18. November 2016, 07:37 Uhr
Rechnungshof kritisiert Jobcenter
Oft sei die Arbeit der Jobcenter nicht effizient, kritisiert der Bundesrechnungshof.
(Foto: Martin Schutt/dpa)
Die Betreuung der mehr als 1,7
Millionen Hartz-IV-Bezieher sei deutlich verbesserungsbedürftig, finden
die Prüfer. Viele Förderprogramme seien "nur zufällig erfolgreich".
Von Thomas Öchsner, Berlin
Mehr als 1,7 Millionen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland sind arbeitslos. In den Jobcentern
wird deshalb viel Geld investiert, um diese Menschen fit für den
Arbeitsmarkt zu machen. Sie werden weitergebildet, sollen sich mit
Ein-Euro-Jobs an einen normalen Arbeitsrhythmus gewöhnen oder nehmen an
bestimmten Eingliederungsprogrammen teil. Doch was kommt dann?
Im Idealfall sollen sie danach eine Arbeit finden. Die Mitarbeiter
in den Jobcentern sind deshalb angehalten, mit den Teilnehmern an
solchen Programmen Gespräche zu führen, ihr Bewerberprofil zu ergänzen
und eine Strategie für die Jobsuche zu finden. "Absolventenmanagement"
nennt das die Bundesagentur für Arbeit (BA). Doch genau das funktioniert
oft nicht gut. So sieht es der Bundesrechnungshof (BRH) in einem Prüfbericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin wird festgestellt, dass die Betreuung der
Hartz-IV-Bezieher, die an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilgenommen
haben, "noch deutlich verbesserungsbedürftig" sei.
Dem Prüfbericht zufolge sind die Förderprogramme "oft nur zufällig
erfolgreich". Werden die Ergebnisse daraus nicht berücksichtigt, blieben
die "mit hohem finanziellen Aufwand der Jobcenter und großem
persönlichen Einsatz der Leistungsberechtigten erworbenen Kenntnisse und
Fertigkeiten oft nutzlos". Die Mängel seien "ein wesentlicher Grund
dafür, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und anschließende
Vermittlungsbemühungen wirkungslos bleiben". Stefan Sell, Professor für
Sozialpolitik an der Hochschule Koblenz, spricht von "verschwendetem
Geld". Laut BRH kosten die Maßnahmen pro Teilnehmer im Durchschnitt
zwischen fast 700 Euro (Ein-Euro-Job) und knapp 6000 Euro (Weiterbildung).
Arbeitsagentur hatte 2014 bereits Mängel festgestellt
Die amtlichen Kontrolleure hatten Ende 2015 fast 500 Fälle in acht rein kommunal oder von der BA und einer Kommune geführten Jobcentern unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: In 39
Prozent der Fälle wurden die Ergebnisse der Maßnahme nicht dokumentiert
und die Datensätze nicht aktualisiert. Die Fachkräfte in den Jobcentern
hätten dabei zentrale Vorgaben der BA oder interne Weisungen der
Kommunen missachtet. Kritisch merken die Prüfer dazu an: Werde in den
Jobcentern der Wissenszuwachs durch die Maßnahmen ignoriert, könne sich
dies "negativ auf die Motivation der Leistungsberechtigten auswirken".
Als Beispiel wird eine Frau genannt, die sich zur Kauffrau im
Einzelhandel weiterbilden ließ. Die Abschlussprüfung bestand sie mit
sehr gut. Trotzdem veränderte das Jobcenter ihr Bewerberprofil nicht.
"Es führte die Leistungsberechtigte weiter als Verkaufshilfe", stellen
die Prüfer fest.
In dem Bericht wird außerdem kritisiert, dass bei gut jedem dritten
Fall der Abschluss einer Fördermaßnahme nicht zum Anlass genommen
worden sei, die Strategie für eine Integration in den Arbeitsmarkt
anzupassen. So wurde in vielen Fällen vor Programmende nicht mit den
Teilnehmern darüber geredet, wie es weitergehen könnte. Die
Bundesagentur für Arbeit hatte bei einer internen Untersuchung im Jahr 2014 ebenfalls bereits Mängel beim Absolventenmanagement festgestellt.
Offen blieb in dem Bericht des Bundesrechnungshofs, in wie weit die
Arbeitsüberlastung, die hohe Fluktuation und die Arbeitsbedingungen in
den Jobcentern zu den genannten Defiziten führen. Stattdessen stellen
die Prüfer die Frage, ob es in den Jobcentern für die Führungskräfte
genug Anreize gibt, diese Aspekte der Vermittlungsarbeit "stärker als
bislang in den Blick zu nehmen".
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bundesrechnungshof-rechnungshof-kr...
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