Reichtumsbericht: Armut verfestigt sich

 

Reichtumsbericht: Armut verfestigt sich

  •  
    vonHannes Koch
     

Der Armut- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt, dass rund 16
Prozent der Bevölkerung in Armut leben. Die Folgen der Corona-Krise sind
noch nicht absehbar.

Nachdem
die Armut in Deutschland lange Zeit zunahm, hat sie sich mittlerweile
um 16 Prozent der Bevölkerung eingependelt. Dabei gibt es allerdings
unterschiedliche Befunde zur Entwicklung seit 2014. Einigen Statistiken
zufolge sinkt die Armutsquote, ein anderer Indikator weist aufwärts. Das
zeigt der neue Armuts- und Reichtumsbericht, den die Bundesregierung
wohl am Mittwoch beschließt.

Auch was die Folgen der Corona-Krise betrifft, herrscht ein Schwebezustand.
Die Regierung befürchtet, die Ungleichheit zwischen Arm und Reich könnte
wachsen. Dass die Schulen lange geschlossen waren und der Unterricht
eingeschränkt ist, benachteiligt diejenigen Lernenden, die sowieso
Probleme haben. Wegen der Geschäftsschließungen verlieren ohnehin
schlecht verdienende Beschäftigte einen Teil ihres Einkommens. Doch wie
sich Corona auf die Armutsquote auswirkt, ist nicht klar – für 2020
fehlen bisher die Daten.

Positiv vermerkt der Regierungsbericht, dass die Armutsrisikoquote in zwei
Statistiken zurückgeht. In der europäischen Untersuchung EU-Silc ist sie
2018 unter 15 Prozent gesunken, im Sozio-oekonomischen Panel auf 16
Prozent. Der bundesdeutsche Mikrozensus weist dagegen nach einem
Rückgang 2018 für 2019 wieder einen leichten Anstieg aus. Die
Armutsrisikoquote beschreibt den Anteil der Bevölkerung, der nur 60
Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens oder weniger zur
Verfügung hat.

Dass die Armut seit dem Jahr 2000 zunahm, lag unter anderem an den
Hartz-Gesetzen. Die Trendwende basiert nicht zuletzt auf der Einführung
des gesetzlichen Mindestlohns. So profitieren seit 2015 selbst die am
schlechtesten verdienenden zehn Prozent der Bevölkerung von höheren
Löhnen und Haushaltseinkommen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plädierte dafür, den Mindestlohn von augenblicklich
9,50 Euro brutto pro Stunde auf 12 Euro anzuheben. Derzeit finde
sozialer „Aufstieg von der Mitte nach oben“ statt, „aber nicht von unten
in die Mitte.“

Einen „Corona-Zuschlag auf die Grundsicherung“ forderte Katja Kipping, die
sozialpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag – außerdem eine
„sanktionsfrei Mindestsicherung: Kein Erwachsener soll im Monat unter
1200 Euro fallen“.

„Armut
und Ungleichheit bleiben auf einem nicht akzeptablen Niveau“, sagte
Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der Grünen.
„Die Armut verfestigt sich, wer unten ist, bleibt unten.“ Er plädierte
für die „Überwindung von Hartz IV durch eine Garantiesicherung, die das
soziokulturelle Existenzminimum in jeder Lebenslage sicherstellt.“

Gastbeitrag Seite 10

https://www.fr.de/wirtschaft/rechtumsbericht-armut-verfestigt-sich-90572...