10. Oktober 2017 - 17:45 Uhr
Vorstoß im Landtag: Schwarzfahrer – muss
Strafe sein?
Von Peter Kurz
Der Vorstoß von NRW-Justizminister Peter
Biesenbach zur Entkriminalisierung von Schwarzfahrern
beschäftigt den NRW-Landtag.
Warten auf den nächsten Einsatz:
Fahrkartenkontrolleure bei der Rheinbahn. Nanninga, Bild 1 von 2
Warten auf den nächsten Einsatz: Fahrkartenkontrolleure bei
der Rheinbahn.
Düsseldorf. Dass die Grünen im NRW-Landtag
etwas gut finden, das von der CDU kommt, passiert nicht oft.
Doch den Ball, den Peter Biesenbach (CDU) kürzlich ins Spiel
brachte, nehmen sie gern auf. Der NRW-Justizminister hatte laut
darüber nachgedacht, Schwarzfahren nicht mehr in jedem Fall als
Straftatbestand einzustufen. Mit einer Herabstufung zur
Ordnungswidrigkeit würden angesichts der geringen kriminellen
Energie nicht unerhebliche Haftkosten für inhaftierte
Schwarzfahrer entfallen. Auch führe das zur Entlastung von
Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten.
Eine Position, die die Grünen teilen. Nun wollen sie, dass der
CDU-Minister die Idee in die Tat umsetzt. Ihr Antrag in der
heutigen Plenarsitzung: Der Landtag solle das Vorhaben des
Justizministers unterstützen, „auf Bundesebene die Ahndung der
Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne entrichtetes Entgelt
als Ordnungswidrigkeit zu erwirken, wenn sie in der Einzelperson
nicht gehäuft auftritt.“ In der Tat müsste die Sache auf
Bundesebene umgesetzt werden – es geht um eine Änderung des
Strafgesetzbuches.
Die Argumente für eine Bewertung des Schwarzfahrens als
Straftat
Foto: dpa
Justizminister Peter Biesenbach hat die Diskussion
angestoßen.
Ganz und gar nicht begeistert sind die Verkehrsbetriebe von
Biesenbachs Vorstoß. Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des
Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, hält ihn für „absolut
kontraproduktiv. Damit schadet man den 95 Prozent ehrlichen
Fahrgästen, den Verkehrsunternehmen und ihren Mitarbeitern. Die
bezahlen am Ende gemeinsam die Zeche, wenn Schwarzfahrer zu
glimpflich davonkommen.“
Wolff lässt das Argument der Entlastung bei den Behörden und
öffentlichen Kassen nicht gelten: „Man verschiebt die Belastung
damit von der Landesbehörde Staatsanwaltschaft zu den
Ordnungsbehörden auf kommunaler Ebene, die sich dann um die
Ordnungswidrigkeiten kümmern müssten. Von einer Entlastung der
öffentlichen Hand kann also dabei keine Rede sein.“
Der Verband will, dass Schwarzfahren eine Straftat bleibt. Die
abschreckende Wirkung einer drohenden Freiheitsstrafe als letzte
Konsequenz sei „absolut notwendig“. Denn das auf
zivilrechtlicher Basis erhobene „Erhöhte Beförderungsentgelt“
werde häufig nicht bezahlt. So gingen den Verkehrsunternehmen
bundesweit jährlich 250 bis 300 Millionen Euro an
Ticketeinnahmen durch Schwarzfahren verloren. „Alle ehrlichen
Kunden müssen das über ihre Ticketpreise mitbezahlen“, klagt
Wolff.
§ 265a regelt: „Wer die Leistung eines Automaten oder eines
öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die
Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu
einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht
erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.“
Auch Eckhard Lander, Sprecher der Rheinbahn in Düsseldorf,
hätte sich gewünscht, dass der Justizminister nicht nur auf die
überlastete Justiz schaut. Sondern auch auf eine funktionierende
Abschreckung gegen das Schwarzfahren. Das vor zwei Jahren von 40
auf 60 Euro erhöhte Beförderungsentgelt (eine Art
Vertragsstrafe), das die Rheinbahn gut 60 000 Mal im Jahr
geltend macht, habe offensichtlich keine abschreckende Wirkung.
Der Rheinbahn entstünden jährlich mehr als drei Millionen Euro
Schaden durch Schwarzfahrer. Lander betont, dass das Unternehmen
keineswegs mit jedem Fall die Justiz behelligt: „Wir bringen nur
Leute zur Anzeige, die in 18 Monaten zum dritten Mal aufgefallen
sind.“
http://www.wz.de/home/politik/nrw/vorstoss-im-landtag-schwarzfahrer-muss-strafe-sein-1.2533390