26. August 2016 | 10.25 Uhr
Wohnungsbau nur für Reiche
Düsseldorf.
Mehr Neubauten und steigende Einkommen machen das Wohnen in NRW zwar
erschwinglicher. In den Ballungsräumen bedroht die Wohnungsknappheit
trotzdem schon die untere Mittelschicht.
Von Thomas Reisener
Der Wohnungsmarkt in NRW hat zwei Gesichter.
Zwar sind die angebotenen Kaltmieten im Jahresvergleich erneut um 2,1
Prozent auf jetzt durchschnittlich 6,38 Euro pro Quadratmeter gestiegen.
Kein Problem für die meisten Mieter, weil auch ihre Einkommen gestiegen
sind: Der Anteil der Warmmiete an der Haushaltskaufkraft ist im Schnitt
sogar von 18,7 Prozent auf 18,2 Prozent gesunken.
Anders sieht es aber in den Ballungszentren aus. Hier liegt der
Wohnkostenanteil an der Kaufkraft inzwischen bei 24,5 Prozent
(Düsseldorf), 24,1 Prozent (Köln), 23,3 Prozent (Münster) und 23 Prozent
(Aachen). Als Faustregel gilt, dass für die Wohnkosten maximal ein
Drittel des Einkommens aufgewendet werden darf. Zwar ist das mittlere
jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Düsseldorf mit 25.963 Euro das höchste
in NRW. Ein Viertel der Düsseldorfer Haushalte verfügt jedoch nur über
ein Einkommen deutlich unter diesem Schnitt.
"Mehrköpfige Haushalte, die weniger als 2500 Euro netto im Monat
verdienen, haben in Städten wie Düsseldorf und Köln echte Probleme auf
dem Wohnungsmarkt", sagt Thomas Hegel, Chef des Düsseldorfer
Wohnungskonzerns LEG. Experten schätzen, dass allein in Düsseldorf
mindestens 50.000 Haushalte mehr Geld fürs Wohnen ausgeben, als sie sich
leisten können.
Der neue Wohnungsmarktreport, den die LEG gestern vorstellte,
unterstreicht die Not, die in den Wohnungsbrennpunkten von NRW längst
auch die untere Mittelschicht bedroht: So reichen die Kaltmieten in
Düsseldorf bei Neuvermietungen von rund 7,50 Euro bis 14 Euro pro
Quadratmeter. Mit einem Durchschnitt von zehn Euro ist nur Köln noch
teurer als Düsseldorf (Durchschnitt 9,63 Euro), gefolgt von Münster
(9,23 Euro), Bonn (9,13 Euro) und Aachen (8,33 Euro). Hegel:
"Preiswertes Wohnen hört aber bei höchstens sieben Euro auf."
NRW-Wohnungsminister Michael Groschek (SPD) sagt: "Die
privatisierten Wohnungsbaugesellschaften müssen jetzt selbst
Verantwortung übernehmen und mehr in Neubauten investieren." Seit 2008
ist die Zahl der Baugenehmigungen um fast zwei Drittel auf 55.805
gestiegen. Laut Bauministerium liegt der NRW-Bedarf aber bei 80.000
neuen Wohnungen pro Jahr.
Abgesehen von dieser Differenz helfen Neubauten unteren Einkommen
wenn überhaupt erst mit jahrelanger Verzögerung. Neue
Umweltschutz-Auflagen und explodierende Preise für Bauland haben die
Kosten im Neubau auf mindestens 2500 Euro pro Quadratmeter getrieben.
Hegel: "Das erzwingt Mindest-Kaltmieten von deutlich über zehn Euro."
Oppositionsführer Armin Laschet (CDU) fordert deshalb das Aussetzen
wenigstens der jüngsten Energiesparverordnung: "Die Kosten stehen in
keinem Verhältnis zur tatsächlichen Energieeinsparung. Wir fordern ein
Moratorium."
Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia will der Not im
unteren Preissegment mit einer Renaissance des Plattenbaus begegnen:
Aufgesetzte Dachgeschosse und ganze Neubauten aus Standardteilen sollen
die Baukosten auf 1800 Euro pro Quadratmeter drücken. Allerdings lassen
schon die unterschiedlichen Brandschutz-Vorgaben keine bundesweit
baugleichen Serienhäuser zu.
Die vor gut einem Jahr eingeführte Mietpreisbremse funktioniert
bislang nicht. Das räumt selbst Groschek ein. Er hat die Fördermittel
für den sozialen Wohnungsbau aufgestockt. Folge: Im vergangenen Jahr
wurden fast 40 Prozent der bundesweiten Sozial-Neubauten in NRW
errichtet. Das waren aber trotzdem nur 5538.
Quelle: RP
http://www.rp-online.de/politik/wohnungsbau-nur-fuer-reiche-aid-1.6214772