Pressemitteilung Sozialforum Dortmund: Preis des „VRR-Sozialtickets“ entfernt sich immer mehr von Bedarfslage

 

Pressemitteilung Sozialforum Dortmund
Preis des „VRR-Sozialtickets“ entfernt sich immer mehr von Bedarfslage
Es war schon fast ein gewohnheitsmäßiges Ritual: Der VRR gab bekannt, dass die Fahrpreise
zur kommenden Jahreswende erneut angehoben werden, diesmal um durchschnittlich
1,9 Prozent. Die Argumentation des Verbunds ist Jahr für Jahr die gleiche: steigende
Kosten und eine gewünschte finanzielle Entlastung für die angegliederten Städte und
Gemeinden machten die Erhöhung unumgänglich. Dabei wäre es gerade jetzt ein gutes
Signal gewesen, mal nicht an der Preisschraube zu drehen, um neue Kunden für den
ÖPNV zu gewinnen. Wird nicht gerade in diesen Tagen deutlich, dass dem motorisierten
Individualverkehr keine große Zukunft mehr beschieden ist?
Warum aber, das fragen wir die Verantwortlichen im VRR, soll die Fahrgastgruppe mit den
geringsten Einkommen mit der höchsten Preiserhöhung belastet werden? Das muss uns
mal jemand erklären. Was soll die weit überdurchschnittliche Preissteigerung bei den
Sozialtickets (plus 6,3 %)?
Knapp 38 € sollen die Betroffenen ab dem 1. Oktober 2017 für dieses Ticket hinblättern.
Wir vom Dortmunder Sozialforum, und mit uns viele andere, haben uns schon bei der
Einführung des VRR-Sozialtickets im Jahr 2011 am Preis gestoßen – und damals redeten
wir noch über 29,90 €. Der Preis war schon damals unangemessen hoch, und der neue
ist es erst recht! Denn wer heute von Arbeitslosengeld II, von Grundsicherung im Alter
oder ähnlichen Transferleistungen leben muss, dem stehen selbst nach offiziellen
Berechnungsunterlagen mal gerade 27,40 Euro im Monat für die Nutzung von öffentlichen
Verkehrsmitteln zur Verfügung*. Wer mehr dafür ausgibt bzw. ausgeben muss, der muss
das Geld bei anderen Ausgabepositionen einsparen. Und es gibt nicht eine Position, die
nicht ebenfalls äußerst knapp bemessen wäre.
Von der geplanten Erhöhung sind allein in Dortmund 96.000 Menschen betroffen, die
aufgrund ihres Leistungsbezugs grundsätzlich berechtigt wären, eine solche Karte zu
kaufen. Um ihre Mobilitätsbedürfnisse geht es, ihre Möglichkeiten, am gesellschaftlichen
Leben teilzuhaben. Niemanden scheint es zu stören, dass verbundweit nur 12,5 % der
Berechtigten tatsächlich ein solches Ticket erstehen (obwohl ihnen in den meisten
Fällen allenfalls ein Fahrrad als alternatives Fortbewegungsmittel zur Verfügung stehen
dürfte). Am allerwenigsten stört es offensichtlich den VRR.
Der VRR-Verwaltungsrat bezeichnet die geplanten Erhöhungen in seiner Pressemitteilung
v. 5.7. als moderat. Wir halten dagegen insbesondere den Preis für das Sozialticket für
diskriminierend und inakzeptabel. Und fordern den VRR auf, auf die geplanten Tarif-
Erhöhungen zu verzichten und sich endlich für ein Sozialticket einzusetzen, das seinen
Namen wirklich verdient.
Die bessere Lösung wäre aus unserer Sicht allemal ein umlage- und/oder steuerfinanzierter
freier Nahverkehr. Das wäre sozial und ökologisch sinnvoll und notwendig.
Sämtliche anderen Lösungen führen zu Staus, weiterer Umweltzerstörung und lassen für
Arme keine ausreichende Mobilität zu.
Dortmund, den 14.8.2017

* Grundlage: Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz, Bundestags-Drucks. 18/9984 v. 17.10.2016
Übersicht über die Zusammensetzung des heutigen Eckregelsatzes (1-Pers-Haushalt) auch unter
http://agora.free.de/sofodo/regelsaetze-nach-sgb-ii-sgb-xii-in-2017