Noch kein Grund zur Freude
Die meisten sterben an Opiaten: Zahl der Drogentoten in Deutschland sinkt erstmals seit 2012.
Die Zahl toter Crack-Konsumenten nimmt zu.
erstmals seit 2012 wieder gesunken. Starben 2016 noch 1333 Menschen an
den Folgen ihres Rauschgiftkonsums, waren es 2017 noch 1272. Das ist ein
Rückgang um fünf Prozent. Die Zahlen sind jedoch nicht in allen
Bundesländern rückläufig - so stieg in Hessen die Zahl der Opfer von 90
auf 95.
Die bundesweite Entwicklung sei allerdings kein Grund zur
Freude. „Auch diese Zahl steht für unermessliches Leid der Betroffenen
und deren Angehörigen“, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung,
Marlene Mortler (CSU), am Dienstag, bei der Vorstellung der Statistik.
Sie wollte die Zahlen auch nicht als Trendwende bezeichnen, sondern
sprach von einer Momentaufnahme. „Es gibt keinen Anlass, sich etwas an
die Brust zu heften“, so Mortler, die das Amt der Drogenbeauftragten
schon in der vorigen großen Koalition innehatte.
Im Jahr 2012 hatte die Zahl der Drogentoten mit 944 einen Tiefpunkt
erreicht. Danach stieg sie kontinuierlich wieder an. Wie in den
Vorjahren waren auch 2017 die Verstorbenen mehrheitlich Männer. Nur 15
Prozent waren Frauen. Das Durchschnittsalter stieg um ein Jahr auf 39
Jahre. Bei den Todesursachen bestätigten sich langfristige Trends, die
mit verändertem Konsumverhalten zu tun haben: Zwar sterben die meisten
Abhängigen nach wie vor an einer Überdosis von Opiaten wie Heroin oder
Morphin. Die Zahl ging jedoch von 789 auf insgesamt 707 Todesfälle
zurück. Gleichzeitig stieg die Zahl der Süchtigen, die durch den Konsum
von Kokain oder Crack zu Tode kamen.
Modellprojekt in Bayern
Auffällig ist, dass immer mehr Menschen an Fentanyl sterben.
Gegenüber 2016 stieg die Zahl um acht auf 68 Todesopfer. Die Substanz
wird von Drogenabhängigen aus Schmerzpflastern ausgekocht, die
eigentlich für Krebspatienten oder Menschen mit chronischen Schmerzen
gedacht sind. Das mit Spritzen injizierte Mittel ist extrem stark und
macht sehr schnell abhängig. Auf dem Rückzug sind dagegen offenbar die
sogenannten Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS), die in der Szene auch
als Legal Highs, Badesalze oder Düngerpillen bezeichnet werden. Dabei
handelt es sich um synthetische Drogen, die früher unter Ausnutzung von
Gesetzeslücken legal hergestellt werden konnten. Seit 2016 gilt jedoch
ein neues Gesetz, mit dem diese Lücken weitgehend geschlossen wurden.
Das zeigt offenbar Wirkung: Die Zahl der Toten infolge des Konsums von
NPS sank im vergangenen Jahr von 76 auf 28.
Wenn schon der Job, die Familie und die Wohnung weg sind, ist es häufig zu spät.
Marlene Mortler, Drogenbeauftragte
Die Drogenbeauftragte Mortler nannte als wichtigstes Ziel, die
Drogensüchtigen deutliche früher als bisher mit Hilfsangeboten zu
erreichen. „Wenn schon der Job, die Familie und die Wohnung weg sind,
ist es häufig zu spät“, sagte sie.
Konkret schlug sie ein Verfahren wie in Portugal vor, um schnelle
Hilfe zu gewähren und eine Kriminalisierung der Betroffenen zu
verhindern: Wer mit Drogen zum Eigenkonsum erwischt wird, soll wählen
können, ob er eine Strafe akzeptiert oder stattdessen Hilfe annimmt und
sich einer Behandlung unterzieht. Mortler stellte am Dienstag auch eine
Studie vor, in der die näheren Todesumstände der Drogentoten untersucht
wurden. Dabei stellte sich zum Beispiel heraus, dass es in einem Drittel
der Fälle einer Heroin-Überdosis Rettungsversuche durch Dritte gegeben
hat.
Studienleiter Ludwig Kraus vom Institut für Therapieforschung
forderte daher zusammen mit Mortler eine schnelle Zulassung des
Medikaments Naloxon in Form eines Nasensprays. Dabei handelt es sich um
ein Gegenmittel, mit dem Süchtige bei einer Überdosis gerettet werden
können. Nach der für dieses Jahr erwarteten Zulassung sollen laut
Mortler Abhängige und Angehörige in einem Modellprojekt in Bayern in der
Anwendung von Naloxon trainiert werden.
http://www.fr.de/panorama/drogen-noch-kein-grund-zur-freude-a-1506238