Weltweite Geldvermögen sinken 2022 - hohe Ungleichverteilung

 

Mittwoch, 27. September 2023, Darmstadt / Wirtschaft
Ein schlechtes Jahr zum Sparen
Allianz-Report: Weltweite Geldvermögen sinken 2022 auch wegen der hohen Inflation
VON NINA LUTTMER

Meistens bemühen sich Veranstalter von Pressekonferenzen darum, gute Laune in den Medien zu verbreiten. Selbst wenn die Zahlen des eigenen Unternehmens grottig sind, versuchen Firmenchefs, sie der Presse positiv zu verkaufen und doch noch irgendwie schmackhaft zu machen. Nun musste der Chef-Volkswirt der Allianz, Ludovic Subran, den Medien am Dienstag keine Nachrichten zum eigenen Unternehmen verkünden. Dennoch war seine Einleitung in das Pressegespräch eher ungewöhnlich: „Wir können dieses Jahr nichts Erfreuliches berichten“, sagte er.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Arne Holzhausen stellte er den alljährlichen Allianz Global Wealth Report vor, der die Entwicklung der weltweiten Geldvermögen darstellt. „Für Sparerinnen und Sparer war 2022 ein annus horribilis“, fasste Subran die Ergebnisse des Berichts zusammen. Weltweit seien die globalen Geldvermögen um 2,7 Prozent geschrumpft; das war der größte Rückgang seit der Finanzkrise 2008, als sogar ein Minus von 7,8 Prozent zu Buche gestanden hatte. Ein Grund: Die Verluste an den Börsen 2022. Das Brutto-Geldvermögen – also einschließlich Schulden – privater Haushalte in den 57 untersuchten Staaten summierte sich Ende des vergangenen Jahres der Allianz zufolge auf 233 Billionen Euro.

Zwar lag das weltweite Brutto-Geldvermögen – dazu zählen etwa Bargeld, Bankeinlagen, Versicherungsprodukte, Fonds, Aktien oder Anleihen, nicht aber Immobilien – im vergangenen Jahr nominal betrachtet immer noch 19 Prozent über dem Stand von 2019 vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Real, also inflationsbereinigt stand für diesen Zeitraum aber nur ein Plus von 6,6 Prozent.

Und in Deutschland sieht dieses Bild noch schlechter aus: Im vergangenen Jahr sanken die Bruttovermögen hierzulande – vor allem aufgrund von Verlusten bei Aktien und Versicherungen – um 4,9 Prozent, das war ein stärkerer Einbruch als in der Finanzkrise 2008. Zwar liegen die Vermögen noch um etwas über zehn Prozent höher als „vor Corona“ 2019 – jedoch nur nominal, real sind sie seitdem um 2,2 Prozent geschrumpft. Die Deutschen seien also ärmer geworden. Die Sparerinnen und Sparer hätten sich jahrelang über die Nullzinsen beschwert, sagte Subran. „Aber der wahre Feind ist die Inflation.“

Immerhin gebe es weltweit eine steigende Tendenz, in Aktien zu investieren. Viele Anleger:innen hätten die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Turbulenzen und sinkenden Kurse zum Einstieg in die Märkte genutzt. Die privaten Haushalte hätten ein „sehr smartes Anlageverhalten“ bewiesen, so Holzhausen. Und das auch in Deutschland. „Die Deutschen sind Kapitalmarktfans geworden“, sagte der Experte, der für das Vermögens-Research der Allianz zuständig ist.

Das höchste Netto-Geldvermögen pro Kopf – die Schulden sind abgezogen – hatten 2022 die USA mit 253 450 Euro, gefolgt von der Schweiz mit 238 780 Euro. Deutschland liegt mit 63 540 Euro auf Rang 19.

Beklagenswert, so die Studienautorinnen und -autoren, sei die unverändert hohe Ungleichverteilung des Geldes. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung besäßen 85 Prozent des weltweiten Netto-Geldvermögens. Und die Verteilung sei in den vergangenen Jahren auch nur in sehr wenigen Ländern, etwa in Südafrika und der Türkei, gerechter geworden; in sehr vielen Ländern wie Brasilien, Mexiko, Indien, China und Russland dagegen noch ungleicher als zuvor. In vielen Ländern, auch in Deutschland, habe sich in den letzten 20 Jahren wenig getan – entgegen allen Bekundungen von Politikerinnen und Politikern, für mehr Ausgleich zu sorgen, so Holzhausen.

In den Industrieländern war das Pro-Kopf-Netto-Geldvermögen 2022 noch 18-mal höher als in den Schwellenländern. Das war der beste Wert seit 2016. Vor zwanzig Jahren lag dieser Faktor noch bei 64 – die Schwellenländer haben sich also angenähert; in den vergangenen Jahren stagnierte die Entwicklung allerdings.

Die Aufholjagd der Schwellenländer zeigt sich in weiteren Zahlen der Allianz: So ist das Netto-Geldvermögen pro Kopf in China seit dem Jahr 2002 um real – also inflationsbereinigt – 633 Prozent gestiegen, in Lateinamerika um 143 Prozent, in Australien und Neuseeland um 105 Prozent. In Japan steht hier nur ein Plus von 55 Prozent. Westeuropa trägt die rote Laterne, hier gibt es nur einen Anstieg von 46 Prozent. Der Wohlstand der alten Welt scheint keineswegs gesichert; die USA bleiben reichstes Land der Welt, China holt aber immer mehr auf.

Für das laufende Jahr erwarten die Allianz-Fachleute wieder einen Anstieg der globalen Geldvermögen um sechs Prozent. Bei einer gleichzeitig erwarteten Inflationsrate von durchschnittlich sechs Prozent dürfte sich ein Nullsummenspiel ergeben – ohne große Gewinne oder Verluste für die Sparerinnen und Sparer. Erst einmal werde es wohl keinen geldpolitischen oder wirtschaftlichen Rückenwind geben, so die Allianz-Fachleute, die mittelfristig mit einem durchschnittlichen Wachstum der Geldvermögen von vier bis fünf Prozent rechnen.