OECD: Aufschwung verringert Armutsrisiko in Deutschland kaum

OECD: Aufschwung verringert Armutsrisiko in Deutschland kaum 13. Mai 2014 | 13.08 Uhr

Die schwarz-roten Etatpläne bis 2018

Berlin. Der Aufschwung in Deutschland geht an den sozial Schwächsten vorbei. Zu diesem Ergebnis kommt die Industriestaaten-Organisation OECD in ihrem alle zwei Jahre veröffentlichten Wirtschaftsausblick. "Das relative Armutsrisiko und die Einkommensungleichheit sind in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben", heißt es darin.

OECD-Generalsekretär Angel Gurria fordert die Bundesregierung deshalb zu Reformen auf. "Das Land muss jetzt handeln", sagte er am Dienstag. Dank der Reformen im vergangenen Jahrzehnt habe Deutschland im historischen und im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten, stellt die 34 Mitgliedsländer zählende Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fest.

Problematisch seien jedoch der stark gewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil befristet Beschäftigter. Besonders groß sei nach wie vor das Armutsrisiko für geringfügig Beschäftigte wie Minijobber, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, ältere Beschäftigte und Zuwanderer. "Mit 37 Prozent ist der Anteil der privaten Haushalte ohne Vermögen verhältnismäßig hoch", heißt es etwa. Zugleich seien die Aufstiegschancen von Geringverdienern gesunken. Ihnen drohe oft Altersarmut, da die Rentenansprüche in Deutschland enger als in vielen anderen OECD-Staaten an die Einkommen gekoppelt seien.

Die OECD empfiehlt daher, der Zweiteilung des Arbeitsmarktes entgegenzuwirken - hier Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen, höherem Kündigungsschutz und häufig komfortablerem Gehalt, dort jene mit befristeten Verträgen, wenig Schutz und geringerem Lohn. "Ein allgemeiner, von einer unabhängigen Expertenkommission festgelegter Mindestlohn könnte dabei helfen", so die Organisation. "Ebenso eine Angleichung der Regeln zum Beschäftigungsschutz in befristeten und unbefristeten Verträgen." Langzeitarbeitslose müsse zudem durch gezielte Zuschüsse und Anreize zur Weiterbildung geholfen werden.

Mindestens ebenso wichtig sei aber, schon jungen Menschen gleich gute Startbedingungen für Bildung und Beruf zu ermöglichen. Neben Investitionen in die frühkindliche Bildung, fordert die OECD mehr Mittel für Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler. Der Ausbau erschwinglicher Plätze für die Kinderbetreuung "erleichtert die Arbeitsmarktintegration von Alleinerziehenden und verbessert die Verdienstaussichten, insbesondere von einkommensschwachen Haushalten". Das könne insbesondere helfen, Frauen eine Vollzeitstelle zu ermöglichen. Nur 62 Prozent der Frauen seien in Vollzeit tätig, im OECD-Schnitt hingegen 74 Prozent.

Die OECD rät außerdem dazu, Arbeit weniger zu besteuern und die Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener zu senken. Um keine Löcher in die Staatskasse zu reißen, könnte Immobilienbesitz stärker besteuert werden. Zudem sollten Gewinne aus dem Verkauf nicht selbst genutzter Immobilien nicht mehr von der Steuer befreit werden und Steuervorteile für Firmenwagen und die Pendlerpauschale zurückgefahren werden. "Es besteht auch Spielraum zur weiteren Steigerung der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer durch die Abschaffung von Befreiungen."

Quelle: REU

http://www.rp-online.de/wirtschaft/oecd-aufschwung-verringert-armutsrisiko-in-deutschland-kaum-aid-1.4237102

 

 

 

14. Mai 2014 | 09.38 Uhr

Berlin 0

Soziale Kluft in Deutschland wächst

Berlin. Die OECD kritisiert das Rentenpaket der großen Koalition. Von Birgit Marschall

Trotz der seit 2010 guten Wirtschaftslage wächst nach Einschätzung der Industrieländer-Organisation OECD in Deutschland das Armutsrisiko. Geringverdienern drohe Altersarmut, der Arbeitsmarkt sei zunehmend gespalten, die Bildungschancen von Kindern aus einkommensschwachen Familien weiterhin auffallend gering, heißt es im neuen Deutschland-Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der gestern vorgelegt wurde. OECD-Generalsekretär Angel Gurrìa riet der Bundesregierung, Geringverdiener durch die Senkung der Sozialabgaben zu entlasten. Vermögensteuern könnten angehoben werden, um die künftig steigenden Sozialausgaben zu finanzieren.

Das sind neue Töne von der OECD, die noch vor gut einem Jahrzehnt soziale Einschnitte und umfangreiche Strukturreformen zur Wachstumssteigerung in Deutschland gefordert hatte. Heute sieht die Pariser Organisation, der 30 Länder angehören und die alle zwei Jahre einzelne Länderberichte vorlegt, mehr Bedarf an einer gerechteren Verteilung der Steuer- und Abgabenlast als vor gut zehn Jahren.

Gurrìa begrüßte ausdrücklich die geplante Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015. Der Mindestlohn sei ein ermutigendes Signal an Geringverdiener. Der Niedriglohnsektor sei in Deutschland relativ ausgeprägt. Dies erhöhe das Armutsrisiko im Alter, da die Renten der Betroffenen oft nicht ausreichen werden, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Zugleich seien die Aufstiegschancen von Angehörigen aus einkommensschwachen Haushalten in Deutschland geringer als in anderen Ländern.

Die Abgabenlast der Geringverdiener müsse sinken, die Steuerfinanzierung der Sozialausgaben steigen. Um keine Löcher in den Staatshaushalt zu reißen, könne die Regierung die Grundsteuer anheben, die Erbschaftsteuer ausweiten und Gewinne aus Immobilienverkäufen der Abgeltungssteuer unterwerfen. Die zehnjährige Spekulationsfrist müsste demnach entfallen. Auch bei den Umweltsteuern sieht die OECD Korrekturbedarf. "Leute dürfen nicht dafür bezahlt werden, dass sie die Umwelt beschädigen", sagte Gurrìa. Das gelte etwa für die Kfz-Steuer in Deutschland, die Diesel gegenüber Benzin begünstige. Auch die Ausnahmen vieler Industrieunternehmen von der Ökosteuer fördern Umweltbelastungen.

Das Rentenpaket der neuen Bundesregierung sieht die OECD kritisch. Anreize für Frühverrentungen dürfe es nicht geben, die Lebensarbeitszeit müsse, im Gegenteil, eher verlängert werden. Der OECD-Generalsekretär begrüßte daher die neue Diskussion über Maßnahmen für einen flexibleren Renteneintritt. Deutschland müsse zudem Frauen fördern, die Vollzeit erwerbstätig sein wollten. Frauen seien überrepräsentiert in unterbezahlten Teilzeit-Jobs, warnte die OECD. Mehr Kitas seien ein Teil der Lösung.

Deutschland habe zwar gute Wachstumsperspektiven, dürfe sich auf seinen Erfolgen aber nicht ausruhen. Die deutsche Wirtschaft wird nach der OECD-Prognose im laufenden Jahr um 1,9 und im kommenden Jahr um 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen.

Quelle: RP

http://www.rp-online.de/wirtschaft/soziale-kluft-in-deutschland-waechst-aid-1.4239071