Stadt braucht 95.000 neue Wohnungen - RP 6.9.2016
KOMMENTAR
Monokultur ja, Naturareale nicht
Laut einer Studie benötigt Düsseldorf 2000 neue Wohnungen mehr pro
Jahr als von der Stadt bislang geplant. Bis 2040 wird die Stadt laut
Prognose fast 680.000 Einwohner haben. Makler fordern, Ackerland
mit Wohnungen zu bebauen.
VON THORSTEN BREITKOPF
Die Wohnungsnot in Düsseldorf könnte sich in den kommenden Jahren
deutlich verschärfen. Das Düsseldorfer
Immobilien-Makler-Unternehmen Aengevelt hat den
mengenmäßigen Wohnungsbedarf in der NRW-Landeshauptstadt für
den Zeitraum von 2016 bis 2040 analysiert. Grundlage ist die
„Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung 2014 bis
2040/2060“ für Nordrhein-Westfalen, die für Düsseldorf eine
Bevölkerungszahl von rund 677.000 für das Jahr 2040
prognostiziert (Stand Dezember vorigen Jahres: 612.200
Einwohner).
Ergebnis der Analyse:
Insgesamt beträgt der Neubaubedarf bis 2040 in Düsseldorf mehr
als 95.000 Wohneinheiten. Dies entspricht einer mittleren
Fertigstellungsquote von knapp 4000 Wohneinheiten pro Jahr.
„Wurden
in den Jahren 2003 bis 2012 durchschnittlich lediglich rund 900
Wohneinheiten pro Jahr fertiggestellt, erhöhte sich das
Jahresvolumen 2013 und 2014 auf knapp 1900 Wohnungen. Für 2015
gehen wir von rund 2000 neuen Wohnungen aus“, sagt Michael
Fenderl, bei dem Maklerunternehmen zuständig für Statistiken.
„Ungeachtet der erfreulichen Zunahme der Bautätigkeit in den
drei vergangenen Jahren ist die Abweichung zwischen Bedarf und
tatsächlicher Fertigstellungen immer noch eklatant“, sagt der
geschäftsführende Gesellschafter Wulff Aengevelt. Dies gilt
aus seiner Sicht ungeachtet der Tatsache, dass wegen des weiten
Zeithorizontes die Abschätzung künftiger
Bevölkerungszuwächse von volatilen Faktoren wie zum Beispiel
Wirtschaftsentwicklung und Migrationsbewegungen abhängig
und mit Unsicherheiten verbunden ist. Angesichts der zudem
knappen Wohnbauland-Reserven in Düsseldorf fordert Aengevelt
deshalb: „Ackerland zu Wohnbauland, Wohnungsneubau statt
Möhrenanbau.“ Für eine ähnliche Forderung war Aengevelt vor
wenigen Jahren scharf kritisiert worden.
Umweltschützer
fürchten um die Frischluftversorgung der Innenstadt, sollten
große, heute unbebaute Schneisen am Stadtrand wegfallen. Vor
vier Jahren widersprachen CDU und FDP vehement den Plänen,
Ackerland für den Siedlungsbau zu nutzen. Allerdings hat sich die
Lage am Wohnungsmarkt auch weiter verschärft. Die Preise steigen
weiter von Monat zu Monat.
Bereits ohne
weiteren Zuzug gibt es einen Nachholbedarf. Laut Statistik gibt
es heute 342.000 Wohneinheiten in Düsseldorf, dem eine Anzahl
an Privathaushalten in Höhe von 346.400 gegenübersteht.
Auf
Ackerflächen entfallen in Düsseldorf – ohne Wald-, Grün- und
Gartenflächen – 3180 Hektar oder 15 Prozent der Fläche. Um den
Neubaubedarf bis 2040 zu decken, wären rechnerisch 60 Prozent
der Ackerfläche in Wohnbauland umzuwidmen. „Da an bestehenden
Wohnstandorten ebenfalls Wohnungen durch Abriss und
Neubebauung entstehen und auch Nutzungsänderungen von
Gewerbe- in Wohnbauflächen zu berücksichtigen sind, sind
tatsächlich allenfalls 20 bis 30 Prozent der Ackerflächen, also
640 bis 950 Hektar, umzuwandeln“, sagt Aengevelt.
In
Düsseldorf gibt es einen Mangel an Wohnungen. Wer versucht,
eine Wohnung zu finden, der wird dem ohne Widerspruch zustimmen.
Land und auch Stadt unternehmen viel, um Wohnungen zu schaffen.
Doch ist dem Wohnungsbau eine Grenze gesetzt. Manche Freiflächen
werden wie Heiligtümer behandelt. Oft werden stadtnah in
extremer Monokultur Gemüse, oft auch Zierpflanzen auf
schwarzen Folien angebaut. Die Diskussion muss erlaubt sein, ob
diese ökologisch äußerst armen Freiflächen nicht sinnvoller
für den Bau von Wohnungen als für den großstädtischen Ackerbau
genutzt werden sollen. Gleichzeitig muss klar festgelegt werden,
was auf keinen Fall bebaut werden darf. Flächen, die der
Naherholung dienen, Wälder oder gar der Himmelgeister
Rheinbogen, müssen bleiben, was sie sind. Thorsten.Breitkopf @rheinische-post.de
INFO
Haushalte haben immer weniger Personen
Rechnung
Der so genannte Neubedarf ergibt sich aus der Entwicklung der
Zahl der Privathaushalte bis 2040. Dabei geht die Studie bei der
Modellierung angesichts des anhaltenden Trends zur
Haushaltsverkleinerung davon aus, dass die durchschnittliche
Haushaltsgröße von aktuell 1,79 Einwohnern pro Haushalt auf 1,7
Einwohner/Haushalt bis 2040 sinkt. Auf dieser Basis erhöht sich
die Zahl der Privathaushalte gemäß der Bevölkerungsprognose
auf rund 398.000.
RP
Ergebnis Danach summiert sich der Neubedarf auf 51.600 Wohnungen.