kommen, aber auch Armutsforscher und Personen, die im Umgang mit Armen
erfahren sind, wie den neuen Berliner Erzbischof Dr. Heiner Koch.

Der Sprecher der nak warnte vor der Bundespressekonferenz zudem vor
einem Anstieg der Altersarmut. „Bis zum Jahr 2030 wird – so politisch
entschieden – das Rentenniveau auf 43 Prozent sinken. Die Folge wird
sein, dass die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner, die auf
Grundsicherung im Alter angewiesen sind, deutlich steigt.“ Schon jetzt
sei der Anstieg enorm: 2003, so Hensel, waren 250.000 Seniorinnen und
Senioren auf Sozialleistungen angewiesen, mittlerweile sind es längst
doppelt so viele.

Besonders hoch ist das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden. Schon heute
leben fast 40 Prozent aller Alleinerziehenden von Hartz IV – mit
gravierenden Folgen für Kinder, so Prof. Dr. Anne Lenze von der
Hochschule Darmstadt: „Von den 1,89 Millionen Kindern und Jugendlichen
im Hartz-IV-Bezug leben mehr als die Hälfte in Alleinerziehenden-
Haushalten. Kinderarmut ist damit zur Hälfte auf die Armut von
Alleinerziehenden zurückzuführen.“

Prof. Lenze kritisierte vor allem, dass die Kombination von
Sozialleistungen, die helfen soll, ohne Hartz IV auszukommen, bei
Alleinerziehenden ins Leere laufe. Sie forderte, den Unterhaltsvorschuss
unbegrenzt zu gewähren und die besonderen Belastungen des
Alleinerziehens gerade in prekären Einkommenslagen zu berücksichtigen.

Wie stark die Armut in Deutschland zunimmt, zeige sich auch an der Zahl
der Wohnungslosen, sagte Werena Rosenke, Vize-Sprecherin der nak und
stellvertretende Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft
Wohnungslosenhilfe. „2014 waren in Deutschland 335.000 Menschen ohne
Wohnung, 18 Prozent mehr als 2012.“ Ursache sei auch der Verkauf von
Sozialwohnungen an private Investoren. „Seit 2002 gibt es eine Million
Sozialwohnungen weniger. Anstelle einer sozialen Wohnungspolitik wurde
die Wohnung als Ware begriffen und dem Spiel des freien Marktes
überlassen.“ Rosenke forderte eine drastische Erhöhung der Mittel für
den Sozialen Wohnungsbau. „Wir brauchen jedes Jahr 150.000 neue
Wohnungen für einkommensschwache Menschen.“

 

Den Schattenbericht finden Sie hier und unter www.caritasnet.de

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